Gefährliche Wendung
Der Schuldenstreit um Griechenland eskaliert. Mittlerweile liefern sich alle Beteiligten – mit der löblichen Ausnahme von Kanzlerin Merkel – einen Krieg der Worte. Er lässt Böses ahnen.
Noch vor kurzem waren Premier Tsipras und Kommissionschef Juncker ziemlich beste Freunde. Neuerdings reden sie übereinander wie über erbitterte Feinde. Hier ein Zitat von Juncker:
“I don’t care about the Greek government, I do care about the Greek people,” he said noting that many “are suffering more than others in the European Union” from efforts to reduce debts.
Und hier ein Zitat von Tsipras, das man sicher nicht nur in Brüssel mit besonderer Aufmerksamkeit lesen wird:
Der IWF trage eine “kriminelle Verantwortung für die heutige Lage”. Es sei an der Zeit, dass die IWF-Vorschläge zur Lösung des Schuldenstreits “nicht nur von uns, sondern vor allem von Europa beurteilt werden.”
Beide Äußerungen sind nicht geeignet, die Lage zu beruhigen – auch wenn Juncker und Tsipras immer noch Gesprächskanäle offen halten. Ich entnehme ihnen zwei Kernbotschaften:
1. Juncker beginnt, genau wie die Bundesregierung, über Griechenland ohne Regierung nachzudenken. Offenbar werden “Notfall”-Pläne für eine Zeit ohne bzw. nach Tsipras geschmiedet.
2. Tsipras beginnt, genau wie sein Finanzminister Varoufakis, über die Zeit nach dem IWF nachzudenken. Offenbar legen es beide darauf an, den Währungsfonds aus der Troika herauszuekeln.
Mit diesen Gedankenspielen offenbaren beide Seiten jedoch, dass sie ihr Gegenüber nicht mehr respektieren oder sogar am liebsten ein für allemal loswerden wollen.
Exit statt Grexit?
Juncker überschreitet sogar eindeutig sein Mandat, denn er ist Dienstleister der EU-Staaten und hat keinerlei Recht, sich über eine demokratisch gewählte Regierung hinwegzusetzen.
Kurz: der Schuldenstreit hat eine gefährliche Wendung genommen – vor allem für Athen. Tsipras und Varoufakis müssen aufpassen, dass sie nicht kalt lächelnd beiseite geschoben werden.
Exit für Tsipras statt Grexit – es wäre nicht das erste Mal, dass die “Euroretter” zu so einer Massnahme greifen…
GS
20. Juni 2015 @ 20:12
Hier ist übrigens mal der Bericht des “Truth Committee” des griechischen Parlaments zu den Ursachen der griechischen Schulden: http://debt-truth.gr/wp-content/uploads/2015/06/Report-3.pdf
Da stehen schon ein paar witzige Sachen drin. Nicht die Ausgaben seien bis 2008 exzessiv hoch gewesen, sondern der Schuldendienst. Aha. Wie wäre es mal darüber nachzudenken, warum der Schuldendienst für GR so teuer war?
winston
20. Juni 2015 @ 17:48
https://twitter.com/hashtag/EndAusterityNow?src=hash
winston
20. Juni 2015 @ 17:46
Grosse anti-Austeritätsdemos in ganz UK.
http://www.bbc.com/news/uk-politics-33210014?ocid=socialflow_twitter
winston
18. Juni 2015 @ 17:23
Tsipras: wife will leave if I surrender to Europe
http://www.thetimes.co.uk/tto/news/world/europe/article4472733.ece
Nemschak
18. Juni 2015 @ 18:48
Ob Herr Merkel seine Frau verlässt, wenn sie den Griechen zu viele Zugeständnisse macht? Privat und öffentlich zu trennen wirkt in der Politik sympathisch und erhöht die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen. Leider hat in diesem Punkt auch in Europa eine gewisse Amerikanisierung um sich gegriffen. Ich frage mich, ob im Fall Tsipras der Haushund – wenn es einen solchen geben sollte – mit ihr mitgehen oder bei ihm bleiben würde. Eine Forschungsfrage für den Boulevard.
Freiberufler
17. Juni 2015 @ 09:34
Also eines ist mal klar: Wenn Tsipras umfällt, lässt man ihn so lange kürzen, bis er weg ist.
Das Medienorchester intoniert: Der Grieche als faules Ei unter lauter Einserschülern in der Euroklasse. Raus mit ihm! Der passt nicht uns uns!
Das einzige wirkliche Problem ist, dass ein Graccident Washingtons geopolitische Kreise mehr als empfindlich stören würde.