Junckers bitteres Erbe

Die Eurogruppe muss sich einen neuen Chef suchen. Amtsinhaber Juncker wirft das Handtuch – zum Jahresende will er den Vorsitz im Club der 17 Euroländer abgeben. Berlin und Paris bleiben nicht einmal vier Wochen, sich auf einen Nachfolger zu verständigen. Übernehmen die Finanzminister Schäuble und Moscovici gemeinsam? Und was kommt auf den bzw. die Juncker-Nachfolger zu?

Er will nicht mehr. Und er kann wohl auch nicht mehr. Schon zu Beginn dieses Jahres wollte Juncker, der gesundheitlich angeschlagen ist, die Eurogruppe abgeben. Prompt lief sich Schäuble für den Chefposten warm. Doch Frankreichs Hollande legte sein Veto ein – Juncker musste nachsitzen. Doch nun, da Griechenland notdürftig “verarztet” wurde, tritt der Luxemburger endgültig ab.

Er hinterlässt ein bitteres Erbe. Als er 2005 die Leitung der Eurogruppe übernahm, da war die Welt noch in Ordnung. Deutschland hatte sich lange gegen die Aufwertung des Euroclubs gewehrt, Berlin blockierte sogar die Bildung einer Eurogruppe. Doch mit dem Luxemburger, so dachte man wohl, könne man nichts falsch machen. Und richtig: Juncker war meist ein treuer Diener.

Man muss auch schon mal lügen können

Zwar ist ihm oft der Kragen geplatzt, wenn die Euro-Debatte aus dem Ruder lief. Die Deutschen sollten doch einfach mal die Klappe halten, sagte er im Sommer, als das Griechenland-Bashing schwer in Mode war und sogar Wirtschaftsminister Rösler  auf einen “Grexit” spekulierte. Berühmt-berüchtigt ist zudem Junckers Maxime, in seiner Position müsse man schon einmal lügen können – um Bürger und Märkte nicht zu beunruhigen.

Die eigentliche Tragik des Jean-Claude J. liegt woanders. Hilfslos musste er mitansehen, wie die einst stolze Währungsunion auseinander fiel. Dass Griechenland, Irland, Portugal, Spanien und Zypern Hilfe brauchen, ist dabei noch das geringste Problem. Dass die Eurozone in eine Drei-Klassen Gesellschaft mit auseinander driftenden Volkswirtschaften zerfiel, ist viel schlimmer – und wohl kaum noch reparabel.

Junckers Luxemburg sitzt dabei nicht mehr in der ersten Reihe – trotz nach wie vor solider Finanzen. Die Führung haben Deutschland, die Niederlande und Finnland an sich gerissen, die immer wieder Entscheidungen der Eurogruppe konterkarieren. Juncker durfte sich zwar für Nothilfen einsetzten und um Kompromisse bemühen, doch die Fäden zogen andere, vor allem in Berlin. Ich vermute, das dies ein zentraler Grund für seinen Rücktritt ist.

Wird der Nachfolger zum Konkursverwalter?

Und nun? Drängt sich Schäuble wieder vor, versucht er ein Tandem mit Moscovici, oder sucht die Eurogruppe einen Kompromisskandidaten? Ich vermute, dass Schäube zunächst einmal Moscovici schwächen wollte, indem er Frankreich-Bashing betrieb. Nun tritt er gemeinsam mit seinem französischen Amtsollegen auf – um seine Chancen auf die Juncker-Nachfolge zu wahren.

Schäuble oder Schäubovici, das ist wieder mal Frage, wobei keine dieser beiden Varianten überzeugt.

Schäubles Kandidatur war von Anfang an ein riesiges Missverständnis, und Schäubovici wäre ein fauler Kompromiß. Vermutlich fällt ohnehin erst beim EU-Gipfel in zehn Tagen eine Entscheidung – als Teil eines großen deutsch-französischen Deals. Wer auch immer auf Juncker folgt – er tritt ein schweres Erbe an. Wenn es gut läuft, wird er eines Tages Euro-Finanzminister – wenn es schlecht läuft, zum Konkursverwalter…