Gipfel der Wut
Diesmal geht’s ums Ganze: Grexit, Brexit, das Flüchtlingsdrama und die Zukunft der Eurozone stehen auf der Agenda des EU-Gipfels. Lösungen sind keine zu erwarten, umso mehr Emotionen.
Schon der letzte reguläre EU-Gipfel stand unter keinen guten Vorzeichen. “Krise, Krieg, Kollaps” hatte ich meinen Post im März überschrieben.
Ganz ähnlich analysieren jetzt die Experten vom “Centre for European Reform” die Lage: Vier schwarze Reiter – Grexit, Brexit, Flüchtlingsdrama und Russland/Ukraine-Krise machen EUropa Angst.
In den letzten drei Monaten wurde kein einziges Problem gelöst, im Gegenteil: Sie haben sich alle verschärft. Doch nun kommt eine neue, gefährliche Komponente hinzu: die schiere Wut.
Hochspannung in der Eurogruppe
Die Eurogruppe ist wütend auf Griechenland, weil sie dreimal in einer Woche zusammen kam, ohne etwas in der Hand zu haben. Griechenland ist wütend auf die Troika, weil diese ihre Vorschläge in letzter Minute abwies.
Alle sind wütend auf die EU-Chefs, die nicht politisch führen, sondern den Grexit wie einen Verwaltungsakt händeln. Und die Chefs sind sauer auf Ratspräsident Tusk, weil dieser ihnen einen Sondergipfel bescherte.
Beachtliche Wut baut sich aber auch in der Flüchtlingspolitik auf. Da geht es nicht nur um Ungarn, das die Grenzen dicht macht. Es geht auch um UK, das sich der ganzen Debatte entzieht, gleichzeitig aber neue Sonderrechte fordert.
Beginnt der Zerfall EUropas?
Wütend sind aber auch Italien und Griechenland, weil sie immer noch vergeblich auf Solidarität der EU warten. Und die EU-Kommission, weil ihre Vorschläge für eine Quotenlösung versanden.
Die Spannungen sind so groß, dass “Pro Asyl” schon einen “Zerfall Europas” fürchtet. So weit ist es zwar noch nicht. Aber es könnte ein Gipfel der Wut werden…
winston
28. Juni 2015 @ 04:11
Die gleiche Inkompetenz, Ignoranz und Naivität vor allem im Makroökonomischen Gebiet, die Europas Politiker zeigten als der Euro eingeführt wurden, zeigen sie jetzt bei seiner Auflösung.
Völlige Unfähigkeit die Auflösung des Euros so durchzuführen, das er der kleinstmögliche Schaden verursacht.
Die Sozialen Zerwürfnisse die der Euro schaffen wird, werden Europa zerstören. (Nikolas Kaldor, 1971)
Renzo
28. Juni 2015 @ 18:47
1971 gab es aber noch gar keinen Euro (nicht mal den Begriff)…
Europa zerstören? Denke nicht, dass Europa zerstört wird.
Außerdem: Der Euro wird nicht aufgelöst…wie kommen Sie nur darauf?
So wichtig ist Griechenland nun auch nicht.
Den Untergang Europas wollen immer einige herbeiquatschen (ist aber eher
Wunschdenken).
Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird – und im Moment wird sehr heiß gekocht….
Was die Inkompetenz, Ignoranz und Naivität der EU-Politiker angeht, gebe ich Ihnen allerdings vollkommen recht.
Claus
25. Juni 2015 @ 12:41
Mein “Gipfel der Wut” als Traum: Griechenland erklärt seine Zahlungsunfähigkeit und verabschiedet sich aus der EU und dem Euro. Forderungen gegen Griechenland werden als uneinbringlich abgeschrieben, Bürgschaften fällig gestellt. Alle Unterstützer der Bankenrettung (korrigiere: Griechenland- oder Euro-Rettung) in Berlin und Brüssel übernehmen die Verantwortung für die Vernichtung eines gigantischen Volksvermögens und treten von allen Ämtern zurück.
Abschaffung des EU-Parlamentes mit seiner gesamten Bürokratie, Re-Installation der ursprünglichen EWG mit freiem Warenverkehr und ausschließlichen Koordinierungsfunktionen, soweit von Mitgliedsländern gewünscht. (Wieder)Herstellung der Souveränität der Mitgliedsländer über Währung, Rechtsprechung, Grenzen, Einwanderung, Kultur, Identität usw. – im Sinne eines „Europa der Vaterländer“, wie bereits oben postuliert.
