Gelungene Provokation

Frankreich verstößt gegen den Stabilitätspakt, Deutschland investiert zu wenig. Geraten beide Länder deshalb aneinander, oder finden sie einen Deal? Fest steht: Euroland braucht mehr Wachstum – ein Kommentar.

Ganz schön unverschämt, diese Franzosen: Statt brav ihr Budget zusammenzustreichen, wie es die Austeritätsapostel in Brüssel und Berlin verlangen, fordern sie nun auch noch Gegenleistungen.

50 Milliarden Euro soll Deutschland investieren, damit Frankreich dieselbe Summe einspart, verkündeten Finanzminister Sapin und Wirtschaftsminister Macron bei ihrem Besuch in der Hauptstadt.

Eine Zumutung sei das, schimpfen CDU und CSU. Schließlich habe sich Frankreich im Stabilitätspakt verpflichtet, das Budgetdefizit zurückzufahren – ohne Wenn und Aber.

Das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Denn der Pakt heißt vollständig Stabilitäts- und Wachstumspakt – und das Wachstum bereitet nicht nur Frankreich, sondern auch Deutschland Probleme.

Strenggenommen leidet die gesamte Eurozone unter dem Austeritätskurs, den Kanzlerin Merkel während der Eurokrise durchgeboxt hat.

Nur Deutschland könnte es sich noch leisten, gegenzusteuern und in Wachstum und Jobs zu investieren. Zufällig ist Deutschland auch das Land, in dem Investitionen dringend nötig wären.

So gesehen, macht der Vorstoß aus Paris durchaus Sinn.

Zwar kann es nicht darum gehen, Kürzungen in Frankreich eins zu eins gegen Investitionen in Deutschland aufzurechnen. Aber das haben Sapin und Macron auch gar nicht gemeint.

Ihnen geht es darum, dass Euroland dringend für Nachfrage sorgen muss. Ohne Investitionen und Konsum wird die Politik der Strukturreformen und der Budgetekonsolidierung, die Merkel verlangt, die Krise nur verlängern und verschärfen.

Das ist nicht unverschämt, das ist das kleine Einmaleins der Volkswirtschaft. Die Eurozone braucht endlich eine abgestimmte, auf Wachstum getrimmte Wirtschaftspolitik – und nicht nur eine auf Kürzungen fixierte Fiskalpolitik.

Paris hat die Debatte mit einer gezielten Provokation angestoßen – merci!

Dieser Kommentar erschien zuerst in der “taz”, das Original steht hier. Siehe auch den Gastbeitrag “Der Deal der Austeritäts-Apostel”