Im falschen Film

High Noon in Brüssel: Nach einer Nacht der langen Messer wollen Premier Cameron und seine EU-Partner alles tun, um den „Brexit“ zu verhindern. Doch das ist nur Show; London und Brüssel sind im falschen Film.


[dropcap]D[/dropcap]er wahre Film spielt sich gerade in Kiew, Ankara und Wien ab. In Kiew erleben wir den Niedergang eines korrupten pro-westlichen Regimes, für das die EU einen Kalten Krieg mit Russland riskiert hat.

In Ankara erleben wir den Beginn eines neuen Krieges. Nach dem Terroranschlag von Mittwoch plant die Türkei massive Vergeltung gegen die Kurden; die EU sieht zu und schweigt.

Und in Wien werden wir Zeugen, wie ein neuer Abwehrwall um die Festung Europa gezogen wird. Weil Berlin nicht handeln will und Brüssel nichts tun kann, droht eine Kettenreaktion auf dem Balkan.

Diese drei Entwicklungen werden das für Juni geplante EU-Referendum in Großbritannien vermutlich mehr beeinflussen als das, worüber Cameron & Co. nun verhandeln wollen.

Dennoch stehen sie nicht oder nur unter ferner liefen auf der Tagesordnung des Gipfels. Über Flüchtlinge sprechen die Chefs  beim Abendessen (zum Dessert?), über Syrien, Terror und Krieg ganz am Schluss.

Großbritannien ist trotzdem einen Gipfel wert, könnte man einwenden. I do agree! Doch statt Camerons vier Punkte zu schlucken, hätte die EU eine eigene, viel breitere Agenda setzen müssen.

Schlechtes Casting

Warum ist sie nicht auf die britischen Rufe nach mehr Transparenz und Demokratie eingegangen? Warum versucht sie nicht, UK zu mehr Engagement in der gemeinsamen Außenpolitik zu motivieren?

Weil sich nichts ändern soll. Die EU klammert sich nur noch an den Status Quo – dabei bröckeln längst die Fundamente. Wir sitzen nicht nur im falschen Film; es ist auch noch ein B-Movie…

…mit einem Hauptdarsteller (Cameron), der alles versucht hat, das Brüsseler Casting (mit Kommissionschef  Juncker und seinem Team) zu verhindern. Jetzt lächeln sie in die Kameras…

Siehe zu diesem Thema auch „Der Brexit als Chance“ – Foto: © European Union , 2016   /  Source: EC – Audiovisual Service   /   Photo: Etienne Ansotte