Italien schert aus
Griechenland war gestern, nun gilt Italien als neues Sorgenkind der Eurogruppe. Dabei schlagen sich die Italiener gar nicht so schlecht. Nun mucken sie auch noch auf – gegen den deutschen Fiskalpakt.
Die Eurogruppe hat ein neues Sorgenkind. Nachdem jahrelang das überschuldete Griechenland die Sitzungen der Euro-Finanzminister beherrscht hatte, rückt nun die Bankenkrise in Italien in den Fokus.
Vor allem faule Kredite machen den Ministern Sorgen.
Die so genannten Non Performing Loans (NPLs) belasten die Finanzbranche vor allem im Süden Europas. Nach Angaben der EU-Bankenaufsicht ist in Italien etwa jeder sechste, in Portugal sogar fast jeder fünfte Kredit notleidend.
Zuletzt musste die italienische Traditionsbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) gerettet werden. Dass dabei wieder einmal Steuergelder flossen, hat die Euro-Finanzminister aufgeschreckt.
Denn im Zuge der Bankenunion, die sie Schritt für Schritt aufbauen, sollte es eigentlich keine staatlichen „Bailouts“ mehr geben. Stattdessen sollen die Bankeigner und Großsparer (über 100.000 Euro) per „Bail-in“ beteiligt werden.
Um das Risiko in den Griff zu bekommen, wollen die Minister nun einen Aktionsplan beschließen. Ziel ist unter anderem die Gründung von nationalen „Bad Banks“, die die faulen Kredite übernehmen sollen.
Aufschrei im Europaparlament
Finanzminister Schäuble gab sich zuversichtlich: „In einer Zeit, in der es wirtschaftlich ganz gut geht, sind die Chancen, das zu stabilisieren, sehr günstig.“ Auch die Italiener hätten gezeigt, „dass sie das können, dass sie das gut machen“.
Die italienische Regierung hat sich bei der Bankenrettung allerdings nicht auf EU-Regeln gestützt, sondern auf nationale Regeln berufen. Dies führte zu einem Aufschrei im Europaparlament.
Für Stirnrunzeln sorgt in Brüssel auch die Ankündigung des früheren italienischen Premierminister Renzi, den Fiskalpakt kündigen zu wollen. Renzi leitet die größte Regierungspartei und hat gute Chancen, wieder Regierungschef zu werden.
Fünf Jahre Auszeit von deutschen Regeln
Fünf Jahre lang sollten nicht die strikten Schuldenregeln des auf deutschen Druck installierten Fiskalpakts gelten, so Renzi, sondern nur die Maastricht-Kriterien für das Budgetdefizit.
Italien könne so sein Defizit auf 2,9 Prozent erhöhen (erlaubt sind drei Prozent) und die stagnierende Wirtschaft wiederbeleben, was zum Abbau der Schulden beitragen werde.
Frankreich hatte bereits einmal versucht, sich über den Fiskalpakt hinwegzusetzen – jedoch ohne Erfolg. Der neue französische Finanzminister Le Maire kündigte nun an, auch die Maastricht-Kriterien wieder einhalten zu wollen.
Das französische Defizit liegt aktuell mit 3,2 Prozent über der erlaubten Höchstmarke. Paris will deshalb rigoros sparen – Rom hat offenbar genug davon.
Siehe auch „Die Regeln taugen nichts“
Peter Nemschak
11. Juli 2017 @ 13:47
@ebo …gelobt wofür? Doch nicht dafür, dass in Italien das politische System korrupt ist und die öffentliche Verwaltung mehr schlecht als recht funktioniert. Will Italien weiterhin im Euro bleiben, muss es sein Verhalten ändern oder – leiden.
