Investitionen? Parlare!
Die italienische Regierung hat ihren Plan für den sechsmonatigen EU-Vorsitz vorgelegt. Erstaunlicherweise fehlt ein Investitions-Programm – dabei redet Premier Renzi ständig von Investitionen. Ob es an Berlin lag, schon wieder?
„Wenn die EU heute ein Selfie machen würde, was käme da zum Vorschein“, fragte Renzi bei seiner ersten Rede im Europaparlament. „Ein müdes Gesicht, das schon aufgegeben hat.“
Das sollte aufmunternd wirken, die „SZ“ spricht von einer „Ruck-Rede“. Doch irgendwie hat wohl auch schon Reform-Sozi Renzi aufgegeben. Vorschläge für Investitionen und Wachstum legte er nicht vor.
Im Programm des italienischen EU-Vorsitzes kommen beide Worte zwar ständig vor. Doch einen neuen Plan hat Renzi nicht. Mehr Flexibilität beim Stabilitätspakt, mehr Einsatz der EIB – das ist alles.
Das ist schade, denn die EU braucht dringend Investitionen. Nach Berechnungen des DIW fehlen jährlich 180 Mrd. Euro. Die EU-Staaten können sie nicht aufbringen, sie sind schon klamm.
Deshalb wird der Ruf nach einem Investitionsprogramm lauter. Das DIW hat einen neuen Fonds vorgeschlagen, der sich über die Märkte finanziert und von den EU-Staaten garantiert wird.
Die Investorenlegende Soros hingegen will neuartige Projektbonds auflegen, mit denen Großprojekte finanziert werden könnten. Auch sie sollen von der EU besichert werden.
Doch Deutschland steht mal wieder auf der Bremse. Die Projektbonds zögert Berlin seit Jahren hinaus, den DIW-Fonds hat Finanzminister Schäuble rundheraus abgelehnt.
Vielleicht ist das ja auch der Grund, warum Renzi so bescheiden geworden ist – und im Spiegel schon jetzt irgendwie müde und mutlos aussieht?
photo credit: Untitled blue via photopin cc
winston
4. Juli 2014 @ 22:36
Jaqcues Sapir, zur Lage in Frankreich
Chômage et colère
http://russeurope.hypotheses.org/2472
winston
4. Juli 2014 @ 22:27
@Ebo
Extrem oder unverantwortlich ist für mich den Euro zu behalten. Der Euroraum ist zu asymmetrisch für eine Gemeinsame Währung. Gerade Frankreich oder Italien wäre ein Euroexit problemlos möglich, da die Auslandsschulden nicht so hoch sind, die Handelsbilanzen würden sich wieder bei +-0 einpendeln, der Export und vor allem die Binnennachfrage würde wieder anziehen. Man muss diesen Wahnsinn beenden.
Es wird mit dem Euro keine Gewinner geben, auch Deutschland nicht.
Der Euro produziert Austerität, Austerität produziert das hier:
http://www.wiwo.de/unternehmen/industrie/standortdebatte-deutsche-firmen-auf-der-flucht-seite-all/10113108-all.html
Es sind natürlich nicht die Löhne oder die Energiepreise, warum man wegzieht, sondern die Nachfrage, Wo keine Nachfrage, kein Absatz, wo kein Absatz kein Wachstum.
Hier noch ein interessanter Bericht eines US-Multimilliardärs.
http://www.politico.com/magazine/story/2014/06/the-pitchforks-are-coming-for-us-plutocrats-108014.html#.U7bhe3aKDhl
Peter Nemschak
4. Juli 2014 @ 15:47
@ebo Vielleicht in Deutschland, jedenfalls nicht in Frankreich und Italien. Fragen Sie die dortigen Unternehmervertreter warum nicht
winston
4. Juli 2014 @ 14:28
Die Eurozone ist die Makrozone mit dem tiefsten Wachstum weltweit.
Niemand investiert wo es kein Wachstum gibt, Austerität und Deflation ist für Investitoren ein absolutes NO GO.
Wären Renzi und Holland nicht so verblendet vom „Europäischen Traum“ hätten Sie schon längst Klartext mit den Austeritätstaliban gesprochen und die Eurozone verlassen, die Eurozone gleicht immer mehr einem wandelnden Toten.
Für Italien und Frankreich würde es wesentlich mehr bringen eine Mittelmeerunion zu gründen, zusammen mit Nordafrika und vor allem den Golf-Staaten Katar, Kuweit, Arabische-Emirate, Oman u.s.w. allerdings OHNE gemeinsame Währung.
