Libyen-Krise spaltet Europa

Der Sonder-Gipfel der EU zur Libyen-Krise findet keinen gemeinsamen Nenner. Zwar sind sich die 27 im Prinzip einig, dass Gaddafi weg muss – doch wie, darüber gibt es große und tiefe Differenzen. Während Frankreich, Großbritannien und das Europaparlament die libysche Rebellion anerkennen und den Schutz der libyschen Bevölkerung zur Not auch mit Militärgewalt durchsetzen wollen, tritt Deutschland massiv auf die Bremse. Jetzt sei nicht der Zeitpunkt für militärische Aktionen, sagte Bundeskanzlerin Merkel. 

 

Wie sie Gaddafi stoppen will, sagte Merkel allerdings nicht. Dabei erobert der libysche „Revolutionsführer“ gerade eine Stadt nach der anderen zurück und könnte bald wieder die Oberherrschaft über „sein“ Land gewinnen. Demgegenüber möchte Sarkozy die Demokratiebewegung aktiv unterstützen und „humanitäre Schutzzonen“ einrichten. Sollte Gaddafi weiter die Luftwaffe gegen die Bevölkerung einsetzen, droht Sarkozy mit gezielten „defensiven“ Militärschlägen. Voraussetzung sei allerdings ein Uno-Mandat und die Zustimmung von libyscher Rebellion und Arabischer Liga.


Klar ist, dass das aggressive Auftreten Sarkozys vergessen lassen soll, dass er Gaddafi noch vor nicht allzu langer Zeit massiv hofiert hat. Klar ist aber auch, dass die scheinbar vorsichtige deutsche Haltung vor allem innenpolitisch motiviert ist – Merkel möchte kurz vor wichtigen Landtagswahlen keinen unpopulären Militäreinsatz riskieren. Auch die empörte deutsche Pose ist wenig glaubwürdig. Schließlich hat Deutschland ja auch im Kosovo-Krieg mitgebombt, der durch keine Uno-Resolution gedeckt wurde. Und Deutschland erkannte Kroatien im Alleingang an – mit den bekannten Folgen.

 

Immerhin bringt der Gipfel eine bemerkenswerte Entwicklung: Erstmals beschließt die EU in einer außenpolitischen Krisenlage, dass alle Optionen auf dem Tisch liegen. Sie bricht damit mit der bisher üblichen Positionierung als stets kompromissbereite „Soft power“ und droht – wenn auch verklausuliert und mit vielen Vorbehalten – mit „hard power“, also militärischer Gewalt. Damit geht sie teilweise sogar über die Nato hinaus, die sich zwar auf alle Eventualitäten vorbereitet, sich rhetorisch aber zurückhält. Deutet sich damit ein Strategiewechsel in Europa an?