Jamaika streitet über EUropa
Jamaika und Europa – das war von Anfang an nicht evident. Nun knirscht es im Gebälk. Grüne, CSU und Liberale streiten über den künftigen Kurs. Nur in einer Frage ist man sich fast einig – zu Lasten der EU.
Den Anfang machte der grüne Europapolitiker S. Giegold. „Das Sondierungspapier hat eine große Lücke beim Thema Geldwäsche und Steuervermeidung„, sagte der Vertreter des linken Flügels nach der ersten Runde zur Finanzpolitik.
Geldwäsche und Steuervermeidung sind gerade ein großes Thema in Brüssel. EU-Länder wie Irland, Luxemburg oder Malta stehen deswegen am Pranger – doch in Berlin scheint dies kaum einen zu kümmern.
Danach moserte die CSU. „Es ist offensichtlich, dass es mit der Türkei nicht so weitergehen kann wie bisher. Deshalb will die CSU den Stopp der Beitrittsgespräche“, sagte der Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament, Weber (CSU).
Indirekt protestierte Weber damit gegen den Kurs von Kanzlerin Merkel. Beim letzten EU-Gipfel hat sie den Abbruch der Türkei-Verhandlungen nicht einmal gefordert, obwohl sie das vor der Wahl versprochen hatte…
Doch das war nur Theaterdonner, heißt es in Berlin. Richtig zur Sache ging es erst heute. Für massiven Diskussionsbedarf sorgte die Frage, wie mit den Schuldenlasten anderer EU-Staaten umgegangen werden müsse.
CDU, CSU und FDP lehnen eine so genannte „Schuldenunion“ kategorisch ab, die Grünen hatten sich bereits in ihrem Wahlprogramm für Schuldenerleichterungen für Griechenland ausgesprochen.
Ärger gibt es auch bei der Klima- und Flüchtlingspolitik. Allerdings werden diese Themen vor allem aus der deutschen Perspektive diskutiert, nur die Grünen legen einen europäischen Maßstab an.
Eine (vorläufige) Einigung scheint es nur bei der „Schwarzen Null“ zu geben. Zwar stellte Grünen-Unterhändler Trittin das noch unter einen Finanzierungs-Vorbehalt. Doch prinzipielle Einwände gab es keine.
Dabei ist die „Schwarze Null“ für die EU ein Problem. Sie setzt die anderen Euroländer unter Druck, ebenfalls einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben – und sie dämpft die Investitionen.
Dabei fordert die EU-Kommission von Berlin seit Jahren, endlich die Investitionen anzukurbeln, um den chronischen Leistungsbilanz-Überschuss abzubauen und die Eurozone zu stabilisieren…
Peter Nemschak
26. Oktober 2017 @ 13:58
Es gibt unterschiedliche Sichtweisen, wenn es darum geht die Investitionen anzukurbeln. Kurzfristig am bequemsten, weil niemand auf etwas verzichten muss, sind zusätzliche schuldenfinanzierte Staatsausgaben. Allerdings ist die Nachhaltigkeit einer konjunkturellen Spritze, vor allem wenn die Konjunktur europaweit derzeit keine Nachhilfe benötigt, mehr als zweifelhaft: ein Strohfeuer. Eine Änderung der Steuerpolitik zu Lasten fossiler Brennstoffe ist beim breiten Publikum unpopulär, könnte aber die Investitionen in den Klimaschutz begünstigen und neue Arbeitsplätze schaffen. Nachdem die Wahlen nunmehr vorüber sind, kann sich die Politik durchaus erlauben, im langfristigen allgemeinen Interesse den Bürgern auch Schmerzen und Unbequemlichkeiten zu bereiten. Der Bestand und die zukünftige Entwicklung der EU hängen nicht notwendigerweise an erhöhten schuldenfinanzierten Staatsausgaben (=ein Lieblingskind linker Umverteilungsideologie).