Den Euro würde ich den Austeritätstaliban überlassen inkl. ihr Reformwetteifern.
Für Frankreich und Italien gibts eigentlich gar nix mehr zu verhandeln, ausser den Euroexit.
ebo
4. Juli 2014 @ 14:45
Das ist mir zu extrem. Ohne FR und IT ist die Eurozone tot, immerhin sind sie Nr 2 und 3. Und genau das sollten sich Hollande und Renzi zunutze machen. Es genügt ja schon, mit einem Austritt zu drohen, wie das Beispiel Cameron zeigt – sofort kommt Merkel persönlich, setzt sich mit Dir ins Boot und bietet allerlei Zugeständnisse an…
Peter Nemschak
4. Juli 2014 @ 15:21
Wachstum und Investitionen sind eine Funktion von Vertrauen, das derzeit in Europa fehlt. Warum sollte ein italienischer Unternehmer investieren? Was ist sein Anreiz? Was hält ihn zurück? Warum geht es Unternehmen diesseits des Rheins besser als im Elsass? Fragen Sie französische Unternehmer, was ihnen fehlt. Warum ist die Arbeitslosenrate in derSchweiz relativ niedrig trotz starkem Franken? In manchen Ländern sind die Bedingungen für Unternehmen offenbar unattraktiv (Beispiel: hohe Lohnnebenkosten, ein Übermaß an Bürokratie).Warum geht es Deutschland wirtschaftlich gut, obwohl China schwächer wächst? All das lässt sich nicht durch Nachfrageschwäche erklären.
ebo
4. Juli 2014 @ 15:42
Das Vertrauen ist doch wieder da, fragen Sie Herrn Schäuble oder schauen Sie sich die Spreads an…
Peter Nemschak
4. Juli 2014 @ 15:51
Die spreads macht Draghi, nicht das Vertrauen.
Peter Nemschak
4. Juli 2014 @ 09:42
@thewisemansfear Wenn dem so wäre, wie Sie behaupten, haetten die Deutschen anders gewählt.
Ein Europäer
4. Juli 2014 @ 00:24
@ ebo,
Renzi ist nicht der Game changer . Weil mit einer Änderung der deutschen Position nicht zu rechnen ist, die Zukunft Europas liegt in den Händen der Franzosen. Tja, mit der Weiter so Politik spätestens ab 2017 die Bundeskanzlerin muss wahrscheinlich sich an einem Tisch mit Marine Le Pen verhandeln. Viel spaß damit.
Peter Nemschak
4. Juli 2014 @ 09:20
….und alle jene, die keinen europäischen Bundesstaat wollen, brauchen sich dann keine Sorgen mehr zu machen. Für viele wäre der jetzige Staatenverbund eine lebbare Alternative. Angesichts der kulturellen Verschiedenheit der europäischen Staaten ist ein europäischer Bundesstaat in dieser Generation unwahrscheinlich.
Meinereiner
4. Juli 2014 @ 15:03
Nein, der Status Quo ist keine Alternative, sondern die schlechteste aller Möglichkeiten – Demokratiedefizit, Lobbykratie, Versager in Brüssel an der Macht, Kungeleien, eine Dysfunktionale Währung.
Zurück in die 90er – Euro weg, Brüssel zu 95% entmachten, Nationalstaaten stärken, Grenzkontrollen wo nötig (und sie sind wie die Kriminalitätsstatistik zeigt im Osten Deutschlands dringend nötig), Wirtschaftsunion.
Peter Nemschak
4. Juli 2014 @ 15:55
Sind Sie überzeugt, dass es national besser ist? Ich nicht, da die Gesellschaft nach vielen guten Jahren verwahrlost ist.
Benno
3. Juli 2014 @ 18:48
@ebo: „Das verstehe ich jetzt nicht. Sind die DIW-Leute denn Deppen? “
Nein, die DIW-Leute sind sehr eurofreundlich und stehen sicher hinter der Industrie und den Exportkonzernen. Man müsste mal in der Lobbyliste recherchieren. Und die Konzerne profitieren ja sehr vom Euro.
Aber Deutschland ist eben nicht nur Export, Konzerne und Politiker, die alle vom Euro profitierten, sondern Deutschland die riesige Mehrheit der Menschen, und die wurden seit dem Euro immer ärmer. (Einlommen pro Kopf, Lebensstandardindex…)
Peter Nemschak
3. Juli 2014 @ 21:22
Der riesigen Mehrheit in Deutschland geht’s so gut wie nie zuvor.
thewisemansfear
4. Juli 2014 @ 09:27
Platt, Herr Nemschak, platt.
