Gefährliches Vakuum
Deutschland fordert Solidarität bei den Flüchtlingen, Frankreich im Kampf gegen den Terror. Doch die EU kann und will weder das eine noch das andere liefern. Es droht ein gefährliches Macht-Vakuum.
Scheitert die EU? Seit dem Beginn der Flüchtlingskrise ist diese Frage auf allen Lippen. Nach dem Terroranschlag von Paris, der ausgerechnet in der EU-Kapitale Brüssel vorbereitet wurde, ist sie noch akuter geworden.
Frankreich hat die EU-Staaten um Beistand gebeten – doch bisher kaum mehr als Treueschwüre bekommen. Selbst Deutschland, der engste Partner, bietet statt echter Solidarität nur einen “Service Minimum”.
Was ist da los? Will sich Deutschland nicht in ein militärisches Abenteuer ziehen lassen? Oder gönnt Kanzlerin Merkel Präsident Hollande nicht die neue Führungsrolle, die er im Kampf gegen den Terror anstrebt?
Merkel ist selbst Bittstellerin geworden
Wittert Berlin gar die Chance, Frankreich nach dem wirtschaftlichen Niedergang nun auch noch militärisch scheitern zu lassen, wie böse Zungen behaupten? Wahrscheinlich ist die Antwort viel einfacher.
Deutschland ist mit sich selbst beschäftigt – und mit den Flüchtlingen. Und da es Berlin eben doch nicht mehr allein “schafft”, ist Merkel zur Bittstellerin geworden – sie braucht dringend EU-Hilfe.
Wir hätten es also mit zwei Bittstellern zu tun – Merkel wegen der Flüchtlinge, Hollande wegen des Terrors. Doch die EU kann und will nicht liefern, sie ist in ihren eigenen Widersprüchen gefangen.
Die Frage lautet nicht mehr, ob die EU scheitert
Ein halbes Dutzend Flüchtlingsgipfel haben ebenso wenig gebracht wie diverse Krisentreffen der Innenminister. Auch das neue Meeting zum Terror am Freitag dürfte da keine Ausnahme machen.
Viel mehr als ein neuer Aufguss alter Forderungen und längst beschlossener Maßnahmen ist nicht zu erwarten. Von der “politischen Kommission” unter Juncker kommt auch kein neuer Impuls.
Wenn das so weitergeht, droht ein gefährliches politisches Vakuum. Die Frage lautet nicht mehr, ob die EU scheitert – sondern, ob sie sich vom Scheitern der letzten Wochen noch erholen kann…
winston
20. November 2015 @ 10:11
Ich Frage mich was in der EU eigentlich gespielt wird und wo der Krieg eigentlich stattfindet.
Ok Frankreich befindet sich im Krieg gegen IS, was ist IS, IS ist eine Terroreinheit, Ihre Kämpfer bestehen aus unterschiedlichen Nationen. IS kann überall operieren auch in Frankreich. Aber gut Frankreich ist jetzt im Krieg und Krieg kostet Geld und deshalb hat Frankreich die Hirnrissige Defizit Obergrenze und den noch viel hirnrissiger Fiskal Pakt definitiv ad acta gelegt, eigentlich hat sich Frankreich schon immer ob der Defizit Obergrenze und dem Fiskal Pakt foutiert, mit recht. In einer Rezession/Depression kann man keine Schulden abbauen, das gab’s noch nie in der modernen Wirtschaftsgeschichte und wird auch in Zukunft nie passieren, die Staatschulden steigen und nehmen nicht ab, logischer weise. im Gegensatz zu den Italiener, die sich seit 2012 penibel an die Defizit Obergrenze hält und das in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Gründung Italiens mit desaströsen Volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Es gibt auch ein ganz klarer Grund wieso NUR für Staatsschulden eine Obergrenze eingeführt wurde und nicht auch für PRIVATSCHULDEN.
