In der Falle

Frankreich verliert das Top-Rating “AAA”. Nach der Ratingagentur S&P hat nun auch Moody’s ein Downgrading bekanntgegeben. Wie üblich kam die Entscheidung kurz vor einem EU-Gipfel, und natürlich just in dem Moment, da das Land Reformen einleitet. Ähnlich war es bereits Portugal und Spanien ergangen. Wenn es den Amerikanern und ihren deutschen Stichwortgebern gelingt, auch noch Frankreich in die Krise zu reden, wird der Euro nicht mehr lange bestehen.

Auf den ersten Blick können sie sich nun alle bestätigt fühlen, die Frankreich-Basher bei “Bild”, “Handelsblatt” und “Economist”. Wie vorhergesagt, oder besser: wie herbeigeschrieben, haben die US-Ratingagenturen zugeschlagen und sich ein neues Opfer ausgesucht. “Moody’s liest den Economist”, war der ebenso trockene wie treffende Kommentar des Fachdienstes “Eurointelligence” nach dem Downgrading.

Für die Märkte sei das Urteil aus den USA nicht relevant, glauben die Experten um den ehemaligen FT-Chef W. Münchau. Tatsächlich reagierten zunächst weder die Anleihemärkte noch die Börse in Paris. Entsprechend gelassen reagierte die sozialistische Regierung in Paris. Moody’s habe keine neuen Fakten ausgewertet und letztlich ein Urteil über die Vorgängerregierung unter Präsident Sarkozy abgegeben, hieß es. Circulez, il n’y a rien à voir?

Ganz so einfach ist die Sache leider nicht. Denn zum einen kommt das offenbar politisch motivierte Downgrading, wie bei Moody’s üblich, kurz vor wichtigen EU-Treffen zu Griechenland und zum künftigen EU-Budget. Präsident Hollande geht nun geschwächt in die Verhandlungen, die über die Zukunft der EU und der Eurozone entscheiden. Zum anderen haben die Amerikaner zumindest in einem Punkt recht: die Wachstumsaussichten für Frankreich haben sich verschlechtert.

Gefährlicher neoliberaler Zaubertrank

Dies liegt allerdings nicht etwa an mangelnder “Wettbewerbsfähigkeit” oder verschleppten Reformen, wie unsere deutschen Stichwortgeber glauben. Es liegt vielmehr genau an dem, was Merkel & Co. als Medizin empfehlen. Die Franzosen sind im Begriff, einen gefährlichen Zaubertrank zu schlucken, den nicht einmal Agenda-Kanzler Schröder den Deutschen verordnen wollte – denn die Nebenwirkungen können tödlich sein.

Paris hat sich nämlich gleich zwei Kraftakte vorgenommen: zum einen soll das Budgetdefizit im kommenden Jahr unter drei Prozent gedrückt werden, was nur mit Einsparungen in Milliardenhöhe gelingen kann. Zum anderen hat die Regierung Ayrault angebotsorientierte Strukturreformen eingeleitet, die an Schröders Agenda 2010 erinnern. Schröder ist seine Reform aber nur gelungen, weil er gleichzeitig das deutsche Budgetdefizit schleifen ließ.

Ohne den bewussten Verstoß gegen die Drei-Prozent-Regel hätte Schröder seine Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze niemals durchsetzen können. Denn sonst wären “dramatische Einschnitte” nötig geworden, sagte der Ex-Kanzler rückblickend in einem Zeitungsinterview. Allerdings hat Merkel diesen zentralen Punkt nie verstanden. Sie glaubt immer noch, Schröder habe eine Art “Ursünde” begangen – und fordert von Hollande die Quadratur des Kreises.

Beides auf einmal zu versuchen – Sparkurs und Agendapolitik – kann aber nur die Konjunktur abwürgen und die Krise verschärfen. Wie schnell das gehen kann, haben wir in Spanien und Portugal gesehen, die Merkels Mix bereits schlucken mussten. Hollande und Ayrault wären daher gut beraten, wenigstens das Defizitziel zurückzustellen, wie dies z.B. der Brüsseler Thinktank Bruegel empfiehlt.

Wird Hollande das erste Opfer des Fiskalpakts?

Doch da ist die EU-Kommission vor. 2013 tritt der Fiskalpakt in Kraft, Frankreich könnte sein erstes Opfer werden. Eine bittere Aussicht für einen Präsidenten, der angetreten war, den Austeritätskurs in der Eurozone zu beenden, den Fiskalpakt neu zu verhandeln und die Weichen auf Wachstum zu stellen. Frankreich sitzt in der Falle, und wenn sie zuschnappt, könnte der Euro gleich mit untergehen…

Siehe zu diesem Thema auch “Risiko Frankreich”