Wenn es einer kleinen Minderheit noch viel besser geht als der „riesigen Mehrheit“, dann hat die sich am Kuchenstück letzterer bedient. Wie Sie argumentieren, ist es in Ordnung, wenn vom Tisch der „Aristokratie“ auch ein paar Krümel für „die da unten“ abfallen. Und die sollen sich dann mal nicht beschweren.
Meinereiner
4. Juli 2014 @ 14:58
Lesen sie mal die Statistiken zum neuen Einkommenszuwachs in Deutschland (+x,x%) – und zwar nicht nur die Jubelmeldung, dass wir alle jetzt ja so viel mehr verdienen, sondern die Aufschlüsselung nach Lohngruppen.
Dann würden Sie feststellen, dass die Geringverdiener (wieder mal!) deutlich unter der (offiziell) ohnehin kaum vorhandenen Inflation abgeschlossen haben, während die Spitzenverdiener wieder den größten Schluck bekommen haben.
Peter Nemschak
4. Juli 2014 @ 15:28
@Meinereiner Offenbar gibt es einen Zusammenhang zwischen Bildung und Einkommen. Der gesetzliche Mindestlohn soll einen gewissen Ausgleich schaffen.
Meinereiner
4. Juli 2014 @ 16:42
@Peter Nemschak
Was hat das mit Bildung und Einkommen zu tun, wenn jemand, der ohnehin wenig verdient überproportional von der allgemeinen Lohnentwicklung abgehängt wird, während die gut verdienenden einen überproportionalen Zuwachs erhalten?
Mal abgesehen davon dass die einer der Gründe ist, warum die Wirtschaft in der Eurozone am kollabieren ist – den Geringverdiener, deren Einkommen zum größten Teil in den Konsum fließt gönnt man keine Zuwächse (obwohl diese direkt in die Wirtschaft fließen und neue Arbeitsplätze bringen würden), den Beschäftigten die ohnehin einen guten Teil des Geldes sparen gibt man noch mehr.
Benno
3. Juli 2014 @ 18:42
@ebo:“Haben wir nicht ganz Ähnliches mit der KfW? “
Die KfW ist nicht profitorientiert. 2010 fuhr die KfW einen Verlust von 2,6 Mrd Euro ein.
Tim
3. Juli 2014 @ 17:43
Gerade Frankreich könnte mit relativ wenig Einsatz sehr viel erreichen. Aber man will die Bevölkerung ja weiterhin vor neuen Arbeitsplätzen schützen. Der Wähler scheint zu glauben, daß man nachhaltige Investitionen anordnen kann. Und natürlich immer wieder und überall der Ruf nach Großprojekten (= unnötige neue Straßen) … Das Land scheint es nicht mehr zu packen. Jammerschade.
Johannes
3. Juli 2014 @ 17:32
„Das DIW hat einen neuen Fonds vorgeschlagen, der sich über die Märkte finanziert und von den EU-Staaten garantiert wird.“ Hahaha, also im Klartext: Die Deutsche müssen mehr Schulden fremder Menschen übernehmen.
Ne, ne ne, so nicht liebe Euro-Fanatiker. Mit Schulden erreicht man keinen Wachstum, siehe Griechenland uns seinen Schuldenstand.
Oder aber dreht die GESAMTE Agenda 2010 in Deutschland zurück, und zwar ALLES, dann kann Deutschland Euro-Bonds akzeptieren, wenn wir genauso schlecht sind wie der Süden Europas.
Deutschland muss sich fit für den Euro sparen – haben wir gemacht und jetzt sollen wir dafür auch noch bestraft werden, „ihr“ habt den Schuss echt nicht mehr gehört.
ebo
3. Juli 2014 @ 17:44
Lieber Johannes, Du hast keine Ahnung. Die Märkte warten doch nur darauf, Geld in sichere Fonds zu investieren. Da die Investitionen geprüft und von den Staaten besichert würden, hält sich das Risiko in engen Grenzen. Übrigens wiegen FR und IT zusammen mehr als DE – das gilt beim ESM, und gälte sicher auc bei diesem DIW-Fonds… Im übrigen bedeuten Investitionen Aufträge, und die kämen sicher nicht zuletzt der deutschen (Bau-)Wirtschaft zugute!