Nein der Krieg findet nicht in Syrien statt, der Krieg findet in der EU und hauptsächlich in der Euro-Zone zwischen Frankreich und Deutschland über die Vorherrschaft in der EU oder besser Euro-Zone statt. Und das Werkzeug für diesen Machtkampf ist der Euro. Das die anderen Euro-Zone Länder dieses Spiel überhaupt mitmachen, dafür gibt’s nur 2 Begründungen, a) Totale Makroökonomische Inkompetenz oder b) die Regierungen sind hochgradig kriminell und korrupt. Gemäss Zitat des ehem. Italienischen Ministerpräsiden Letta: “Ja zum Euro, sterben für Maastricht” tendiere ich klar für b. Für solche Menschen gibt’s nur eins, ein Nürnberger Kriegstribunal, da ich kein Gutmensch bin ich für radikalere Lösungen. Tsipras ist kein deut besser.
Und jetzt noch was zur blödsinnigen These Deutschland sei der Hegemon und die Lokomotive Europas.
Eine Volkswirtschaft das derart vom Export abhängig ist wie Deutschland kann niemals eine Lokomotive sein, denn sie ist vom Konsumverhalten und Warenimport des Auslands abhängig, hauptsächlich von den Europäischen Partner aber auch von den USA. Deutschland hat ein Handelsüberschuss ggü. Frankreich von über 30 Mrd, ggü. den USA von mittlerweile über 50 Mrd. ggü. UK von über 20 Mrd. Frankreich allein sichert durch ihr Warenimport von Deutschland Millionen von Arbeitsstellen in Deutschland. Ok bis Friede, Freude, Eierkuchen herrscht kein Problem, sollten aber aus unerklärlichen Gründen Spannungen zwischen Deutschland und obigen 3 Länder auftreten ist ganz schnell Schluss mit Friede, Freude, Eierkuchen, dann wird man sehen wer von wem abhängig ist, die Hegemonfrage stellt sich dann nicht mehr und wer denkt Deutschland sei das einzige Land das Autos und Maschinen oder sonstiges Herstellen kann lebt im “Land of Oz”. Wenn es so weiter geht halte ich so eine Entwicklung durchaus für möglich.
Frankreich und eigentlich sämtliche Euro-Länder können mit Deutschland nicht konkurrieren und das wird auch so bleiben bis zum Euro-Break-Up. Das heisst allerdings nicht das Deutschland in Europa der Hegemon ist, das ist es nicht, den es ist von seinen Partner abhängig. Mit anderen Worten die aktuelle Stärke der Deutschen Wirtschaft ist massgeblich von der EU abhängig und im speziellen von der Euro-Zone. Die Target Problematik lassen wir mal aussen vor.
Claus
19. November 2015 @ 20:17
@ebo: Dass die Golfstaaten eine Schlüsselrolle spielen ist evident, und dass sie sich wegen befürchteter Destabilisierung ihrer Staaten weigern, selbst Flüchtlinge aufzunehmen, dafür aber mit ihren Petro-Dollars, die wir dort abliefern, 200 Moscheen in Deutschland bauen wollen, schließt den Kreis ihres perfiden Verhaltens. Apropos Sanktionen gegen Saudi-Arabien, Katar & Co. Wie sollen die denn bei den nicht unerheblichen Beteiligungen und Mitspracherechten an europäischen Schlüsselunternehmen aussehen? Oder sollen wir in den Golfstaaten kein Öl mehr kaufen? Könnte eng werden!
Und zum Kampf gegen den IS: Der Terror in Paris wurde in seiner physischen Ausführung im Wesentlichen nicht aus Syrien, sondern aus den Vorstädten europäischer Städte gespeist, aus ethnisch-ideologischen Parallelmilieus, die sich dort in den letzten 50 Jahren mit Unterstützung von Regierungen mit einem naiven, feigen Toleranzverständnis haben bilden und ausbreiten können. Das heißt: Der Terror lebt bereits in unseren Städten! Welche Antwort gibt es dafür? Etwa noch mehr Mittel für „Integration“ und Zuneigung, wie jetzt zur Prophylaxe weiteren Terrors heftig propagiert wird? Ist das in diesem Milieu überhaupt gewünscht, oder hält man sich lieber an den Koran und seinem erheblichen Problem im Umgang mit Andersgläubigen? Wäre der politische Wille vorhanden, könnte h i e r sofort und effizient angesetzt werden.
