In der Euro-Falle

Die Eurogruppe hat an Griechenland ein Exempel statuiert. Premier Tsipras muss nun das Gegenteil dessen machen, was er versprochen hat. Was bedeutet dieses Debakel für Hellas und all jene, die eine andere, soziale Politik fordern? – Ein Gastbeitrag.

Von Albert F. Reiterer und Steffen Stierle

Mit dem Beitritt zur Währungsunion haben die politischen Eliten Griechenlands den Weg in eine Krise unglaublichen Ausmaßes geebnet.

Den Preis für diese historische Fehlleistung zahlt nun die Bevölkerung mit einer dramatischen Absenkung der Lebensstandards, einschließlich massenhafter Obdachlosigkeit, einem Kollaps des Gesundheitssystems und Nahrungsmittelknappheit. Nun versucht die Bevölkerung, sich aus dem Schlamassel heraus zu arbeiten. Die politischen Eliten der Währungsunion lassen nichts unversucht, dies zu verhindern.

Doch der Reihe nach. Für den Blick auf die Auseinandersetzungen der letzten Monate, Wochen und Tage können wir zwei Perspektiven wählen.

Zunächst die nationale Perspektive: Mit der Wahl der Syriza-Regierung Ende Januar wurde der neoliberale Konsens in der EU aufgebrochen. Seither stehen sich zwei wirtschafts­politische Modelle gegenüber: Das neo-keynesianische á la Varoufakis´ „bescheidenem Vorschlag“ und eben das neoliberale Modell der permanenten Ausgabenkürzung, Privatisie­rung und Deregulierung, für das alle anderen Regierungen in der EU – allen voran der deutschen – stehen. Die Vereinbarung vom 13. Juli ist der krachende Sieg des Neoliberalismus in der Währungsunion. Angesichts der Kräfte-Verhältnisse keine Überraschung.

Euro als Werkzeug der Eliten

Die zweite Perspektive ist die strukturelle, supra-nationale. Hier ist der Euro vor allem als Werkzeug der Finanz- und Wirtschaftseliten zu betrachten, als Automatismus, mittels dessen permanenter Druck in Richtung Sozial- und Lohnabbau sowie Steuerdumping zugunsten von Banken und Konzernen aufgebaut werden kann. An die Stelle der Währungsabwertung mit ihren vergleichsweise schonenden Verteilungseffekten, tritt die innere Abwertung. Die Mitgliedsstaaten werden in einen Wettbewerbsmodus versetzt, der besonders die Peripherie zu immer weiteren „Reformen“ zulasten der Bevölkerung zwingt. Die Leit-Idee war: Wirtschaftspolitik nicht nur überflüssig, sondern unmöglich machen.

Deutschland an der Spitze

Einst von Frankreich durch die politische Koppelung von Währungsunion und Wiedervereinigung „zu seinem Glück“ gezwungen, steht Deutschland heute an der Spitze dieser stark angewachsenen Struktur. Italiener, Spanier, Griechen und Portugiesen wollten auch „dazu gehören“. Ebenso die Osteuropäer. Teilweise aus Angst, sonst im globalen Spiel isoliert zu werden, teilweise aufgrund einer falschen Einschätzung der wirtschaftlichen Folgen und teilweise aufgrund des politischen Symbols mit seiner positiven Semantik. Die Bevölkerung unterstützte die Beitritte weitgehend.

Hardcore-Neoliberalismus

Mittlerweile ist es offensichtlich, dass sie in die Falle getappt sind. Diese Falle schnappt in Griechenland gerade auf brutalste Weise zu. Dem in Berlin, Frankfurt und Brüssel entworfenen Hardcore-Neoliberalismus und der bedingungslosen Unterwerfung hätte nur noch durch einen Grexit entgangen werden können.

(Albert F. Reiterer ist Politikwissenschaftler, Steffen Stierle arbeitet bei Attac Deutschland – Fortsetzung folgt am Freitag)