Groteske Grexit-Debatte
Erst Lambsdorff, nun Malloch: Der Rauswurf Griechenlands aus dem Euro wird wieder hoffähig. Wobei es schon pikant ist, dass ein FDP-Politiker und der umstrittene designierte US-Botschafter ähnlich argumentieren.
Trump-Buddy Malloch prophezeit, dass Griechenland in einem oder anderthalb Jahren über den Austritt nachdenken muß. Lambsdorff fordert Athen auf, von sich aus schon jetzt die Reißleine zu ziehen.
So weit, so ähnlich. Im Detail gehen die beiden aber weit auseinander. Lambsdorff gibt der Linksregierung in Athen die Schuld an der neuen Krise, Malloch sieht das Problem vor allem in Deutschland.
Denn Finanzminister Schäuble ist nicht zu einem Schuldenschnitt bereit, wie ihn der IWF fordert. Gleichzeitig möchte er den IWF aber im Boot halten – wenn das nicht gelingt, soll der Grexit kommen.
Völlig grotesk wird diese gefährliche Debatte, wenn man den Ex-AfDler Henkel hört: Der Europaabgeordnete wirft Lambsdorff, dem Vizepräsidenten des Parlaments, “Populismus” vor!
Jetzt den Austritt Griechenlands zu fordern, ohne dafür einen gangbaren Weg für Deutschland und Griechenland aufzuzeigen, sei „ein ganz typisches Beispiel wohlfeiler FDP-Politik“.
Henkel fordert nicht nur den Grexit, sondern einen “gleichzeitigen großzügigen Schuldenschnitt auch zu Lasten Deutschlands.” Das tue kurzfristig weh, “dann ist die Kur aber vorbei und es geht in Europa wieder aufwärts.“
Na dann… ist der Wahlkampf eröffnet! Auf dieser “sachlichen” Basis kann es noch heiter werden…
Siehe auch “Turbulenzen in der Eurozone”
Susanne
9. Februar 2017 @ 08:11
@ P. Nemschak
Sicher kann die EZB abfedern. Ich sehe es allerdings als Fehler, andere Länder per “Strafe” auszubooten. Hier müssten andere diplomatische Lösungen gefunden werden.
Zunächst muss man die Funktionalität des Euro überprüfen. Diese hat m.E. vor der Ideologie zu stehen. Länder, welche unter dem Euro leiden, oder massive Vorteile verbuchen, müssen einen Ausgleich finden, wenn dieser Bestand haben soll. Mitgliedersländer empfinden die Teilnahme als Prestigeobjekt. Hier muss man m.E. schon eine Klärung hin zu einer Substanz finden, welche wirtschaftliche Belange in den Forderung stellen. “Scheitert der Euro, scheitert Europa” ist ausschließlich Ideologie/Prestige. Man muss den Euro sachlich betrachten, wenn man über die Zukunft entscheiden will.
Ein Ausgleich kann m.E. ein geregelter Austritt ohne Verlust des Ansehens eines Landes, eine ewige Transfergemeinschaft (wer will das als Steuerzahler/Schmalspurrenter/dumpinglöhner wirklich?), oder ein flexibles System mit Möglichkeit zur Ab-/Aufwertung sein. Man könnte das Experiment Euro zur Vertiefung der politischen Union auch als gescheitert einzustufen.
Die Eurofrage ist quälend. Ich hoffe sehr, dass man diese fair in Zusammenarbeit und rational lösen wird. Nachhaltigkeit kann man dem Euro nicht attestieren.
Peter Nemschak
9. Februar 2017 @ 09:00
Eine mögliche Antwort wäre eine “bedingte” Transferunion. Allerdings müssten die Staaten bereits sein, ihr Budget von der Kommission/Rat genehmigen zu lassen. Es ist fraglich, ob sie auf so viel nationale Souveränität verzichten wollen.
Peter Nemschak
8. Februar 2017 @ 16:56
@ebo Eine Marktpanik ließe sich durch flankierende Maßnahmen verhindern. Dazu gibt es eine EZB. Sie kann Euro-Liquidität, wenn erforderlich, unbegrenzt bereitstellen. Die Eurozone darf sich durch Staaten wie Griechenland und Italien nicht in Geiselhaft nehmen lassen. Es muss auch andere Optionen als eine Transferunion geben.
Susanne
8. Februar 2017 @ 15:15
siehe Artikel “Trumps Botschafter in Brüssel: Zukunft dieser EU ist unbestimmt” veröffentlicht in news.at
“Worin sehen Sie denn Brüssels größtes Scheitern?
Im Glauben an eine neofunktionale Philosophie, wonach wirtschaftlicher Zusammenschluss auch zu politischer Integration führen würde. Es war ja vollkommen klar, dass es für Europa Sinn machte, sich ökonomisch zu verbünden. Die Probleme begannen damit, eine gemeinsame Währung einzuführen und dann daran zu glauben, daraus könnte so etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa entstehen.
Das heißt, Sie sehen auch den Euro scheitern? In einem BBC-Interview gaben Sie ihm noch 18 Monate.
Dazu braucht es nicht mich, das sagt die Finanzpresse und jeder relevante Analyst. Sie alle kommen für die nächsten zwölf bis achtzehn Monate zum selben Schluss: Der Euro ist in Gefahr. Es gibt politische Ungewissheit, die Lage in Italien und anderen Staaten. Kein Investor empfiehlt derzeit, in den Euro reinzugehen.”
