Junckers Dilemma
Die neue EU-Kommission steht. Wie angekündigt, hat es einige Überraschungen gegeben. Doch auf den ersten Blick ist es es Juncker nicht gelungen, eine überzeugende “Regierung” aufzustellen – die “großen Fünf” waren stärker.
Die großen EU-Länder haben nämlich weit reichende Ansprüche angemeldet. Und sie werden alles versuchen, die Macht Junckers und seiner neuen Mannschaft zu brechen.
Hier eine Übersicht über die “großen Fünf” und ihre Begehrlichkeiten. Die Reihenfolge spiegelt die Größe der Ansprüche wider, Junckers Wahl wurde aktuell nachgetragen.
- D / Oettinger: Handel, Digitales – beides hochkarätige Dossiers, beide stehen zudem ganz oben auf Junckers Agenda – Ergebnis: DIGITALES
- UK / Hill: Energie, Binnenmarkt – ebenfalls zwei hochkarätige Themen, vor allem die Energie wird wichtig (Stichwort Emanzipation von Russland) – Ergebnis: FINANZMARKT
- FR / Moscovici: Wirtschaft und Währung – steht im Zentrum der neuen “Economic Governance”, zentral für die Eurozone – Ergebnis: WIRTSCHAFT (ohne Währung)
- POL /Bienkowska: Binnenmarkt, Energie – beides für Osteuropa besonders wichtig, wird aber auch von UK eingefordert. – Ergebnis: BINNENMARKT
- IT / Mogherini: Außenpolitik – Bingo, Rom hat bereits den Zuschlag erhalten! Ergebnis: Juncker lobt sie in höchsten Tönen
Aus dieser Übersicht lassen sich schon die ersten Probleme ablesen. Italien steht besser da als die anderen vier – denn es hat mit Mogherini einen Super-Posten ergattert (Mogherini wird auch Vizepräsidentin).
UK und Polen streiten um Energie und Binnenmarkt, Deutschland möchte Frankreich nicht den Währungskommissar zugestehen. Alle vier dürften Bauschmerzen haben, wenn sie Super-Kommissaren unterstellt werden.
Denn die sollen Juncker direkt berichten und die Fachkommissare beaufsichtigen. Letztlich sind die (Macht-)Ansprüche und die angedachten neuen Strukturen der Kommission schwer miteinander vereinbar.
Juncker steckt in einem Dilemma – wie daraus eine schlagkräftige “Regierung” werden soll, bleibt sein Geheimnis…
Dieser Beitrag wurde zuerst in der Rubrik “Members only” veröffentlicht, vor zwei Tagen. Wer schneller informiert sein will, sollte sich dort einschreiben – bitte Mail mit “Members only” an diese Adresse.
die gute Tilly
10. September 2014 @ 10:48
Es ist das Politbüro der EUSSR. Nichts Anderes. Und bei aller Europaduselei sollte das jeder auf dem Zettel haben, der der Eigendynamik widerlicher Ideologien nicht erlegen ist…
Tim
10. September 2014 @ 11:13
Leute, wenn Ihr hier in der letzten Zeit schon dauernd Leninismus-Verweise bringen wollt, dann macht es bitte auch richtig. Wenn etwas auf EU-Ebene dem Politbüro entspricht, dann der EU-Ministerrat.
Tim
10. September 2014 @ 09:22
Nicht auszudenken, was geschähe, wenn z.B. die deutsche Bundesregierung auch hauptsächlich nach Parteien-, Regionen- und Geschlechterpoporz besetzt würde und nicht nach Kompetenz. 🙂
Peter Nemschak
10. September 2014 @ 11:03
Das Eine muss das Andere nicht ausschließen.
Peter Nemschak
10. September 2014 @ 08:41
Selbst eine schlagkräftige Kommission ändert nichts daran, dass das Budget der EU weniger als 2 (in Worten: zwei) Prozent der Summe der Budgets der Mitgliedsländer beträgt. Dies mag EU-Gegner beruhigen, zeigt aber, wie klein die Möglichkeiten der Kommission sind. In Wahrheit müssen die Mitgliedsländer endlich ihre Hausaufgaben erledigen und dürfen sich nicht ständig auf die EU ausreden.
Tim
10. September 2014 @ 09:26
@ Peter Nemschak
Die Antwort hätte beinahe auch von einem geldbesessenen Linken stammen können. 🙂 Den größten Schaden richten Politiker meiner Meinung nach durch schlechte Regulierung an, die – außer durch Aufsicht/Kontrolle – nicht viel Steuergeld kosten.
Natürlich exekutiert die Kommission im wesentlichen nur Wünsche der Mitgliedsländer, aber auch dort kann sie natürlich grundsätzlich falsche Ansätze durch eine schlechte Ausführung noch schädlicher machen.
Ich halte es für sehr unrealistisch, daß das Budget einer Institution ihre Einflußmöglichkeit beschreibt.
Peter Nemschak
10. September 2014 @ 10:42
Ganz so ist es nicht. Hinsichtlich Strukturreformen können sich die Mitgliedsländer nicht bei der EU abputzen. Diese wären für zukünftiges Wachstum entscheidend, auch wenn derzeit ein Konjunkturpaket (kurzfristig mehr Staatsverschuldung in den meisten Mitgliedsländern) dringend notwendig wäre. Nachdem Frankreich und der Süden ihr Gesellschaftsmodell nicht ändern wollen oder können, wird der Euro keine lange Zukunft haben. In jeder Marktwirtschaft verdrängt effizienteres Wirtschaften weniger effizientes Wirtschaften. Der Ausgleich erfolgt über Währungsabwertungen, wie sie bis zur Einführung des Euro üblich waren.
Tim
10. September 2014 @ 11:09
@ Peter Nemschak
Da sind wir einer Meinung. Die nationale Politik hat natürlich einen sehr viel größeren Einfluß auf die wirtschaftliche Lage eines Landes als die Kommission. Allerdings ist die Kommission auch erkennbar wenig daran interessiert, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken.
Beispiel: Unglaublich viel Aufwand wird in einen unsinnigen Moloch wie das Programm HORIZON 2020 gesteckt, während das viel wichtigere Thema Bürokratieabbau niemanden interessiert. Beides sind Bereiche, in denen die Kommission durchaus viel Gestaltungsspielraum hätte.
Die Kommission hätte schon Möglichkeiten, etwas für Europa zu tun, aber sie hat keine Lust darauf.