In der Euro-Falle (II)

Die Eurogruppe hat an Griechenland ein Exempel statuiert. Premier Tsipras muss nun das Gegenteil dessen machen, was er versprochen hat. Was bedeutet dieses Debakel für Hellas und all jene, die eine andere, soziale Politik fordern? – Ein Gastbeitrag (Teil 2)

Von Albert F. Reiterer und Steffen Stierle

Auf den Grexit – und das ist eine Tragödie der politischen Linken – war die griechische Regierung jedoch nicht vorbereitet. So war sie schließlich bereit, alles zu schlucken, was verlangt wurde, um den chaotischen Grexit samt seiner dramatischen wirtschaftlichen und sozialen Folgen zu vermeiden. Der chaotische Grexit hätte kurzfristig die Krise vertieft. Um das Bankensystem nicht kollabieren zu lassen, hätte man es verstaatlichen müssen. Im Rahmen der EU wäre dies kaum durchzusetzen gewesen. Vor einem Austritt aus der EU aber schrecken der Ministerpräsident und die Mehrheit der SYRIZA erst recht zurück. Folge ist: Der Ausverkauf Griechenlands unter deutscher Federführung, sogar in der vorgesehenen Treuhandgesellschaft, hat begonnen – zu den schlimmsten denkbaren Bedingungen für Griechenland.

Griechenland sitzt in der Falle. Und nicht nur die Regierung, auch die Bevölkerung zögert, diese Falle zu zerbrechen. Zu groß und gefährlich scheint der radikale Bruch mit dem Eurosystem. Spätestens seit dem Deal zum dritten Griechenland-Programm ist aber auch klar: Ohne diesen Bruch ist kein Politik-Wechsel möglich. Solange Syriza-Griechenland den Grexit nicht riskiert, wird sich die linke Regierung in der Situation sehen, Hardcore-Austerity durchzusetzen, die Lebensstandards immer weiter nach unten zu fahren und früher oder später an diesen Widersprüchen zu scheitern.

Auch Frankreich sitzt in der Falle

Nicht nur Griechenland sitzt in der Falle: Zypern, Portugal, Spanien, Slowenien – bald auch Italien und Frankreich. Dort überall gibt es bisher auch nicht Regierungen, die ein Interesse daran haben könnten, mit dem Eurosystem zu brechen. Die Regierungen dieser Länder dienen vor allem ihren ökonomischen und finanziellen Eliten, die durchaus ein Interesse am permanenten Druck auf Löhne und Sozialstandards haben.

Der Euro ist ein höchst effektives Instrument der Gesellschaftsspaltung. Für alle sichtbar, gilt dies für die Länder der südlichen und östlichen Peripherie. Es gilt aber auch für das Zentrum, wie beispielsweise das deutsche Lohndumping zeigt, das die Basis der Exportstärke und damit zum Teil auch der imperialen Vormachtstellung in der Währungsunion ist.

Jetzt Austrittsszenarien vorbereiten

Höchste Zeit anzuerkennen, dass anti-neoliberale, emanzipatorische Politik zunächst eine Überwindung des Eurorahmens erfordert. Linke Parteien mit Regierungsverantwortung oder -ambition müssen rasch beginnen, Austrittsszenarien durchzuspielen und vorzubereiten. Sonst werden sie nie in die Lage kommen, linke Politik machen zu können. Wichtig ist aber vor allem ein breiter, eurokritischer Diskurs von unten. Auch Bevölkerungen und Zivilgesell­schaft sind in die Falle getappt, soweit sie angefangen haben, die EU/Euro-Integration mit Internationalismus und Völkerverständigung gleichzusetzen.

Rückabwicklung der Währungsunion

Nun, wo dieses Projekt zweifelsfrei als das dasteht ist, was es ist, sollten wir die Gelegenheit nutzen, einen neuen, sachlichen Diskurs zu starten und politische Strategien mit dem Ziel einer Rückabwicklung der Währungsunion auf die Schiene zu setzen.

(Albert F. Reiterer ist Politikwissenschaftler, Steffen Stierle arbeitet bei Attac Deutschland – Teil 1 erschien am Mittwoch)