Geschacher um Griechenland

Die Eurogruppe will Notkredite an Griechenland freigeben, doch nachhaltige Besserung ist nicht in Sicht – im Gegenteil: Deutschland verweigert sich einem Schuldenschnitt, und selbst für die längst beschlossenen Hilfen müssen die Griechen noch mit neuen Kontrollen und zusätzlichen Auflagen teuer bezahlen. „Rettung“ sieht anders aus – ein Live-Blog vom Krisentreffen in Brüssel.

18 Uhr. „Wir werden eine Lösung finden“, gab sich Finanzminister Schäuble zu Beginn des Treffens zuversichtlich. Eine nachhaltige Entlastung, etwa durch einen Schuldenschnitt, schloss er jedoch aus. Stattdessen drohen dem Land neue harte Auflagen. Man habe sich auf schärfere Kontrollen geeinigt, sagte Schäuble letzte Woche. So ist geplant, die neuen Hilfskredite auf ein Sperrkonto zu überweisen, so dass das Geld nur zum Schuldendienst genutzt werden kann – und nicht etwa für soziale Zwecke.

Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“ wollen die Gläubiger auch mehr Druck in Sachen Privatisierung machen. Wenn der Verkauf von Staatsbesitz hinter den Planvorgaben der internationalen Troika bleibt, würden die Sparvorgaben automatisch verschärft, schreibt das Blatt. Insgesamt ist von 259 neuen Reform-Auflagen die Rede. Griechenland muss die neuen Finanzhilfen also teuer bezahlen – und den Gürtel noch enger schnallen.

19 Uhr. IWF-Chefin Lagarde drängt weiter auf eine glaubwürdige und dauerhafte Lösung des Schuldenproblems. Ob sie auf einem sofortigen Schuldenschnitt beharrt, oder mit einer Vertagung leben kann, ist unklar. Österreichs Finanzministerin Fekter deutete einen Kompromiss an: „Es wird zwischen 2014 und 2016 ein Monitoring unseres Wegs geben“, sagte sie. Damit könnte ein Schuldenschnitt ab 2014 kommen – nach der Bundestagswahl in Deutschland.

19.30 Uhr. Lagarde bleibt hart. Nun fordert sie, Griechenland zunächst 40 Mrd. Euro an Schulden zu erlassen, später mehr. doch offenbar lehnt Schäuble auch dies ab. Die Eurogruppe werde wohl eine Nachtschicht machen müssen, heißt es – es wäre schon die dritte in drei Wochen. Die ersten beiden gingen ergebnislos zu Ende. Kommt es doch noch zum Clash mit dem IWF, scheitert die ganze verlogene „Rettungs“-aktion?

Wenn dieses Treffen platzt, dann wäre dies der GAU für die Eurozone und die EU. Schließlich könnte man das Scheitern nicht den Griechen anlasten, wie es vor allem die Deutschen gerne machen. Die Verantwortung läge vielmehr bei den Finanzminister und vor allem bei Schäuble. Der möchte Griechenland „retten“, doch kosten darf es nichts. Gleichzeitig möchte er den IWF bei der Stange halten, ohne auf dessen Forderungen einzugehen – viel Spaß, Herr Schäuble!

20 Uhr. Die griechische Regierung dementiert Berichte, wonach sie Eurogruppenchef Juncker vor einem Scheitern der heutigen Sitzung gewarnt habe. An Berichten, Regierungschef Samaras habe Juncker darauf hingewiesen, dass die Athener Koalition auseinanderbrechen könne, wenn nicht endlich Hilfe aus Brüssel komme, sei nichts daran, meldet ekathimerini. Dabei weiß doch jeder, wie schwach diese Regierung bereits ist…

20.30 Uhr. Die deutschen Medien heizen den Streit nach Kräften an. „Euro-Rettung bindet Deutschland an einen Leichnam“, titelt Handelsblatt-online, das man spätestens nach dieser Zeile nicht mehr für ein seriöses Nachrichten-Portal halten kann. Ein CDU-Experte namens Willsch (schon mal gehört? der Mann kümmert sich um Haushaltsfragen) fürchtet wegen der Griechenland-Hilfe sogar den Untergang. Wie schön, dass wenigstens die Heimatfront steht…

Was man von einer Wirtschaftszeitung erwartet, meldet dagegen die leider todgeweihte FTD: Die Eurogruppen-Sitzung beunruhige die Investoren, meldet die Redaktion. Der Dax notierte schwächer, auch der Euro kommt unter Druck. Dabei hatten einige Spekulanten doch zuletzt griechische Staatsanleihen gekauft, weil sie auf Schäubles Plan zum Anleiherückkauf hofften. Wenn der Abend so weiter geht, droht morgen an den Finanzmärkten ein böses Erwachen.

21 Uhr. Wenn es stimmt, was Bloomberg meldet, muss die Not in der Eurogruppe schon sehr groß sein. Angeblich erwägt die EZB, griechische Staasanleihen im Wert von 10 bis 15 Mrd. Euro an Athen zurück zu verkaufen. Da sie an Wert verloren haben, käme dies einer indirekten Finanzhilfe gleich. Allerdings braucht die Regierung bis 2016 rund 32,6 Mrd. Euro, die EZB-Hilfe würde also kaum reichen. Berlin wird wohl auch noch ein wenig nachhelfen müssen…

21.30 Uhr. Nichts Neues. Die Nachrichtenagenturen wiederholen die alten Meldungen vom frühen Abend. In der Regel ist dies kein gutes Zeichen.

22 Uhr. Immer noch nichts.

https://twitter.com/27tournelle/status/273171318856380418

23 Uhr. Schweigen. Obwohl die Sitzung immer wieder unterbrochen wird, um die Experten rechnen zu lassen, scheint sich nichts zu bewegen. Offenbar stimmen die Zahlen immer noch nicht. Es handelt sich ohnehin nur um Projektionen und Planungen, die sich bisher immer als falsch erwiesen haben. Weil der Kapitalismus in Griechenland nicht funktionierte, müssen die Griechen jetzt mit einer neoliberalen Planwirtschaft leben. Geld gibt es darin nur, wenn die die Computer die gewünschten Ergebnisse ausspucken. Und auch dann nur unter harten Auflagen. Vielleicht wäre es besser, wenn auch diese Sitzung scheitert?

23.30 Uhr. Nun ist von einem möglichen Deal die Rede: die Schulden Griechenlands sollen demnach bis 2020 auf 124 Prozent der Wirtschaftsleistung gedrückt werden, was nicht mehr weit vom 120-Ziel des IWF entfernt wäre. Doch offenbar musste nicht nur der Währungsfonds, sondern auch die EZB noch von diesem Plan überzeugt werden. Denn ohne die Mithilfe der Zentralbank wäre wohl auch dieses bescheidene Ziel nicht zu erreichen.

Selbst wenn der Deal zustande käme, wie Reuters berichtet, wäre Griechenland noch lange nicht gerettet. Denn bisher haben sich noch alle Projektionen und Prognosen als falsch erwiesen – das 124-Prozent-Ziel dürfte davon keine Ausnahme machen. Es ist nicht viel mehr als ein absurdes Zahlenspiel, mit dem Rettung simuliert wird, während der Pleitegeier immer näher kommt und die Menschen am Boden schon langsam aber sicher krepieren…

Hiermit beende ich den Live-Blog für heute. Ich habe mehr und schneller berichtet als SPON, HaBla und wie sie alle heißen, das muss jetzt erstmal reichen…