Ist Frankreich noch frei?

Wie zu erwarten war, hat das „Welt“-Interview von Kanzlerin Merkel hohe Wellen geschlagen. „Maul zu, Frau Merkel“, twitterte der französische Links-Politiker Mélenchon, Frankreich sei frei. Doch ist es das wirklich noch?

Der Streit kreist um Merkels Bemerkung, Frankreichs Reformanstrengungen seien ungenügend. Dabei bezog sie sich auf die EU-Kommission. Und die wiederum bekam am Montag Rückendeckung der Eurogruppe.

Hinter der Forderung nach mehr „Reformen“, sprich Sozialabbau, steht also nicht mehr nur die deutsche Kanzlerin, sondern der gesamte bürokratische EU-Apparat. Paris soll bis März liefern, sonst drohen Sanktionen.

Alles halb so schlimm, mag man sagen. Währungskommissar Moscovici, ein Franzose, werde sein Land schon irgendwie durchmogeln. Aber so einfach ist die Sache nicht.

Zum einen wurde Moscovici von deutschen CDU/CSU-Politikern systematisch unter Beschuss genommen; er redet und handelt mittlerweile genauso wie sein Amtsvorgänger Rehn, der finnische Hardliner.

Merkel vermischt zwei Dinge

Zum anderen ist es Merkel gelungen, in der Debatte um den französischen Budgetentwurf zwei Dinge zu vermischen: das Budgetdefizit auf der einen und die so genannten Strukturreformen auf der anderen Seite.

Das Budgetdefizit liegt, wie Leser dieses Blogs wissen, zwar über der Maastricht-Schwelle von 3 Prozent, aber unter dem von Großbritannien und weit unter der Zone, wo die Luft dünn wird.

Bei den Strukturreformen hingegen ist es so, dass Paris im Namen der „Wettbewerbsfähigkeit“ schon milliardenschwere Geschenke an die Unternehmen gemacht hat, bisher aber vergeblich auf die vereinbarten Gegenleistungen (Jobs) wartet.

Hollande in der Zwangsjacke

Die Regierung steckt also in einer Zwickmühle. Die Unternehmen ziehen nicht mit, die Arbeitslosigkeit steigt weiter – doch gleichzeitig sollen nun Reformen à la Hartz her, die prozyklisch wirken, das Wachstum weiter dämpfen und noch mehr Jobs kosten.

Freiheit stelle ich mir anders vor. Auch wenn dieses Dilemma von Präsident Hollande mit verschuldet ist – de facto steckt er nun in einer Zwangsjacke namens Euro, und Merkel ruft fröhlich: enger ziehen!

Zu Merkels Strategie siehe auch diverse Posts in diesem Blog, z.B. „Durchregieren à la Merkel“ oder „Machtkampf mit Merkel“. Offenbar hat sich wieder einmal die „deutsche“ Linie durchgesetzt…