Immer neue Risiken
Vor einem Jahr fürchtete die EU den “Frexit”, nun kommt plötzlich der “Polexit” in Mode. Der Austritt Polens ist nicht das einzige Schreckgespenst im neuen Jahr.
Im Gegenteil – nach einer kurzen Euphorie, die Frankreichs neuer, europafreundlicher Staatschef Macron ausgelöst hat, verfällt die “Brüsseler Blase” nun plötzlich wieder in Trübsal.
Bei einer Expertentagung warnte Ex-Ratspräsident Van Rompuy vor zu hohen Erwartungen. 2018 werde allenfalls ein EU-Reförmchen bringen, das Sanktionsverfahren gegen Polen dürfte scheitern.
Fast gleichzeitig erklärte Rompuys Amtsnachfolger Tusk, ein “Polexit” sei nicht auszuschließen. Die PiS-Regierung in Warschau könne den Notausgang suchen, wenn man ihr die EU-Subventionen kürze.
Genau das plant aber EU-Budgetkommissar Oettinger (CDU). Auch in Berlin wird immer wieder mit finanziellen Sanktionen gedroht, wenn die EU-Staaten nicht nach der deutschen Pfeife tanzen.
Überaus skeptisch sieht man in Berlin auch den Plan der EU-Kommission, Bulgarien so bald wie möglich in den Euro aufzunehmen. Die FAZ spricht schon von einem neuen “Eurorisiko”.
Dabei haben die Bulgaren nicht einmal den Aufnahme-Antrag gestellt. Doch in Deutschland fürchtet man offenbar, Bulgarien könne ein zweites Griechenland werden.
A propos Griechenland: Auch da gibt es noch Risiken – wenn der im Sommer geplante Ausstieg aus dem dritten Bailout nicht klappt. Das könnte die Märkte erschüttern, es wäre nicht das erste Mal.
Und dann ist da noch der ganze große “Elefant im Raum”, wie es ein EU-Experte ausdrückt: Italien. Das Land mit den höchsten Schulden und der größten Bankenkrise wählt im März.
Auch das könnte die Märkte erschüttern – und die EU unsanft aus ihren schönen Reformträumen aufwecken. Doch bleiben wir realistisch. Das größte Problem heißt derzeit – Deutschland!
Trekker-Charly
11. Januar 2018 @ 19:18
Ich warte auf den “Deuexit” oder “Germanexit”.
Wie auch immer, rauß aus dem Sumpf!
Freiberufler
10. Januar 2018 @ 17:09
Ich zitiere aus dem Septemberprogramm von 1914:
„4. Es ist zu erreichen die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes durch gemeinsame Zollabmachungen, unter Einschluß von Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich-Ungarn, Polen und eventuell Italien, Schweden und Norwegen. Dieser Verband, wohl ohne gemeinsame konstitutionelle Spitze, unter äußerlicher Gleichberechtigung seiner Mitglieder, aber tatsächlich unter deutscher Führung, muß die wirtschaftliche Vorherrschaft Deutschlands über Mitteleuropa stabilisieren.“
Besondere Pläne für Frankreich:
„(…) ein Handelsvertrag, der Frankreich in wirtschaftliche Abhängigkeit von Deutschland bringt, es zu unserem Exportland macht, und es ermöglicht, den englischen Handel in Frankreich auszuschalten.“
http://www.deuframat.de/de/konflikte/krieg-und-aussoehnung/der-erste-weltkrieg-im-kollektiven-gedaechtnis-der-deutschen-und-der-franzosen/deutsche-und-franzoesische-kriegsziele/kriegsziele-deutschlands.html
Wenigstens besaß man 1914 noch nicht die Dreistigkeit, das deutsche Europa als Friedensprojekt anzupreisen.
Peter Nemschak
12. Januar 2018 @ 08:05
Sie gehören auch zu jenen, die sich der Mode der Empörung nicht entziehen können.
“Deutschland empört sich. Oft, gerne und über nahezu alles. “Empört Euch!” war folgerichtig ein Bestseller hierzulande, markiert er doch in zwei Worten das Coming-out der deutschen Seele. Wir leben im Zeitalter der Hypermoral. Moral ist zur Leitideologie und zum Religionsersatz unserer postreligiösen Gesellschaft mutiert. Moral ist absolut geworden, sie duldet keine anderen Diskurse neben sich. So wird aus Moral die Tyrannei der Werte: Minderheitenkult, Kränkungsfetischismus, Gleichheitsideologie. Politik, Wirtschaft, Kunst – alles wird auf moralische Fragen reduziert. Selbst der Konsum hat fair, nachhaltig und ressourcenschonend zu sein. Wer sich diesem Diktat der totalen Moral zu entziehen sucht, wird gesellschaftlich sanktioniert. Der Publizist und Philosoph Alexander Grau, Autor der vielbeachteten Kolumne “Grauzone” auf cicero.de, liefert eine schonungslose Bestandsaufnahme des zeitgenössischen Hypermoralismus und entlarvt die Grundlagen dieser grotesken Ideologie.”
Hella-Maria Schier
10. Januar 2018 @ 12:55
Und was ist mit Sanktionen gegen Spanien, das mit der Inhaftierung katalanischer Politiker und Rajoxs “Maulkorb-Gesetz” auch ein Stück neben der Rechtsstaatlichkeit steht?
Das kümmert die EU schon gar nicht, wie es scheint und auch nicht den Großteil der deutschen Medien. Sogar die Nachdenkseiten schreiben nichts mehr über Spanien, dabei kommt es mir nicht unwichtig vor. Das Thema Seperatismus ist bestimmt nicht erledigt, auch nicht, wenn Rajoy sich durchsetzt. Und allgemein scheint die EU was Demokratie betrifft nicht gerade engagiert, was das Vertrauen in sie nicht erhöht! Warum sollten die Bürger Europas einen mächtigen Zentralstaat mit faschistoiden Zügen wollen?
Peter Nemschak
10. Januar 2018 @ 16:04
Wird von der spanischen Regierung geltendes spanisches Recht verletzt? Was die Spanier wollen, müssen sie ohne Zurufe von außen entscheiden.
Peter Nemschak
10. Januar 2018 @ 11:44
Polexit ist ein Hirngespinst. Ironischerweise macht die tiefe Abneigung der Polen gegenüber den Russen einen Polexit unwahrscheinlich. Geography matters. Sich den USA an den Hals zu werfen wäre für die Polen riskant. Über kurz oder lang wird Deutschland eine Regierung haben. Dass solange nur eine geschäftsführende Regierung im Amt war, ist ein Indiz für die Stabilität des Landes. Griechenland und Bulgarien sind auf Grund ihrer Größe ein Klacks, Italien ist wahrscheinlich der größte Risikofaktor in der näheren Zukunft.
Olli
11. Januar 2018 @ 12:00
Nein, des grösste Risiko ist Deutschland.
Deutschland möchte die EU-Staaten fest in den Griff nehmen, so dass alle nach der Pfeife Berlins tanzen. Das kann nur schief gehen. Das hat Berlin doch schon im Falle Griechenlands unter Beweis gestellt. So wird die EU und ihre Mitgliedstaaten nichts Positives mehr erreichen.
Schäuble ist jetzt weg, aber die Regierung in Berlin hat nichts dazugelernt. Es gibt es noch immer keine Einigung in Eiropa und zuviele Baustellen: Brexit, die Oststaaten, Türkeiaufnahme, die rechte Politik Österreichs und immer noch die Knechtschaft von Deutschland über Griechenland. Da passt nichts zusammen.