Die Agenda der Chefs

Nach zehn Jahren unter Kommissionschef Barroso steht die EU schlechter da als zuvor. Wird sich dies nach der Europawahl ändern? Zweifel sind angebracht. Kanzlerin Merkel hält sich alle Optionen offen. Zudem gibt es eine „hidden agenda“, auf der auch TTIP und „Troika für alle“ stehen. 

Warum gehen von der EU-Kommission kaum noch Initiativen aus? In Brüssel führen dies viele darauf zurück, dass Barroso sich nie wirklich von den „großen drei“ Deutschland, Frankreich und Großbritannien emanzipiert hat.

Statt beherzt eigene Initiativen zu ergreifen, hat er auf Genehmigung aus den Hauptstädten gewartet. Ob dies mit SPD-Mann Schulz oder CDU-Favorit Juncker besser wäre?

Zweifel sind angebracht. Schulz ist viel zu sehr in die Große Koalition in Berlin eingebunden. Und Juncker ist es seit seiner Zeit als Eurogruppenchef gewöhnt, auf Berlin zu warten und Rücksicht auf Kanzlerin Merkel zu nehmen.

Merkel hält alle Optionen offen

Das deutsche Europa hat die beiden wichtigsten Spitzenkandidaten fest im Griff. Die Abhängigkeit geht so weit, dass Merkel alle Optionen offen halten kann.

Sie hat sich nicht einmal festgelegt, ob sie den Sieger der Europawahl tatsächlich für die Barroso-Nachfolge nominiert.

In Brüssel halten es viele für möglich, dass Juncker am Ende Ratspräsident, Schulz EU-Außenminister wird – und Merkel einen dritten Mann für die Leitung der Kommission aus dem Hut zaubert.

Ein massiver Rückschlag droht

Das wäre ein massiver Rückschlag für die Demokratie, es würde das Vertrauen in die EU wohl endgültig zerstören. Schulz und Juncker sollten daher klarstellen, dass personalpolitische Spielchen mit ihnen nicht zu machen sind.

Zudem sollten sie verraten, wie sie sich aus der Umklammerung der Chefs lösen wollen. Die wollen nämlich zwei Tage nach der Europawahl schon die Weichen stellen – nicht nur personell, sondern auch politisch.

Bei einem vertraulichen Abendessen in Brüssel wollen Merkel & Co. den weiteren Kurs der EU auskungeln. Ein paar Pflöcke haben sie schon eingeschlagen.

Hidden Agenda

Im zweiten Halbjahr möchten sie das weitere Schicksal Griechenlands besiegeln, das umstrittene transatlantische Freihandelsabkommen TTIP vorantreiben (einschließlich Investorschutz) und den EU-Vertrag ändern – schon wieder.

Ebenfalls auf der Agenda stehen Partnerschaftsabkommen mit Georgien und Moldawien (dasselbe Spiel wie in der Ukraine) und Kanzlerin Merkels umstrittene Reformverträge (Troika-Politik für alle) .

Doch es kann nicht sein, dass so wichtige Entscheidungen hinter dem Rücken der Wähler getroffen werden. Die Chefs dürfen die Agenda nicht allein setzen. Ihre Pläne müssen ans Licht der Öffentlichkeit, in den Wahlkampf.

Schulz und Juncker haben vielleicht keine Lust, sich dazu zu äußern. Doch die kleinen Parteien haben die Chance, ja die Pflicht, all jene Themen in den Ring zu tragen, die Merkel & Co. am liebsten unter sich ausmachen würden.

Wenn alles auf den Tisch kommt, können wir vielleicht doch noch mitbestimmen, wohin die Reise geht….

Zum Thema TTIP siehe auch „Endlich ein Wahlkampfthema“ sowie die neue Website TTIPCheck, die die Haltung der Europaabgeordneten prüft.

 
photo credit: European People’s Party – EPP via photopin cc