Lambsdorff fordert hier und heute den Austritt Griechenlands, wie es bei der letzten kommunizierten Euro-Krise viele, welche die Krise der eu begleiteten, auch taten. Er wiederholt sich. Ggf. soll das beruhigend auf Wählermassen wirken und auch von einer weiteren “Insolvenzverschleppung” ablenken. Wichtige Wahlen stehen in NL, Fr und D an.
Murdoch stellt die Funktionalität der Währung in Frage. Und hier fordert er nicht den Austritts von Griechenland. Er sieht die Möglichkeit eines freiwilligen Verlassens der Währungszone.
Auszug aus dem oben eingeführten Artikel:
Regarding a previous comment he had made to Bloomberg about Greece being better off outside the euro zone, Malloch reiterated his view: “If the [International Monetary Fund] will not participate in a new bailout that does not include substantial debt relief – and that’s what they are saying – then that more or less ensures a collision course with the euro zone creditors. Now we all know that primarily pressures Germany, which remains opposed to any such actions, so I think it suggests that Greece might have to sever ties and do Grexit and exit the euro.”
Regarding the consequences of a Grexit, the economist said: “The harsh austerity programs have been a complete failure. I have traveled to Greece, met lots of Greek people, I have academic friends in Greece and they say that these austerity plans are really deeply hurting the Greek people and that the situation is simply unsustainable. So you might have to ask the question if what comes next could possibly be worse than what’s happening now.”
Die eu steht vor ihrem alten Problem. Sie kann es nur durch einen Schuldenschnitt lösen. Wie will Schäuble übrigens ein “weiter so” ohne dem IWF durch das Parlament bringen? Welche Rolle kommt hier wieder der demokratisch nicht legitimierten euro-Gruppe zu? Schäubles Sprachrohr?
Zur Euro-Rettung kann man immer wieder nur feststellen: Der Plan, der keiner war.
Susanne
8. Februar 2017 @ 17:12
sorry für den Fehler….es heißt “Malloch stellt die Funktionalität …”.
Peter Nemschak
8. Februar 2017 @ 15:09
Ein Grexit, verbunden mit einem Schuldenschnitt wäre eine diskutierenswerte Variante. Ohne Schuldenschnitt würde ein Grexit zu einer Insolvenz des griechischen Staates führen, da die Euroschulden mit einer weiter sich abschwächenden Drachme nicht bedienbar wären. Dafür fehlen für die Eurozone derzeit der politische Wille und die rechtlichen Rahmenbedingungen. Eine entsprechende Reform des Euro mit geordneter Austrittsmöglichkeit und einer souveränen Insolvenzordnung wären geboten. Griechenland wird nicht der letzte zu bewältigende Fall bleiben. In den USA können Bundesstaaten pleite gehen, ohne dass die gemeinsame Währung Schaden nimmt. So weitermachen wie bisher und den Kopf in den Sand stecken wird nicht funktionieren.
ebo
8. Februar 2017 @ 15:15
Wieso wollen Sie Griechenland aus dem Euro werfen, wenn es doch die Troika ist, die sich nicht auf vernünftige Maßnahmen einigen kann? Der IWF fordert einen Schuldenschnitt, Schäuble fordert IWF-Beteiligung – also warum kein Schuldenschnitt im Euro? Und danach ein massives Investitionsprogramm, insbes. im Energiesektor, der Griechenland sein Leistungsbilanzdefizit beschert. Alles machbar, wenn man auf die IWF-Experten hört, die Deutschland doch angeblich so wichtig sind.
Peter Nemschak
8. Februar 2017 @ 15:39
Griechenland hat von Anfang an die Beitrittskriterien zum Euro nicht erfüllt. Warum sollte es jetzt anders werden? Was hat private Investoren daran gehindert in den griechischen Energiesektor zu investieren? Warum wollen Sie Griechenland unbedingt im Euro halten?
ebo
8. Februar 2017 @ 15:55
Weil sonst eine Marktpanik ausbricht, die zunächst Italien, dann Frankreich und schließlich die gesamte Eurozone erschüttern wird.
S.B.
8. Februar 2017 @ 16:34
Wenn es beim Austritt von GR eine Marktpanik gibt, dann liegt das nicht am Markt, sondern daran, dass der Austritt zum einen nicht professionell vorbereitet worden wäre (bei diesem Hühnerhaufen sehr wahrscheinlich) und die Euro-Zone ohnehin Angriffsfläche bietet, weil sie nicht funktioniert. Der “Markt” hat eine natürliche Korrekturfunktion bei Dysfunktionalitäten.
Peter Nemschak
9. Februar 2017 @ 08:43
Faktum ist, dass sich die griechische Regierung ziert, die Auflagen der Troika umzusetzen. Die Öffnung des Energiemarkts ist längst überfällig, ebenso Arbeitsmarkt- und Tarifreformen. Wer wie Griechenland auf die Unterstützung von Geldgebern angewiesen ist, welche das marktwirtschaftliche Prinzip hochhalten, kann nicht eine sozialistische Staatswirtschaft betreiben. Die Unterstützung von Tsipras im eigenen Land ist inzwischen stark geschrumpft.