Jean-Claude ante Portas

Regierungswechsel in Luxemburg: Premier Juncker muss abtreten, eine neue Dreierkoalition unter liberaler Führung übernimmt das Ruder. Nun stellt man sich in Brüssel die bange Frage: Was wird aus Jean-Claude, plant er doch noch eine neue EU-Karriere?

Von Marc Gerges, Luxemburg

Die Nachricht, dass Jean-Claude Juncker abgewählt wurde, überraschte viele in Europa; war der luxemburgische Premier doch ein Fixpunkt auf den Gruppenfotos der Eurogipfel. Aber nach 18 Jahren an der Spitze des Grossherzogtums wird er Anfang Dezember sein Büro räumen müssen.

Die Gründe für das Scheitern von Junckers christlich-sozialer Volkspartei sind vielfältig: auch wenn Luxemburg bis jetzt einigermassen gut durch die Krise kam, so hat das Ansehen der Partei doch durch einige mehr oder minder grosse Skandale gelitten.

Aktuell ist dies eine Spähaffäre des nationalen Geheimdienstes SREL, der dem Premierminister untersteht. Parteikollege Luc Frieden wurde mit Anschuldigungen der Justizbehinderung im Zusammenhang mit der Aufarbeitung einer Serie Bombenanschläge aus den 80er Jahren konfrontiert, ausserdem gab es fragwürdige Geschäfte um die Fluggesellschaft Cargolux, sowie eine Affäre um ein neu zu errichtendes Fussballstadion.

Um einem Misstrauensvotum zu entgehen, rief Juncker im Juli Neuwahlen aus. Bei diesen Wahlen schnitt seine CSV als stärkste Kraft ab. Allerdings findet sich kein Koalitionspartner, der hr eine Mehrheit im Parlament zu beschaffen gewillt ist.

So wird die nationale Regierung künftig von einer Dreierkoalition aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen gestellt, während die Konservation zum zweiten Mal in der Nachkriegszeit die Oppositionsbank drücken müssen.

Juncker hatte im Wahlkampf mehrere Male betont, dass er als Oppositionsführer zur Verfügung stände. Er habe nicht vor, einen europäischen Posten anzustreben, sondern wäre im Gegenteil froh darum gewesen, den Vorsitz der Eurogruppe letztes Jahr abgegeben zu haben.

Inwiefern dies seiner Partei gefällt, ist noch unklar: wenn Juncker in der Tagespolitik bleibt, dann ist dies einer Erneuerung der Führungsriege sicherlich nicht zuträglich. Die Partei agiert aufgrund der ungewohnten Situation recht erratisch, und hinter den Kulissen toben die Machtkämpfe.

Vorläufig wurde Juncker mit einer einzigen Gegenstimme zum Fraktionsvorsitzenden der Konservativen gewählt, er ist also Führer der Opposition.

Wenn es Juncker doch nach Brüssel zöge, welcher Posten wäre zu haben? Wollte er ins EU-Parlament, so wäre das recht problemlos: die nötigen Wählerstimmen dazu bekäme er.

Wenn es um die Kommission geht, so steht es auf den ersten Blick schlechter. Die aktuelle luxemburgische Kommissarin Viviane Reding ist erstens eine parteiinterne Gegnerin Junckers, und zweitens wird die kommende Regierung sicherlich keinen konservativen Kommissar nach Brüssel schicken.

Kommissionspräsident wäre erreichbar: wenn sich der Ansatz des europäischen Spitzenkandidates bei den kommenden EU-Wahlen durchsetzt, und Juncker der Spitzenkandidat würde, könnte die Rechnung aufgehen.

Historisch wäre ein luxemburgischer Kommissionspräsident auch nichts Ungewohntes, die ehemaligen Staatsminister Santer und Thorn hielten den Posten.

Ausserdem wäre der Posten des Ratspräsidenten nächstes Jahr verfügbar. Juncker wurde 2009 schon einmal für die Stelle gehandelt, aber auf Drängen Merkels und Sarkozys bekam Sie damals Herrman Van Rompuy.

Ebenso läuft die Amtszeit Catherine Ashtons als Repräsentantin für Aussenpolitik 2014 aus. Freie Stellen, die dem Anspruch eines Jean Claude Juncker genügen, gäbe es in der EU also.

Es bleiben zur Zeit zwei offene Fragen: erstens hat Juncker sein Desinteresse an einem EU-Job im Wahlkampf mehrmals betont. Historisch stand er meist zu solchen Ankündigungen. Und zweitens hat er in Brüssel nicht mehr den Rückhalt, den er noch vor einigen Jahren hatte.

Ob Angela Merkel gewillt ist, einen Juncker auf einem Spitzenposten in Brüssel zu tolerieren, ist alles andere als sicher. Juncker hatte deutliche Worte für die Austeritätspolitik von Merkel und Schäuble, als er den Vorsitz der Eurogruppe abgab.

Auch war die Unterstützung Merkels durch Juncker bei der deutschen Bundestagswahl im September zwar angekündigt, fand aber nicht statt. Inwiefern Juncker in Merkels Augen noch verlässlich agiert, sei dahingestellt.

Andererseits wird der Club der AAA-Länder immer kleiner: sollte Merkel auf diese Auszeichnung Wert legen, könnte es demnächst viele EU-Posten für Luxemburger geben.