Last man standing

Während sich Deutschland aufs Bremsen verlegt, hat Frankreich eine aktive Rolle in der EU eingenommen. Nun geht Präsident Macron auch in der Nahost-Politik voran – ist er der „last man standing“?


„Macron Steps Into Middle East Role as U.S. Retreats“. Mit dieser Zeile macht die „New York Times“ einen Bericht über die Nahost-Krise auf, die durch die Politik von US-Präsident Trump noch verschärft wurde.

Macron nehme nun die Führungsrolle ein, so das Blatt. Tatsächlich hat er nicht nur Israels Regierungschef Netanjahu empfangen – einen Tag, bevor der nach Brüssel zum Treffen der EU-Außenminister weiter reiste.

Der französische Präsident hatte auch den Mut, Netanjahu zu eigenen vertrauensbildenden Schritten aufzufordern, etwa einem Stopp des umstrittenen Siedlungsbaus. Die EU-28 hat diesen Mut nicht.

Neue Führungsrolle

Es ist nicht das einzige Beispiel für die neue Führungsrolle, in die Macron sich und sein Land manövriert. Zuvor hatte er schon die Initiative im Libanon ergriffen – und einen diplomatischen Erfolg eingefahren.

Wenn er so weiter macht, könnte Frankreich eine Vermittlerrolle im Nahen und Mittleren Osten erlangen, schreibt „Slate“. Das hat die EU in den letzten 20 Jahren nicht geschafft.

Aber auch im ganz nahen Osten, nämlich in Mittel- und Osteuropa, ist Macron aktiv. Im Streit um die EU-Entsenderichtlinie setzte er einen Kompromiss durch, der eine jahrelange Blockade beendet.

Er ist da stark, wo Merkel versagt

Kommissionschef Juncker war dazu ebenso wenig in der Lage wie Kanzlerin Merkel – die war nicht einmal auf die Idee gekommen.  Merkel sucht nur taktische Vorteile, Macron hat eine Strategie.

Doch wie lange kann der französische Shootingstar seine Führungsrolle aufrecht erhalten? Noch wirkt diese Frage deplaciert. Macrons Forderung nach einer „EU, die schützt“ ist schon in den Brüsseler Alltag eingegangen.

Und seine Vorschläge zur Reform der Währungsunion sind zum Maßstab aller Debatten geworden. Bei der Umsetzung hapert es allerdings. Hier hat Merkel gepunktet – mit Hinterzimmer-Diplomatie.

Das deutet darauf hin, dass Macron vor allem da stark ist, wo Juncker und Merkel versagen – also in sehr vielen Bereichen. Sobald er jedoch Brüssel und Berlin auf ein Thema ansetzt, wird es schwierig.

Hardball spielen

Neben dem Euro zählt dazu auch die Verteidigung. Obwohl es Frankreich war, das die neue Verteidigungsunion erfunden hat, sieht es nun so aus, als käme sie zu allererst Deutschland zugute.

Doch das muss nicht so bleiben. Macron kann in wichtigen Fragen genauso Hardball spielen wie Merkel. Warum sollte er nicht auch ein Veto gegen mißliebige EU-Entscheidungen einlegen, wie sie es ständig tut?

Unter Macrons Vorgänger Hollande war Frankreich zu schwach dazu. Doch nun läuft die Wirtschaft wieder rund, und Macron hat eine satte und stabile Mehrheit – was man von Merkel nicht gerade behaupten kann…

Siehe auch „Wie Merkels Macht bröckelt“