Demokratie bei CETA? Nein, es geht um Macht
Im Streit um das CETA-Abkommen mit Kanada hat Kommissionschef Juncker einen Rückzieher gemacht. Der Bundestag und andere nationale Parlamente dürfen nun doch mitentscheiden – wie von Wirtschaftsminister Gabriel gefordert.
“Unglaublich töricht” hatte Gabriel letzte Woche Junckers Ankündigung genannt, CETA nur durch die EU-Institutionen ratifizieren zu lassen. Dabei gab – und gibt – es dafür gute Gründe.
Schließlich ist die EU allein für die Handelspolitik zuständig. Die EU-Kommission hat das Abkommen auch allein ausgehandelt – und selbst Gabriel hat bisher keine inhaltlichen Einwände geäußert.
Klar, es gibt das Demokratie-Problem. Doch ist der Bundestag kompetenter als das Europaparlament? Bei CETA wäre ich mir da nicht so sicher. In Wahrheit geht es vor allem um einen Machtkampf.
Den hat Gabriel jetzt gewonnen – es heißt 1:0. Doch damit ist der Streit noch lange nicht beendet. Als nächstes ist TTIP dran, das noch umstrittenere Handelsabkommen mit den USA.
Auch das will Gabriel unbedingt haben, trotz des Widerstands in der SPD und auf der Straße. Allerdings zu seinen Bedingungen. Wer schießt das nächste (Eigen-)Tor?
hyperlokal
5. Juli 2016 @ 20:18
Das Abkommen soll übrigens schon vorher “provisorisch” in Kraft treten.
http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-07/eu-kommission-nationale-parlamente-duerfen-bei-ceta-mit-entscheiden
Die ganze Show ist reiner Betrug.
hyperlokal
5. Juli 2016 @ 18:27
Mitnichten ist CETA ein Handelsabkommen und somit ist die EU ganz bestimmt nicht zuständig.
So gilt in CETA eine Sperrklinkenklausel („ratchet“), die eine rückgängig
Machung von bereits vorgenommenen Liberalisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge unmöglich macht.
https://www.stadtwerkekoeln.de/fileadmin/_media/downloads/Netzwerk/2015_Dokumentationsentwurf_14082015_final.pdf
Was hat die öffentliche Daseinsvorsorge mit Handelspolitik zu tun? Gar nichts. Und diese Art von Sperrklausel ist sowieso sittenwidrig und gehört verboten.
Eine andere Frage ist, ob Gabriels Strategie nicht exakt das ist, was man einen “inzenierten Konflikt” nennt. Zunächst kommt der Riesen-Freund von Martin Schulz Juncker mit einer Forderung, die kalkuliert große Empörung auslöst und Gabriel kann sich als Verfechter der Demokratie kaprizieren. Dann wird CETA in der großen Koalition mit vielen faulen Kompromissen durchgewunken, was jetzt schon beschlossen Sache zwischen allen Beteiligten ist.
Nee …. CETA zu verhindern gegen dieses intrigante Politiker-Gesocks erfordert ein ganz anderes Kaliber und wenn diese EU dabei drauf geht. Gründen wir danach eine neue.
Skyjumper
5. Juli 2016 @ 17:09
“Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.”
Muss man ausser diesem Zitat von Juncker wirklich noch mehr dazu sagen? In diesen Fall gab es eben ein großes Geschrei, deswegen ging es wieder 1 Schritt zurück. Als 1:0, oder 0:1 würde ich das nicht werten wollen.
Letztlich sind das Abnutzungskämpfe die geführt werden. Man regt sich 1x auf, 2x, 3x. und geht dagegen vor, engagiert sich. Aber beim 8. 9. oder 10. Versuch geht es dann doch durch. Das wird mit CETA und/oder TTIP bedauerlicherweise nicht anders aussehen. Der Wille des Souveräns wird von der Politik schon längst nicht mehr als Maßstab des Handelns gesehen.
Peter Nemschak
5. Juli 2016 @ 18:28
Überschätzen Sie sich nicht. Sie sind bloß ein x-millionstel des Souveräns. Auch ich bin Souverän, habe aber nichts gegen CETA. Damit die widerständige Minderheit nicht zur Mehrheit wird, kommt CETA in den Bundestag, dorthin wo es hin gehört. Mögen sich die Abgeordneten daran abarbeiten und die Mehrheit entscheiden. Merkel hat schneller als Juncker erkannt, was nottut.
Skyjumper
5. Juli 2016 @ 22:56
@ Peter Nemschak
Nun ja, das Risiko der Selbstüberschätzung lauert wohl in uns allen. Ich bin sicher nicht frei davon. Aber, im Gegensatz zu Ihnen, befürworte ich Volksentscheide um den Willen der wahren Mehrheit zu gezielten Einzelthemen zu erfragen. Dann würde man auch sehen wer im Umkehrschluß die widerständige Minderheit ist, und mich dem dann auch zu beugen.
Vielleicht müßten wir uns dann Gedanken darum machen wie man Minderheiten wie CETA-Befürworter schützen kann. Denn auch Sie sind nicht vor dem Risiko der Selbstüberschätzung gefeit 🙂
Peter Nemschak
5. Juli 2016 @ 23:22
Politische Entscheidungen gehören ins Parlament und nicht auf den Stammtisch. Der Volkswille ist zu launisch, um direktdemokratisch sinnvolle, gut überlegte und nachhaltige Entscheidungen zu treffen.