Brüske Kehrtwende in Syrien
Eine militärische Lösung des Syrien-Konflikts kann es nicht geben. Wir müssen erst eine Untersuchung über den Giftgas-Angriff abwarten. Das sagte die EU auf ihrer Syrien-Konferenz in Brüssel. Alles schon vergessen?
Zwei Tage und einen amerikanischen Militärschlag später scheint sich jedenfalls niemand mehr in Brüssel an eigenen Worte zu erinnern. Stattdessen twittert Ratspräsident Tusk:
US strikes show needed resolve against barbaric chemical attacks. EU will work with the US to end brutality in Syria.
— Donald Tusk (@eucopresident) April 7, 2017
Plötzlich ist die Welt wieder ganz einfach: Assad ist schuld – auch ohne Untersuchung. Die USA sind wieder die Guten, und natürlich wird die EU mit Präsident Trump zusammenarbeiten.
Auch Kanzlerin Merkel und ihr Adjudant Hollande aus Frankreich unterstützen die USA. Dabei haben ihre Außenminister am Mittwoch in Brüssel noch ganz andere Dinge gesagt.
So äußerte SPD-Mann Gabriel die „Sorge, dass der Kampf gegen Terrorismus im Zentrum steht und der politische Prozess quasi aus dem Blickfeld geraten könnte“. Er meinte Trump.
Nun steht der Krieg im Mittelpunkt, der politische Prozess ist beendet, und die EU klatscht Beifall…
kaush
9. April 2017 @ 18:11
Der UN-Botschafter Boliviens führt die USA und ihre Vasallen vor:
https://youtu.be/ZWnufasG0kc
Ein mutiger Mann, denn wer die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd.
Peter Nemschak
9. April 2017 @ 12:55
@claus Ironischerweise ist das von Trump beschworene „Make America Great Again“, untrennbar mit der weltpolitischen Großmachtrolle der USA verbunden. Ein Rückzug auf den eigenen Kontinent würde die USA „greatness“ kosten. Ob sie in Zukunft gemeinsam mit den anderen externen Mächten eine konstruktive Rolle In Syrien spielen werden, ist durch den begrenzten Militärschlag keineswegs garantiert. 60 Marschflugkörper waren der Preis für die Wiedereintrittskarte in das Welttheater. Für die EU bildet der Wiedereintritt der USA Vorteile und Risiken. Die EU, als militärisch im Vergleich zu Russland, China und den USA schwächster Mitspieler muss an einem Gleichgewicht der anderen Großmächte sicherheitspolitisch interessiert sein. Ohne die USA wäre die EU auf Gedeih und Verderb den autoritären Akteuren China und Russland ausgeliefert. Mit den USA an Bord hat sie im Konzert der Mächte einen größeren Handlungsspielraum. Wie sie ihn nützen wird, bleibt abzuwarten.
Claus
8. April 2017 @ 08:00
@Peter Nemschak: Zu Ihren Punkten Aneignung der Krim und militärischer Eingriff in Syrien durch Russland: In Sachen Krim unterscheiden Staatsrechtler eine Annexion und eine Sezession. Letztere ist der Wunsch eines Landes oder eines Teiles davon, sich einem anderen Land anzuschließen, wie im Falle Krim geschehen. Machen Sie sich doch da mal schlau, dann fällt das Krim-Thema schon mal weg. Zum Vergleich könnte sich Bayern auch völkerrechtlich legitimiert Österreich anschließen, wenn dies in Bayern mehrheitlich gewünscht wird.
Zum Thema Syrien: Nur das russische Militär hält sich per Einladung der syrischen Regierung rechtmäßig in Syrien auf, alle Interventionen in Syrien durch andere Länder sind völkerrechtswidrig.
Peter Nemschak
8. April 2017 @ 16:18
Ob die syrische Regierung nach wie vor, nach allem was geschehen ist, legitim ist, bleibe dahingestellt. Im übrigen entspricht Ihr Standpunkt jenem der Ultrarechten in den USA. Rechnen Sie sich auch dazu ? Ich vermute, die AfD ist für ihren Geschmack zu links.
Claus
9. April 2017 @ 12:12
Zur Beantwortung Ihrer Frage: Ich selbst verorte mich in der politischen „Mitte“. Aber zugegeben: Im derzeitig politisch-medialen Koordinatensystem, in dem Sie sich zu orientieren scheinen, ist heute jeder, der auf die Einhaltung internationaler Regelungen und Abkommen besteht, klar „Rechts“. Nach dieser Definition wäre ich dann tatsächlich „Ultrarechts“.
kaush
7. April 2017 @ 16:44
Bis auf den einen, nicht gerade von Intelligenz und Sachkenntnis strotzenden Kommentar, kann ich mich allen anderen nur anschließen.
