Der Kopf stinkt
Das Europaparlament hat für strengere Datenschutz-Regeln in der EU gestimmt. Damit wird es für Facebook, Amazon & Co. schwerer, mit privaten Daten Geschäfte zu machen. Nun müssen noch die EU-Staaten zustimmen – und da liegt das größte Problem.
Der Fisch stinkt vom Kopf her. Dies gilt auch für den Datenschutz in der EU. Brüssel kann noch so gute Regeln vorschlagen – wenn die Mitgliedstaaten nicht mitziehen, nützt es nichts.
Werden sie die neue, ehrgeizige Datenschutzverordnung mittragen, die das Europaparlament unter Federführung eines grünen Abgeordneten (J.-P. Albrecht) aus einer schwachen Kommissionsvorlage gemacht hat?
Oder werden sie dem Parlament die Zähne ziehen, wenn es um Geheimdienste, digitale Geschäfte und Big Data geht? Lassen sie sich wie so oft von den Amerikanern gegeneinander ausspielen?
Datenschützer treibt genau diese Sorge um. Sie fürchten, dass Irland nicht mitspielt, wo Amazon & Co. bisher die strengeren Datenschutzregeln auf dem Kontinent gezielt umgehen.
Auch Großbritannien, Deutschland und Frankreich gelten als unsichere Kantonisten. Die Briten spähen ja sogar die EU aus, die Deutschen denken nur an sich, und den Franzosen war bisher alles egal.
Das scheint sich zwar gerade zu ändern, wie der massive französische Protest gegen die NSA-Schnüffelei zeigt. Doch es reicht schon, wenn einzelne EU-Staaten auf Zeit spielen, um die neue Verordnung auszubremsen.
Und dies gilt nicht nur für den Datenschutz. Fast alle EU-Gesetze, die in diesem Herbst verhandelt werden, können von einzelnen Staaten abgeblockt werden – denn die Legislaturperiode endet 2014, bald geht nichts mehr.
Wie man erfolgreich auf Zeit spielt, hat Kanzlerin Merkel beim Thema Co2/Neuwagen vorgeführt. Beim Datenschutz droht nun ein ähnliches Debakel. Und bei der Euro-“Rettung” hat es schon Routine (“too little, too late”).
Auch wenn es viele Leser dieses Blogs nicht wahrhaben mögen: Nicht Brüssel ist “böse”, die Regierungen der 28 EU-Staaten spielen falsch. Je nationaler sie denken und handeln, desto weniger geht in der EU.
Der Fisch stinkt eben vom Kopf her…
P.S. Wer sich für eine kritische Würdigung der neuen Datenschutzverordnung interessiert, sollte mal bei Netzpolitik vorbeischauen, z.B. hier
Andres Müller
23. Oktober 2013 @ 13:54
Der Kopf stinkt im geheimen @ebo
Zum Beispiel gibt es mit den USA Abkommen mit der EU bezüglich der SWIFT Spionage, doch diese scheinen gar nicht eingehalten worden zu sein.
https://www.privacyinternational.org/blog/demanding-accountability-for-the-nsas-breach-of-swift-financial-agreement
Was nutzen denn Abkommen die dann trotzdem übergangen werden?
Aus meiner Sicht muss man da nun technische Lösungen erarbeiten, da die Diplomatie offenbar versagt hat.
Ich schlage vor in Europa für den Finanzverkehr die Verbindungen über das Internet zu kappen, und stattdessen ein eigenes Netzwerk mit eigenen Kabelverbindungen zu legen.
Wie wäre es mit einem EUFINET?
Praktisch wäre es auch wenn es für die Behörden für Email -Verkehr und Videokonferenzen ein eigenes Netz geben würde, ich schlage ein EUPONET für Behörden und Universitäten vor.
Wenn Abkommen keine Wirkung mehr haben, dann kann man nur über technische Massnahmen die Privatsphäre wieder herstellen. Eine politische Auseinandersetzung mit den USA um die Verträge einzuhalten,wäre dann überflüssig.
Solche Massnahmen würden allerdings ebenso versagen, solange einige EU-Mitgliedstaaten trotzdem insgeheim mit fremden Geheimdiensten zusammenarbeiten.
Ich vermute das zumindest England, Deutschland,Holland und die Schweiz immer wieder nach dem Willen der NSA tanzten.
cervo
22. Oktober 2013 @ 14:26
“Auch wenn es viele Leser dieses Blogs nicht wahrhaben mögen: Nicht “Brüssel ist “böse”, die Regierungen der 28 EU-Staaten spielen falsch.”
Danke! Eine ganz wichtige Tatsache die viele Leute einfach nicht begreifen wollen.
Cohen66
22. Oktober 2013 @ 11:11
für eine brauchbare Verordnung gibts hundert schlechte, die eine macht die EU nicht besser.