Integration ist nicht die Lösung

In der Flüchtlingspolitik setzt Deutschland auf Integration. Dahinter stehen vor allem ökonomische Motive, vermutet N. Häring vom „Handelsblatt“. Doch es sei falsch, alle Migranten aufnehmen und integrieren zu wollen.


Von Norbert Häring

[dropcap]I[/dropcap]n ihrer Neujahrsansprache hat die Bundeskanzlerin unfreiwillig deutlich gemacht, worum es ihr bei ihrer ungewöhnlichen Kehrwende hin zu offenen Grenzen geht, und worum nicht. Es geht nicht um bestmöglichen Schutz für Bürgerkriegsflüchtlinge, die möglichst bald wieder beim Wiederaufbau ihrer Heimat mithelfen sollen. Es geht ihr um dauerhafte Zuwanderung, von der „Deutschland“ profitieren soll.

Angela Merkel schreibt in ihrer Neujahrsansprache all denen Kälte und Hass zu, die „Deutschsein allein für sich reklamieren und andere ausgrenzen wollen.“ Dazu bekenne ich mich, nicht zu Kälte und Hass, aber dazu, dass ich Deutschsein für jene reklamiere, die als Deutsche geboren sind, oder die hier leben und die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben, und dazu, dass ich die rund sieben Milliarden Menschen, die keine Deutschen sind und hier keine Aufenthaltserlaubnis haben, ausgrenzen will.

Wir brauchen Grenzen

Das ist die normale Funktion von Staatsgrenzen, und anders kann ein Gemeinwesen unter heutigen Bedingungen kaum funktionieren. Bis vor kurzem war das auch ganz normale, kaum hinterfragte Politik. Jetzt ist es ein Zeichen von Kälte, Hass und Rechtsradikalismus. Wie schnell sich doch die Maßstäbe verschieben können.

Das schließt Solidarität und Hilfe für die vom Schicksal gebeutelten keineswegs aus. Diese Hilfe sollten wir leisten. Der Umfang ist umstritten. Ich bin durchaus dafür, dass wir größere Opfer bringen, vor allem Besserverdiener wie ich, nicht so sehr diejenigen, die ohnehin schon zu den Benachteiligten gehören. Andere sehen das anders. Das Minimum müssen unsere völkerrechtlichen Verpflichtungen sein. Zur Art der Hilfe, auch für diejenigen, die ausgegrenzt werden, später mehr.

Merkel weiter: Von gelungener Einwanderung habe ein Land noch immer profitiert. Richtig angepackt sei auch „die heutige große Aufgabe des Zuzugs und der Integration so vieler Menschen eine Chance für morgen“, sagt sie und wirbt für Geduld und Geldausgabebereitschaft „bei der wichtigen Aufgabe der Integration derer, die dauerhaft hier bleiben werden.“

Geht es um das Exportwunder?

Zuzug, Zuwanderung, Einwanderung, Integration, das klingt nicht nach Schutz für Asylsuchende, das klingt wie eine neue Einwanderungspolitik, mit der das deutsche Exportwunder dauerhaft aufrechterhalten werden soll. Deshalb schreiben, bloggen und twittern sich auch die Mitarbeiter der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und der anderen Arbeitgebervertreter seit vielen Monaten die Finger wund beim Werben dafür, die Flüchtlinge schnell auszubilden und in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Die Arbeitgeber wollen schon lange offene Grenzen für den Zuzug billiger Arbeitskräfte aus der ganzen Welt, um hier die Löhne niedrig zu halten. Sie sind damit immer gescheitert. Nun ist die Flüchtlingskrise, die Merkel angeheizt hat mit ihrer Einladung die Politik der offenen Grenzen massenhaft auszunutzen, ein willkommener Anlass, diese neue Einwanderungspolitik auf kaltem Wege durchzusetzen, unter dem Deckmantel der Nächstenliebe.

Dieser Deckmantel macht es leicht, Kritiker von rechts zu verunglimpfen und macht es den Linken schwer, sich dagegen zu stellen. Viele lassen sich von ihren solidarischen Impulsen verführe durch  Unterstützung Merkels gegen ihre parteiinternen und –externen Kritiker zu Steigbügelhaltern für den Aufstieg der AfD zu werden. Denn diese bekommt ein Monopol darin, ein sehr berechtigtes Unbehagen in der Bevölkerung auszudrücken. Ihre Vertreter tun das leider oft in einer menschenfeindlichen Sprache, die fälschlicherweise die Schuld den Ankömmlingen zuweist und damit Fremdenfeindlichkeit und Hass schürt.

Flüchtlinge werden instrumentalisiert

Nur wenn Arbeitnehmervertreter, die Linken und die Mitte viel deutlicher als bisher darauf aufmerksam machen, dass die Bürgerkriegsflüchtlinge auf perfide Weise instrumentalisiert werden, können sie diese wirkungsvoll gegen die Anfeindungen von rechts in Schutz nehmen und gleichzeitig wirksam für Solidarität und Hilfe werben. AfD-Anhänger zu Unmenschen zu erklären bringt gar nichts und tut vielen Unrecht.

Das Wort Asyl kommt nicht vor in der Neujahrsansprache Merkels, Schutz ebenso wenig. Dabei müssten diese Worte im Zentrum stehen, wenn es um Flüchtlingspolitik und nicht um eine verbrämte Einwanderungspolitik ginge. Ich schreibe das nicht zuvorderst aus moralischen Gründen, sondern weil Flüchtlings- bzw. Asylpolitik anderen Prinzipien folgen als Einwanderungspolitik.

Das ist bei weitem nicht nur ein rhetorisches Problem, sondern die Ursache für den berechtigten Unmut großer Teile der Bevölkerung gegen die betriebene Politik.

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