Irrationaler Überschwang

Die Finanzblase ist wieder da. In freudiger Erwartung neuer Geldspritzen in den USA schloß der Dow Jones am Dienstag mit dem höchsten Kurs seiner Geschichte.  Angefeuert wurde die Rallye ausgerechnet von Daten aus der Eurozone – sie waren “weniger schlecht als erwartet”.

Die Märkte sind schon wieder verrückt geworden. Genau wie vor der Finanzkrise, als Ex-Fed-Chef Greenspan vor dem “irrationalen Überschwang” warnte, feiern sie Ereignisse, die keine sind, und Werte, die es nicht gibt.

In den USA ist dies offensichtlich: Nur vier Tage nach dem Sparhammer, der das totale Scheitern der amerikanischen Finanzpolitik markiert, und trotz der absehbar dämpfenden Folgen für die Konjunktur ging der Dow Jones durch die Decke.

Anlass: eine Andeutung der Fed-Vizechefin, dass die Notenbank weitere Geldspritzen plane. Für Freude sorgt auch, dass Japan und Großbritannien, die Heimat unserer britischen Zocker-Freunde, ähnliches planen.

Auch die Hausse in Europa ist irrational. Die Eurozone steckt in der schlimmsten Rezession ihrer Geschichte, die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau, die Euro”retter” stehlen sich aus der Verantwortung. Doch der Dax feiert.

Angeblich waren die jüngsten Indikatoren “weniger schlecht” als erwartet. In Wahrheit deuten sie weiter auf eine Verlängerung der Rezession; die europäische Autoindustrie rechnet sogar mit einer jahrelangen Flaute.

Doch der “Besser als erwartet”-Hype aus Europa schickte die Wall Street in unerreichte Höhen. Selbst die hartgesottenen Zyniker von “Zero Hedge” konnten es kaum fassen. Europa leidet, Amerika kürzt, die Anleger jubeln.

Das kann nicht  lange gut gehen. Zwar fließt das Geld aus der Notenpresse derzeit direkt an die Börse, was die Kurse treibt. Doch fundamental ist die Rekordjagd durch nichts gedeckt. Wie 2008 dürfte schon bald der Katzenjammer folgen.

Damals hatten wir wenigstens noch prominente Warner wie Greenspan. Diesmal erscheint der irrationale Überschwang als letzte Hoffnung, der Dauer-Krise des Finanzkapitalismus zu entkommen. Mahner sucht man vergebens.

Und Euroland steht diesmal keinen Deut besser da als die USA. Im Gegenteil: wenn die Party zu Ende geht, werden wir Europäer als erste den Schaden haben. Womöglich wird er diesmal irreparabel sein…