ebo
11. Juli 2017 @ 15:15
Heute war ich in der Pressekonferenz von Schäuble. Statt Italien für seine Bankenrettung mit Steuergeld zu kritisieren, wie dies die meisten deutschen Europaabgeordneten tun, bescheinigte er seinem Amtskollegen Pier Carlo Padoan gute Arbeit. Es sei „ein Glücksfall“, dass dass wir einen „so erfahrenen und umsichtigen Finanzminister in Italien haben.“
Stefano
11. Juli 2017 @ 11:09
Natürlich kann man sich endlos die Bälle zuspielen, welches Land denn nun kaputter oder korrupter ist. meine persönliche Erfahrung ist, dass Italien tatsächlich schlecht administriert und ziemlich korrupt war und es in den letzten Jahren kaum besser geworden ist. In Deutschland ist es aber in Sachen Korruption in den letzten 20 Jahren erheblich schlechter geworden, nur dass diese hierzulande anders funktioniert und weniger sichtbar ist. Nur mal ein Stichwort: Toll-Collect.
Das eigentliche Problem ist, dass es Europa nicht geben kann, wenn alle nur auf die Fehler der anderen zeigen und sagen: Löst eure Probleme erst einmal alleine, dann reden wir weiter. Und gerade Deutschland als Exportnation kann das nicht. Schauen wir auf unsere eigenen „Fehler“: Deutschland ist der Hauptprofiteur des Euro, gegen den Wirtschaftsboom durch eine aus unserer Sicht unterbewertete Währung kombiniert mit unserer extremen Wettbewerbsfähigkeit nehmen sich die Zahlungen an die EU-Institutionen aus Steuermitteln (Stichwort: Nettozahler) wie ein Azubi-Salär aus.
Wenn wir wirklich wollen, dass Europa wieder floriert, müssen wir mehr von unserem Wohlstand an die Europäische Peripherie abgeben, vom Prinzip her wie beim Länderfinanzausgleich. Und wenn wir gleichzeitig wollen, dass sich in Ländern wie Italien oder Griechenland längst überfällige Verbesserungen einstellen, dann müssen wir das geschickter machen als durch Troika-Diktate, Fiskalpakt und deutsche Bevormundung. Wer auf dem Weg der „Konkurrenz der Nationen“ beharrt, nimmt das weitere auseinanderdriften Europas in Kauf. Kooperation hat schon immer eine Teilung von Verantwortung und Vorteilen bedeutet, je tiefer diese geht, umso mehr muss geteilt werden.
Kurzum: Es ist bigott von der deutschen Regierung, die Erosion Europas zu beklagen und gleichzeitig alle Benefits behalten zu wollen. Und es ist bigott von Foristen auf die Fehler der anderen zu zeigen und die eigenen hartnäckig zu ignorieren.
Johannes
11. Juli 2017 @ 15:23
„Wenn wir wirklich wollen, dass Europa wieder floriert, müssen wir mehr von unserem Wohlstand an die Europäische Peripherie abgeben“
Dann müssen Menschen wie Sie erstmal bereit sein, von ihren fetten Euro Gewinnen was abzugeben.
ICH aus der Unterschicht habe nicht vom Euro profitiert. Und dann soll ich dennoch für Süd Europa zahlen?
Nein.
Solange Menschen sie sich nichts abgeben wollen an die Unterschicht, solange brauchen sie mir nicht erzählen, dass ich für Süd Europa zahlen soll.
Ja ja die eigenen Bürger wie den letzten Dreck behandeln, null Solidarität, aber Solidarität für Süd Europa von der Unterschicht einfordern.
Unverschämtheit.
GS
11. Juli 2017 @ 18:30
Nichts für ungut, aber ich kann dem nicht zustimmen. Gewinner des Euro ist nicht „Deutschland“, sondern die Unternehmensbesitzer in der Exportbranche und ein Teil ihrer Beschäftigten. Das war’s. Der Rest zahlt einen ordentlichen Preis in Form von künstlich erniedrigter Kaufkraft durch geringen Euro-Außenwert, stetig wachsender Immobilienblase („safe heaven“ + viel zu niedrige Zinsen), gegen die nicht mit den Instrumenten der Geldpolitik vorgegangen wird (wie in Spanien, Irland etc. vor 2008), Garantien, die früher oder später abgerufen werden, künstlich gedrücktem Kapitalkostenvorteil, usw. – also verschone uns bitte mit solchen Platitüden.