OXIgen
19. November 2015 @ 21:07
@ Claus
Gut auf den Punkt gebracht! Der Fluch des Kolonialismus und der rigorosen Ausbeutung wurde Jahrzehnte lang unter den Teppich gekehrt und mit einer Pseudo-Toleranz fest getreten. Das (noch immer) herrschende europäische Christentum wollte sich schließlich keine Intoleranz nachsagen lassen. Für angebliche Weltoffenheit und Globalisierung – vor allem der des Kapitals – sah man und sieht man eben an der Realität vorbei.
Peter Nemschak
19. November 2015 @ 22:02
Dass der Kolonialismus strukturell in Afrika und dem Mittleren Osten nachwirkt, soll nicht bestritten werden. Eine Schuldumkehr wäre allerdings verfehlt. hier geht es darum, europäische Lebensart und Demokratieverständnis zu verteidigen. Erstaunlich, dass Europa so unkoordiniert vorgeht, selbst in so offenkundigen Dingen, wie der Vernetzung von Informationen über Islamisten. An der Verfügbarkeit von entsprechender Technologie kann es wohl nicht scheitern, eher an nationalen Eifersüchteleien. Der europäischen Gemeinschaft fehlt es an Selbstbewusstsein und Mut zur Herrschaft.
Johannes
19. November 2015 @ 18:35
Ich erkenne den Sinn der EU an, ich finde ihn gut, aber ich muss mich von der EU abwenden, um die EU zu retten.
Höre ich “denen” da von Brüssel, SPD, CDU, Grüne weiter zu und wählen die auch noch, ist die EU gescheitert und Europäische Frieden massiv in Gefahr.
Wähle ich AfD, wird die EU nicht scheitern, weil dann unsere EU-Euro-Lügner aus dem Bundestag unter Druck stehen und GUTES mit der EU erreichen müssen.
Wer weiter CDU, SPD, Grüne wählt, hat sich gegen die EU entschieden.
PS: Frankreich soll klar sagen, was es jetzt von den anderen Ländern will, Milltärhilfe, Geld, Eurogestze brechen dürfen (ach ja das ist ja schon beschlossen worden), Frankreich macht den Mund nicht auf.
Pique Dame
19. November 2015 @ 17:17
Irre ich mich oder höre ich da seit ein paar Tagen heraus, dass Sie, lieber Eric Bonse, eine deutsche Beteiligung am Syrienkrieg wünschen?
Haben wir hier nicht den gleichen Fall wie 2001? Man hatte es mit Saudis zu tun und hat Afghanistan und Irak bekriegt. Nun haben wir es mit Franzosen und Belgiern zu tun, das soll einen Krieg in Syrien rechtfertigen? Der noch nicht mal völkerrechtlich abgesichert ist? Liegen denn Beweise vor, dass alles von Syrien aus gesteuert war?
Das mit dem Vakuum sehe ich auch, aber nicht erst seit Paris. Ich sehe schon lange keine EU mehr, die hat imho Merkel mit ihrer Griechenlandpolitik zerstört. Und in Sachen Flüchtlingen hat sie ihre Position in Europa wohl überschätzt. Hollande kann die Führungsrolle in EU nicht übernehmen, da er ein Schwächling ist, der sich ab und an mal aufplustert. Das wird nix mehr.
ebo
19. November 2015 @ 17:25
Nein, ich wünsche mir allerdings deutlich mehr deutsche Anstrengungen. Meinetwegen auch Sanktionen gegen Saudi-Arabien, Katar oder – bei weiter unkooperativem Verhalten – die Türkei. Was in Russland möglich war, sollte doch wohl auch jetzt möglich sein?
Übrigens fordert die EU-Solidaritätsklausel die Mitgliedstaaten auf, “alles in ihrer Macht” stehende zu tun. Das kann man von Deutschland nun bisher wirklich nicht behaupten. Von der Leyen wusste bis vor kurzem nicht einmal, dass es diese Klausel überhaupt gibt…
OXIgen
19. November 2015 @ 20:51
@ebo
Sanktionen gegen die besten Waffen-Kunden? Und das ohne ausdrücklichen Befehl aus Washington? Träumst du?
Der EU-Artikel 42 ist im übrigen nicht wirklich bindend, sondern eher ein Wunschkonzert. Merkel wird da garantiert nicht mit flöten, denn für sie ist Solidarität eine Einbahnstraße.
ebo
19. November 2015 @ 20:57
Das sehe ich anders. Merkel braucht Hollande wieder, vor allem in der Flüchtlingskrise, aber auch bei Griechenland. Nicht zufällig sind beide zusammen in Straßburg aufgetreten. Hollande braucht aber auch Merkel. Wenn sie ihn in dieser Lage abspeist, steht morgen Le Pen vor der Tür.