Und eine Linke, Rechte oder wie auch immer positionierte griechische Regierung zeigt endlich, wie sie ohne Hilfe von außen zurechtkommt oder auch nicht.
Träumen darf man ja mal. Bis zum Wochenende sind wir in Griechenland wohl wieder „auf einem guten Weg“ und das Trauerspiel geht weiter, aus Solidarität, für die großartige friedenstiftende europäische Idee, für die sehr auskömmlichen privaten EU-Geschäftsmodelle der Schulzes, Junckers & Co., oder auch nur für Ruhe an der NATO-Südostflanke. Denn, wie schon Finanzminister Varoufakis im Januar sagte: „Was immer die Deutschen sagen – sie werden zahlen.“
Peter C.
26. Juni 2015 @ 11:01
Von den Ämtern zurücktreten reicht nicht, in den Knast gehören die “Euroretter”.
S.B.
25. Juni 2015 @ 10:42
“Beginnt der Zerfall EUropas?” – Was die EU betrifft: Hoffen wir auf ein baldiges Ende dieser rein auf Schulden aufbauenden Transferunion (das ist sie nämlich schon jetzt). Das Ende der Möglichkeit der Verschuldung, bedeutet auch das Ende dieses Schönwetterprojekts.
Was Europa betrifft: Es kann gar nicht zerfallen. Europa ist einfach da; ein Kontinent mit zig Staaten. Und nicht jeder Fortschritt im Sinne von politischen Entwicklungen zwischen Staaten ist sinnvoll. Die EU zählt klarerweise in diese Kategorie, wie sich jeden Tag immer deutlicher zeigt. Rückbesinnung ist hier angebracht, vielleicht im Sinne von Charles de Gaulle: “Wir brauchen ein Europa der wirtschaftlich geeinten, aber politisch souveränen Vaterländer”.
Zum Schluss: Wenn „Pro Asyl“ schon einen „Zerfall Europas“ fürchtet, dann kann die derzeitige Entwicklung nur gut sein. Derartige Organisationen stehen für eine unorganisierte, ungeordnete Einwanderung in bis dahin funktionierende (Sozial-) Systeme und zerstören diese. Dies ist weder im Interesse derjenigen, die mit ihren Zahlungen diese System am Leben erhalten, noch im Interesse der Zuwanderer, welche so nur kurzfristig davon profitieren können. Auch der reichlich aus dem Steuertopf gefütterte, riesige asyl-industrielle Komplex, dem Pro-Asyl eindeutig zuzuordnen ist, gehört wieder abgeschafft.
Nemschak
25. Juni 2015 @ 09:16
…. die Märkte rechnen offenbar mit einer Zwischenlösung für Griechenland. Was in einigen Monaten sein wird, weiß keiner und ist aus Sicht der Investoren zu weit weg. Die Frage, wohin sich die Zinsen entwickeln werden, beschäftigt die Märkte mehr als Griechenland. Ihr Verhalten war durchaus typisch: zuerst übertriebene Furcht, danach übertriebene Euphorie.
Marc
25. Juni 2015 @ 10:31
Ihr Verhalten war durchaus typisch: zuerst übertriebene Furcht, danach übertriebene Euphorie.
Aber eben nicht rational. Das nennt man auch manisch-depressiv und ist eine Krankheit.
Andres Müller
25. Juni 2015 @ 08:40
Vor diesem Hintergrund frage ich mich, warum sich an den Aktienmärkten bereits seit Montag eine euphorische Stimmung verbreitet, mit mehreren Prozenten Gewinn, zum Beispiel beim deutschen DAX waren es mehr als 3.5% . Die Probleme in der Eurozone wurden am Montag von der Politik nicht gelöst sondern nur verschoben, und es scheint als würden sich fast täglich neue Abgründe öffnen. Alte Probleme wie die hohe Dichte der Banken in Europa wurden nur temporär ausgebremst, hinter den Hilfen an Griechenland verbergen sich auch verschleppte schon seit vielen Jahren vorhandenen Probleme der ganzen Eurozone, wie etwa den massiven Ungleichgewichten zwischen Realwirtschaft und den noch immer viel zu hoch bezahlten und ungleich in Europa verteilten Finanzdienstleistern.