Ich glaube, auch die Besonnenheit und das diplomatische Geschick der russischen Regierung ist endlich.
Einen weiteren Angriff der USA auf einen Verbündeten von Russland wird man militärisch beantworten (müssen). Ansonsten gerät die Regierung Putin unter Druck im eigenen Land.
Putin kann sich nicht erlauben als Schwächling dazustehen.
Trump sollte sich sehr, sehr gut überlegen, was er als nächstes tut.
Zur EU etwas zu schreiben erübrigt sich. Sie ist ein Vasall der USA und verhält sich entsprechend.
Peter Nemschak
7. April 2017 @ 16:18
Die USA haben sich in Syrien kraftvoll zurückgemeldet und zu verstehen gegeben, dass sie das Feld nicht wie Obama kampflos den Russen überlassen wollen. Jetzt hängt es davon ab, ob es der amerikanischen Diplomatie gelingt, sich in den immer wieder stockenden mehrschichtigen politischen Prozess einzubringen. Die Aktion hat gezeigt, dass nicht nur das autoritäre Russland sondern auch die USA zu unilateralen Militäraktionen fähig sind, wenn sie wollen. Es sei bei dieser Gelegenheit daran erinnert, dass Russland nicht auf ein Mandat der UNO gewartet hat, um sich die Krim anzueignen oder in Syrien militärisch einzugreifen. Derzeit scheinen nur China, Russland und die USA imstande zu sein, for the better or worse unilateral militärisch effektiv zu handeln. Die EU ist es nicht und damit auch keine glaubwürdige Weltmacht.
ebo
7. April 2017 @ 16:21
Kraftvoll und völkerrechtswidrig…
Peter Nemschak
7. April 2017 @ 17:06
Na und? Die brutale Macht des Faktischen zählt zwischen den Großmächten. Das sollten Sie doch wissen. Sie neigen dazu, die russischen „Unarten“ zu vergessen. iIh wollte Sie daran erinnern etwas ausgewogener zu schreiben. Der jetzige Militärschlag der USA war die Voraussetzung dafür, im zukünftigen diplomatischen Prozess überhaupt eine glaubwürdige Rolle spielen zu können und von den Russen und Assad nicht wie die zahnlose EU als Papiertiger wahrgenommen zu werden. Ob die USA in Zukunft in der Syrienfrage eine konstruktive Rolle spielen werden, wissen wir nicht. Gewaltanwendung ist kein Selbstzweck, aber manchmal ein effektiveres Mittel zum Zweck als auf die UNO zu warten. Ab nun sollte Trump in der Syrienfrage das weitere Vorgehen der USA seinen diplomatisch erfahrenen Experten überlassen.
Claus
7. April 2017 @ 14:09
Eine heiße Kiste, die Trump da fährt: Angriff auf eine souveränes Land. Da kann man nur hoffen, dass Putin besonnen bleibt.
TomW
12. April 2017 @ 09:43
Als sonderlich souverän erweist sich Syrien seit vielen Jahren nicht mehr, das zeigt der Krieg eindeutig.
hyperlokal
7. April 2017 @ 13:08
Gerade weil offenbar eine objektive Aufklärung nicht gewollt ist, muss man die plausibelste Annahme machen:
Was hätte Assad davon, einen Giftgas-Angriff durchzuführen? So etwas kann nicht in seinem Interesse gewesen sein, denn dann wäre er ja mit dem Klammerbeutel gepudert gewesen.
Demnach ist die Interpretation der Russen die plausibelste. Es wurde ein Giftgaslager der Rebellen getroffen und das sind bekanntlich die Freunde der USA.
Es sind also mit größter Wahrscheinlichkeit die Freunde der USA, die hier angeklagt gehören..
Das hier die vermutliche Wahrheit umgedreht wird, kann man als Sieger-Selbstjustiz bezeichnen.
Und wer beteiligt sich mit schriller Aggressionsrhetorik daran?
Die großen deutschen Medien!
luciérnaga rebelde
7. April 2017 @ 13:01
Alles vergessen? Saddam Hussein, Muhamar Ghaddafi und die völlige Zerstörung von Irak und Lybien aufgrund erweist falschen Anschuldigungen?
TomW
12. April 2017 @ 09:39
Naja, für die Zerstörung Syriens wird die NATO nicht unbedingt gebraucht, die vollzieht sich auch so.
Pjotr56
7. April 2017 @ 12:00
… und wir sind einen (un)gehörigen Schritt weiter in Richtung einer militärischen Konfrontation zwischen USANATO und Russland.