Manifesto
12. Juli 2017 @ 02:34
Wer glaubt, „die Deutschen“ würden einen Teil ihres „Wohlstandes (muss man wohl stark relativieren)“ abgeben, der glaubt auch an den Weihnachtsmann.
Ich kann nur dringendst vor solche einem fatalen Irrglauben warnen!
War die EU nicht ursprünglich als Friedensprojekt gedacht? Na dann,………….
Thomas
11. Juli 2017 @ 10:08
Da muss ich aber mal ausnahmweise den Peter unterstützen…
Finger weg von der Bankenunion mit Italien.
Kurz zur Migrationskrise:
Ich öffne auch nicht meine Haustür und lasse jeden rein.
und das mit dem Mittelmeer „Invasion“ ist sowiso erst der Anfang
Das dicke Ende kommt noch !
ebo
11. Juli 2017 @ 12:30
@Thomas Keine Sorge. Merkel und Schäuble bremsen bei der Bankenunion mit allen Kräften. Das Problem ist nur, dass eine Währungsunion ohne Bankenunion auf Dauer nicht überleben kann. Schon gar nicht mit einer Fiskalunion, die im Falle Italiens eine Wachstumsbremse darstellt, womit die Probleme der Banken tendenziell immer schlimmer werden…
Peter Nemschak
11. Juli 2017 @ 09:04
In Wahrheit ist auch Italien nicht Euro-reif. Ein endemischer Sumpf von Korruption und Misswirtschaft kennzeichnet dieses Mitgliedsland der EU. Ordnung und Disziplin sind dort unbekannt. Nicht einmal mit dem eigenen Müll werden die Kommunen fertig. Er muss ins Ausland zur Verbrennung exportiert werden. Ein detaillierter Bericht über die Zustände in Italien wurde vor einigen Tagen in der FAZ veröffentlicht. Die Bankenprobleme des Landes sind ein deutliches Zeichen für italienische Korruption und Klientelismus. Finger weg EU von den italienischen Bankenproblemen. Italien soll sie gefälligst alleine und nicht auf Kosten der anderen Mitgliedsländer regeln.
ebo
11. Juli 2017 @ 09:44
@Nemschak Könnten Sie einmal mit Ihrem Südeuropa-Bashing aufhören? Italien trägt derzeit die Hauptlast der Flüchtlingskrise. Dem Land gebührt – wie Griechenland – unsere Solidarität. Wenn Rom fällt, können Sie Ihre Barrikaden auf dem Brenner schnell vergessen…
Peter Nemschak
11. Juli 2017 @ 10:20
Müssen Sie alles unkritisch durch ihre linke Brille verzerrt sehen? Italien war schon vor der Flüchtlingskrise seit eh und je ein schlecht verwaltetes und politisch tief korruptes Land. Ich kenne es aus jahrzehntelanger geschäftlicher und persönlicher Erfahrung. Betrachten Sie die Welt etwas emotionsloser. Offenbar sind Sie blind für Nachrichten aus Medien, die sie ideologisch ablehnen. Und hören Sie endlich mit Ihrem Deutschland-Bashing auf. Hat ihnen das Land oder seine Regierung persönlich Böses getan?
Um Italien beim Zustrom von Migranten zu entlasten, wäre es höchst an der Zeit, dass sich die EU, wenn notwendig auch unter Einsatz von militärischen Mitteln, zur Sicherung der libyschen Seegrenze durch Teilbesetzung Libyens durchringt.
Das Migrantenproblem hat mit dem italienischen Bankenproblem rein gar nichts zu tun. Sie betreiben mit ihrem Beitrag unzulässige Stimmungsmache.
ebo
11. Juli 2017 @ 10:27
Schäuble hat Italien ausdrücklich gelobt. Ist der auch ein Linksradikaler?