Gegen Dijsselbloem

Die Eurogruppe soll künftig von einem Niederländer geführt werden. Nach Berlin und Brüssel habe auch Paris Zustimmung signalisiert, meldet das „Handelsblatt“.  Die Nominierung sei nur noch eine Formsache. Doch was qualifiziert den Newcomer Dijsselbloem für diesen strategisch wichtigen Führungsposten? Erschreckend wenig.

Jean-Claude Juncker will nicht mehr. Schon vor Monaten wollte der Luxemburger die Leitung der Eurogruppe abgeben. Neben seinen gesundheitlichen Problemen treibt Juncker offenbar die deutsche Dominanz und das miserable Handling der Griechenland-Krise um.

Finanzminister Schäuble wollte übernehmen, scheiterte jedoch am Einspruch Frankreichs. Sein französischer Amtskollege Moscovici holte sich als Retourkutsche ein Veto aus Berlin ein (siehe „Junckers bitteres Erbe“). Also musste ein Ersatzkandidat her. Doch woher nehmen?

Klare Kriterien für die Suche gibt es nicht. Ein „Programmland“, das unter den Rettungsschirm schlüpfen musste, scheide aus, hieß es in Brüssel. Also kamen Irland und Portugal nicht infrage – dabei sind Lissabon und Dublin angeblich Musterschüler.

Belgien wäre ok, stellt aber schon den Ratspräsidenten Van Rompuy. Ein Finne ginge auch, doch da ist bereits Währungskommissar Rehn. Außerdem bestand Berlin darauf, dass der nächste Eurogruppenchef aus einem Triple-A-Staat kommt, meldet das HaBla.

Und so verfiel man auf Dijsselbloem. Der ist zwar erst seit ein paar Monaten im Amt, aber er kommt aus den Niederlanden, die noch das Top-Rating haben. Die Betonung liegt auf noch. Denn angesichts der Wirtschaftskrise im Polderland dürfte dies schon bald verschwinden.

Die niederländische Zentralbank (DNB) erwartet  2013 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent.  Das Haushaltsdefizit werde 2013 und 2014 bei 3,5 Prozent desBruttoinlandsproduktes liegen, sagen die Zentralbanker voraus. Außerdem steht Den Haag wegen seiner wirtschaftlichen Schieflage unter Beobachtung der EU-Kommission (siehe „EU knöpft sich Niederlande vor“)

Doch das interessiert offenbar weder das „Handelsblatt“ noch die Bundesregierung. Viel wichtiger sei, dass Dijsselbloem „für einen strikten Sparkurs“ eintrete – und Sozialdemokrat ist, was die französischen Sozialisten beruhigen soll.

Aus meiner Sicht sind das schwache Argumente. Das Hauptproblem aber ist, dass die Niederlande mit Finnland und Deutschland seit Monaten einen Sonderweg in der Eurogruppe gehen – mit exklusiven Minigipfeln und geheimen Absprachen etwa gegen die Bankenunion.

Was passiert, wenn Den Haag das Defizitziel reißt?

Das elitäre Trio ist in keinem EU-Vertrag und in keinem Eurogruppen-Protokoll vorgesehen. Es legitimiert sich einzig und allein mit dem Triple-A der drei großen US-Ratingagenturen, also mit der Gunst der Märkte (siehe „Troika von S&Ps Gnaden“).

Was ist, wenn die Märkte den Niederlanden das Vertrauen entziehen? Dürfen Deutschland, Finnland und Holland weiter in der Eurogruppe kungeln, wenn Dijsselblum zum Gruppenchef ernannt wurde? Und was passiert, wenn Den Haag das Defizitziel reißt? Droht die Eurogruppe dann ihrem eigenen Vorsitzenden mit Sanktionen? Oder macht sie für ihren Chef eine Ausnahme?

Solange diese Fragen nicht beantwortet sind, spricht wenig für, aber viel gegen den Kandidaten…