OXIgen
19. November 2015 @ 20:42
@Pique Dame,
diese Fragen wollte ich auch schon stellen, weil mir ebo’s letzte posts nicht mehr schlüssig erschienen.
Sie sehen das richtig: die EU ist durch Merkel und ihre Vasallen bereits seit Jahren zerstört. Hollande ist im Grunde eine quantité négligeable, er hatte sich schon wenige Tage nach seiner Wahl selber demontiert (z.B. Fiskalpakt). Seither bläst er sich am liebsten als Kriegsherr auf, um von seinem jämmerlichen innenpolitischen Versagen abzulenken. Vor allem, seit ihm Le Pen mächtig auf den Fersen ist. Das wird in der Tat nix mehr mit ihm.
Johannes
20. November 2015 @ 19:08
“…. die EU ist durch Merkel und ihre Vasallen bereits seit Jahren zerstört.”
Es waren SPD/Grüne und Schröder, die den Grundstein für die heutige Eurokrise gelegt haben. Merkel ist die Dumme, die die Sch… der anderen “aufräumen” muss.
“Hollande ist im Grunde eine quantité négligeable, er hatte sich schon wenige Tage nach seiner Wahl selber demontiert (z.B. Fiskalpakt) …”
Niemand hält sich an den Fiskalpakt, als Schwäche würde ich das daher nicht sehen, eher als Stärke. Hollande braucht sich nicht um den Parkt kümmern, das war doch nur eine Beruhigungspille für deutsche Wähler damit weiter uns die Schulden der anderen Länder aufzwingen oder aufs Auge drücken kann.
Wäre ja schön, wenn die Eurozone sich wirklich an den Fiskalpakt halten würde.
Peter Nemschak
20. November 2015 @ 05:31
@Pique Dame Ob der Anschlag von Syrien gesteuert wurde oder nicht, ist irrelevant. Es geht darum, den IS vor Ort auszulöschen und auf politischem Weg eine Verhandlungslösung für Syrien herbeizuführen. Das entzieht zumindest den Sympathisanten in Europa die logistische und politische Unterstützung durch das Bürgerkriegsregime vor Ort, das auch die Flüchtlingswelle ausgelöst hat. Selbstverständlich sind Einzelmaßnahmen unzureichend bei einer so komplexen Situation. Nur: die Koordination innerhalb der europäischen Staaten ist, wie ebo ausführte, erbärmlich schlecht und keineswegs der Glaubwürdigkeit der EU als Ganzes dienlich. Dadurch können die EU-Mitglieder von den anderen Mächten leicht gegeneinander ausgespielt werden. Aus nationaler und innenpolitischer Sicht ist die Zurückhaltung Deutschlands verständlich. Man hält sich, während andere ihr Pulver verschießen, für die Zukunft Optionen offen – aus EU-Sicht bedauerlich. Die EU ist eben kein Nationalstaat.
Martin
19. November 2015 @ 16:55
We’ve got France bombing Syria and not taking in any refugees, and Germany taking refugees and staying put. While the rest of Europe looks on.
And I’ve got to explain this to my kids.
ebo
19. November 2015 @ 16:59
France is taking in about 30.000 refugees, obeying to the EU rule. But I agree: This, too, is “service minimum” – https://euobserver.com/migration/131175
Cottin
19. November 2015 @ 17:44
Ebo, dass doch Alles ein gescheiterter Haufen in Brüssel.
ebo
19. November 2015 @ 17:59
So würde ich das nicht sagen. Mein Post dreht sich ja vor allem um Merkel und Hollande, nicht um Juncker oder Tusk. Merkel war bis vor kurzem die große Chefin, nun muss sie wg. der Flüchtlinge um Hilfe betteln. Hollande beruft sich auf die Beistandsklausel, die noch nie angewandt wurde. Das Problem ist, dass sich beide nicht gegenseitig stützen, sondern auf völlig verschiedenen Baustellen unterwegs sind. Dummerweise geht es da ums Ganze…