Zum Krisengipfel: Katalonien schließt Grenzen
Kein neuer Lockdown, keine weiteren Grenzschließungen: Das hatten die EU-Politiker, allen voran Kanzlerin Merkel, gelobt. Nun werden die Versprechen gebrochen – und das pünktlich zum ersten Corona-Krisengipfel dieses Herbstes.
Madrid ist schon abgeriegelt, nun schottet sich auch noch Katalonien ab. Die spanische Region verhängte am Donnerstag ein 15-tägiges Ein- und Ausreiseverbot. Am Wochenende wird den Einwohnern nicht nur verboten, Katalonien zu verlassen, sondern auch ihre Städte und Gemeinden.
Das trifft sich schlecht – denn eigentlich wollte Kanzlerin Merkel beim ersten Corona-Krisengipfel unter deutscher Führung durchsetzen, dass die Grenzen offen bleiben. Der Binnenmarkt dürfte nicht behindert werden, so das deutsche Credo. Es wird auch von Frankreich unterstützt.
Nun schert Spanien aus, jedenfalls teilweise. Zuvor hatte schon Dänemark die Grenzen dicht gemacht – allerdings nur für Touristen. Auch Ungarn hat sich abgeriegelt, war jedoch von der EU-Kommission zur Ordnung gerufen worden.
Die große Frage ist nun, ob eine weitere unkontrollierte Abschottung wie im März vermieden werden kann. Damals hatte auch Deutschland die Grenzen dicht gemacht, sehr zum Ärger Frankreichs. Nun soll Merkel darüber wachen, dass es nicht wieder geschieht.
Doch das wird schwer; einige Übergänge nach Österreich sind schon zu. Ärger droht auch an der Grenze zu Tschechien, wo die Coronakrise besonders heftigt tobt. Deutschland wird wohl mehr Hilfe versprechen müssen, um den Binnenmarkt zu retten.
Schon gefallen ist das Versprechen, einen zweiten Lockdown zu vermeiden. Deutschland führt zwar nur eine “Light”-Version ein – doch die Maßnahmen wurden ausgerechnet einen Tag vor dem EU-Gipfel am Donnerstagabend beschlossen…
Kleopatra
30. Oktober 2020 @ 08:57
Merkel ist jedenfalls nicht dafür verantwortlich, wenn Katalonien die Grenzen schließt. Da hat sie anders als in Deutschland keine Kommandogewalt. Ungarn wurde m.W. von der Kommission nicht ermahnt, weil es die Grenzen geschlossen hatte, sondern weil die Grenzschließung selektiv war und die Bürger der Visegrád-Staaten nicht betraf (=> Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit). Grenzschließungen sind die ultima Ratio; ein Staat, der fürchten muss, dass sein Krankenhauswesen unter der Überlast zusammenbricht, wird nicht auf sie verzichten, wenn er sich davon auch nur eine geringe Entlastung verspricht. Da allerdings Covid-19 in Westeuropa schon flächendeckend verbreitet ist, bringen hier Grenzschließungen wahrscheinlich nichts mehr; Mittelosteuropa konnte es im Frühjahr noch draußen halten, aber auch hier dürfte kaum noch ein Nutzeffekt zu erzielen sein. Letztlich wird sich Covid-19 in ganz Europa flächendeckend verbreiten, und wie viele Menschen in einem Land sterben, dürfte vor allem davon abhängen, ob das Gesundheits- und Sozialsystem umfangreiche Reserven hat oder “auf Kante genäht” ist, wie es von vielen Gesundheitsökonomen empfohlen wird bzw. wurde. (Lt. Ärzte ohne Grenzen waren etwa 70% der Covid-19-Toten in Spanien bis August 2020 Bewohner von Alten- oder Pflegeheimen; anscheinend stimmt also das Vorurteil von der mediterranen Großfamilie, in der die Enkel die Großeltern anstecken, eher nicht).