Tim
3. Juli 2014 @ 18:29
Großartig! Gebt den Anlegern neue Fehlanreize! Schafft ein, zwei, viele Finanzblasen! 🙂
ebo
3. Juli 2014 @ 18:34
Das verstehe ich jetzt nicht. Sind die DIW-Leute denn Deppen? Haben wir nicht ganz Ähnliches mit der KfW? Hab noch nie gehört, das jemand dort die Absicherung von Investitionen als Verschwendung kritisiert…
Benno
3. Juli 2014 @ 18:38
„Da die Investitionen geprüft und von den Staaten besichert würden,…“
Wer ernennt unabhängige versierte „Prüfer“? Diese Prüfer (wahrscheinlich nennen die sich „Experten“) sind doch Euro-Verliebte, die dieses Konstrukt mit allen Mitteln am Leben erhalten wollen.
„von den Staaten besichert“: Also haften die Steuerzahler. Aber nicht nur die jeweiligen Steuerzahler eines Staates, der das Invest.projekt realisiert, was demokratisch legitimiert wäre, sondern die Eurofantasten wollen, dass Steuerzahler fremder Staaten für Investitionsprojekte im ClubMed haften. Dieses ist völlig undemokratisch. Übrigens hatten die Südstaaten massenhaft Investitionen nach der Euro-Einführung: in Portugal gibt es super Autobahnen bis zu jedem Hühnerhof. Wird Portugal deshalb zur Lokomotive der Eurozone und/oder verringert seine Schulden? Auch Griechenland hat profitiert (Bahn).
Ich sehe auch dieses nur als Maßnahme, weiterhin die wirklich Reichen in den Südstaaten zu schützen (Beispiel: keine Luxussteuer auf griechische Yachten unter 12,50m,) und dafür die Massen der „Armen“ in den Nordstaaten (Besicherung) und natürlich auch in den Krisenstaaten zu schröpfen.
“ Die Märkte warten doch nur darauf, Geld in sichere Fonds zu investieren.“ Klar „die Märkte“ freuen sich, winken doch kräftige Renditen bei geringem oder null Risiko (die Staaten besichern ja). Kann/will ein Südstaat mal nicht zurückzahlen, springen die Steuerzahler der anderen Staaten ein.
Geld für Projekte hätten die Südstaaten genug, wenn sie in der Lage wären, die eigenen Reichen angemessen zu besteuern. Ich sehe den Euro als ein super Instrument der Ausbeutung der Massen und zur Bereicherung der Reichen.
Die Schulden der Krisenstaaten würden nur noch mehr wachsen und wären immer weniger zurückzuzahlen. Alles eine Fortführung der Folgen des Euro:
Vor dem Euro hatten die PIIGSZF weniger Schulden (außer Italien), aber x-fach höhere Zinsen und einen geringeren Lebensstandard. Jetzt und mit dieser Idee steigen die Schulden weiter, denn der Lebensstandard soll erhalten bleiben und von anderen finanziert werden.
Peter Nemschak
3. Juli 2014 @ 16:30
Was hat Renzi bisher reformert? Die Verfassung und der gespaltene Arbeitsmarkt waren nicht dabei.Faktum: Frankreich und Italien sind im Vergleich zu Portugal, Spanien und Irland Nachzügler.
ebo
3. Juli 2014 @ 16:38
Dann gehen Sie doch in diese Länder! Investieren Sie! Wenn alles so wunderbar ist…
Peter Nemschak
3. Juli 2014 @ 21:13
Die nackten Zahlen sprechen jedenfalls nicht für Frankreich und Italien. Renzi muss Taten seinen Worten folgen lassen. An schmerzhaften Strukturreformen führt kein Weg vorbei.
thewisemansfear
3. Juli 2014 @ 21:34
Kein Weg vorbei…
Das ist doch das schöne an dem Spiel, jeder ist mal dran mit „Strukturreformen“. Wenn alle durch sind, und die Wettbewerbsfähigkeit wieder hergestellt ist (darum geht es ja), sind alle ärmer als vorher, höchste Zeit für die nächste Runde. Auf auf… The game must go on.
ebo
3. Juli 2014 @ 22:07
So ist es. Doch nun wird die Sache noch doller: Wir investieren erst, wenn Ihr „Strukturreformen“ macht, heißt es. Und das Ganze mit Zustimmung von SPD-Boss Gabriel 🙂
thewisemansfear
3. Juli 2014 @ 22:45
Das war noch nie anders. Das ist die Arbeitsweise von IWF, Weltbank, Troika, und und und. Es wird Druck erzeugt, um „Reformen“ durchzudrücken.
Die letzte Steigerung ist von Naomi Klein in „The shock doctrine“ beschrieben. Da lässt man halt auch mal bewusst was (oder wen) über die Klippe springen.