Und die Fluchtursachen?
Wenn man schon einen Flüchtlingsgipfel mit der Türkei organisiert, sollte man auch über Syrien, den Irak, den IS und die Kurden sprechen. Erstaunlicherweise taucht davon kein Wort im EU-Kommuniqué auf.
Dabei betont Kanzlerin Merkel doch in jeder Sonntagsrede, man müsse die „Fluchtursachen bekämpfen“. Darüber hätte sie doch prima mit ihrem „Schlüsselpartner“ reden können. Auch die EU hätte dazu etwas zu sagen.
Doch weder Merkel noch Ratspräsident Tusk oder gar die Außenbeauftragte Mogherini verloren dazu ein öffentliches Wort. Haben Sie es schlicht vergessen, um Merkels Coup zu erleichtern?
Das ist unwahrscheinlich. Viel näher liegt die Vermutung, dass den EU-Granden das Thema unangenehm ist. Denn dann hätte man ja auch über die türkische Hilfe für den IS und den Krieg gegen die Kurden reden müssen.
Auch die Weigerung der Türkei, die Grenze für syrische Flüchtlinge aus Aleppo zu öffnen, wäre dann zur Sprache gekommen. Vielleicht sogar die Drohung, zusammen mit den Saudis in Syrien einzumarschieren.
Alles in allem heizt die Türkei den Krieg in Syrien mehr an, als den Europäern lieb sein kann. Wenn es dumm läuft, werden unsere „Schlüsselpartner“ selbst noch zur „Fluchtursache“… – Mehr dazu hier
Pique Dame
9. März 2016 @ 10:18
Die Frage mit den Fluchtursachen stelle ich mir auch seit einer Weile. Mir ist jetzt aber klar geworden, dass Merkel mit „Flucht“ die Migration von Flüchtlingen aus der Türkei (etwa aus Lagern) nach Europa meint. Sie steigt also in die Kausalkette dort ein, wo’s gerade passt. Würde sie sich mit den wahren Fluchtursachen beschäftigen, müsste sie ja ihre ganze Politik auf den Kopf stellen.
Ute Plass
9. März 2016 @ 16:34
„Würde sie sich mit den wahren Fluchtursachen beschäftigen, müsste sie ja ihre ganze Politik auf den Kopf stellen.“
Das würde auch bedeuten, sich von „mörderischen Systemen“ zu emanzipieren!
http://www.rationalgalerie.de/home/das-us-moerdersystem.html
Peter Nemschak
8. März 2016 @ 21:29
Soll die Türkei die Macht in der Region den Iranern und Saudis überlassen? Man kann der Türkei nicht anlasten, dass die EU ihre Macht in Syrien nicht glaubwürdig demonstriert hat. Die EU ist ein Staatenbund, am ehesten vergleichbar mit dem Heiligen Römischen Reich, in dem der Kaiser auf das Wohlwollen und die Unterstützung der Fürsten im Einzelfall angewiesen war.
ebo
8. März 2016 @ 22:55
Die Türkei ist mit den Saudis ein „Anti-Terro-Bündnis“ eingegangen, das die Sunniten einen und indirekt auch de IS stützen soll. Zugleich bekämpft sie jene syrischen Ableger der irakischen Kurden, die die USA und Deutschland im Krieg gegen den IS unterstützen. Nebenbei führt sie Krieg gegen die Kurden im eigenen Land. Was passiert, wenn die Kurden nach Europa flüchten wollen? All diese Themen haben Merkel & co. geflissentlich ausgeklammert.
DerDicke
9. März 2016 @ 06:18
Interessanterweise jammern immer jene über „man darf xyz nicht die Macht überlassen“ die selbst einen Krieg nach dem anderen anzetteln, während „xyz“ – hier also der Iran – schon seit mindestens 150 Jahren keinen Krieg mehr begonnen hat.
http://www.hintergrund.de/20100505872/globales/kriege/kennen-sie-das-iran-quiz.html
Also meine Antwort: ja, überlassen wir die Macht in der Region dem Iran. Kann nur noch besser werden.
Peter Nemschak
9. März 2016 @ 08:47
Wir (EU) haben in der Region wenig zu melden. Wenn Sie von „überlassen“ sprechen, heißt das, die Region der Bildung eines Machtgleichgewichts zwischen Türkei, Iran und Saudiarbien überlassen. Dessenungeachtet kann Europas „soft power“ eine Anziehungskraft auf lokale Eliten ausüben und diese nicht ausschließlich den USA überlassen.