Zu viele Widersprüche

Beim letzten EU-Gipfel des Jahres blies Kanzlerin Merkel der Wind ins Gesicht. Nicht nur die üblichen Verdächtigen, sondern auch Italien und Gipfelchef Tusk machten Front gegen Merkels Politik. Sie werfen ihr Doppelmoral vor.

Was für ein Gipfelerlebnis: Um überhaupt noch den Ton anzugeben, musste Merkel auf die österreichische EU-Vertretung ausweichen, wo sie der Türkei alle Sünden vergab und Kanzler Faymann zum neuen Unterchef krönte.

Doch beim eigentlichen Ratstreffen blies ihr der Wind ins Gesicht. Gipfelchef Tusk verurteilte öffentlich die geplante zweite North Stream Pipeline, mit der Deutschland noch mehr Gas aus Russland importieren will.

Und Italiens Regierungschef Renzi prangerte die Doppelmoral der Kanzlerin an. Schließlich hatte sie mitgeholfen, die Süd-Pipeline South Stream nach Italien zu torpedieren.

Auch die geplante Bankenunion weicht Merkel auf – auf ausdrücklichen Wunsch von Spar- und Raiffeisenkassen, die sich partout nicht an der gemeinsamen Einlagensicherung beteiligen wollen.

Am Ende gaben Tusk und Renzi zwar klein bei, wie üblich. Ihre Kritik wurde aus dem Gipfelpapier gestrichen. Doch die Widersprüche des deutschen Europa bleiben, sie werden sogar immer größer:

  • Während North Stream an der EU vorbei weitergeplant wird, verdonnert Merkel alle 28 Staaten zur Verlängerung der Russland-Sanktionen. Nicht einmal eine Debatte beim EU-Gipfel war erwünscht.
  • Während Merkel all jenen mit Sanktionen drohen lässt, die nicht bei ihrer Flüchtlingspolitik mitmachen, bietet sie dem  Briten Cameron eine Vertragsänderung an – damit der auch noch EU-Bürger abwehren kann.
  • Während die Kanzlerin stolz auf die deutsche Allianz mit den Peschmerga-Kämpfern im Anti-Terror-Kampf verweist, sieht sie seelenruhig zu, wie ihr neuer Partner Türkei kurdische „Terroristen“ massakriert.

Natürlich sind diese Widersprüche auch Ausdruck der sich zuspitzenden Krise in Europas Nachbarschaft. Doch viele EU-Länder sehen darin vor allem eine deutsche Doppelmoral.

Wenn Merkel nicht aufpasst, könnte sie 2016 die Kontrolle verlieren…