Gaskrieg? Das reicht nicht!
Die EU-Vermittlung im Gasstreit Ukraine-Russland ist gescheitert. Doch Brüssel tut so, als sei nichts passiert. Die Gasversorgung sei nicht gefährdet, behauptet Energiekommissar Oettinger. Derweil spitzt sich die Lage an einer anderen Front wieder zu. Manch einer träumt vom Handelskrieg.
Gaskrieg, welcher Gaskrieg? Zu Details schweigt sich Brüssel aus. Nicht einmal zur Frage, wer an der verfahrenen Lage schuld sei, will sich die EU-Kommission äußern. Sie ist auch in einer verzwickten Lage:
Einerseits stützt Brüssel die prowestliche Regierung in Kiew mit Milliardenhilfen. Andererseits sind viele EU-Länder von dem Gas abhängig, das durch die Ukraine aus Russland gen Westen fliesst.
Sollte Kiew Gas für eigene Zwecke abzwacken, könnte dies zu Engpässen führen. Bei der letzten Gaskrise 2009 war genau das passiert. Allerdings hat die EU seitdem ein Frühwarnsystem eingerichtet.
Außerdem wurden die Speicher verbessert und einige Pipelines so umgerüstet, dass das Gas in beide Richtungen fließen kann. Bei einer Umkehr könnte es sogar aus der Slowakei zurück in die Ukraine strömen.
Allerdings hat sich Russlands Gazprom gegen diesen Plan gewandt und mit Sanktionen gedroht. Auch in dieser Streitfrage hielt sich die EU bedeckt. In welche Richtung das Gas fließe, sei Sache der Gasversorger.
Außerdem gebe es keinen Zeitdruck, da die Gasspeicher gut gefüllt seien. Erst im Winter könnte es eng werden. Bis dahin werde man schon eine Lösung finden, gibt sich Oettinger optimistisch.
Doch solange die EU die Regierung in Kiew vorbehaltlos stützt, dürfte diese kaum von ihrer kompromisslosen Haltung abrücken. Schon gar nicht, wenn Brüssel zugleich Sanktionen gegen Moskau vorbereitet.
Doch genau das passiert derzeit. Die Kommission gibt zwar keine Auskunft, doch offenbar bereitet sie sich weiter auf “Phase 3” – den Handelskrieg vor. Auch Berlin stellt sich darauf ein.
Der CDU-Politiker Schockenhoff will “Stufe 3” ebenso wie die Grünen-Politikerin Harms, meldet “Reuters”. Beim EU-Gipfel Ende Juni müssten endlich Entscheidungen fallen, so Harms. Wirklich?
Eigentlich sind da doch Beschlüsse zu Juncker und zur nächsten EU-Kommission geplant. Aber die Konfrontation mit Russland ist aus Sicht mancher Schwarz-Grüner wohl wichtiger…
Siehe auch “Alles fürs Protektorat Ost” und “Logik des Handelskriegs”
Peter Nemschak
17. Juni 2014 @ 14:46
@ebo Die Vorbereitung von Sanktionen dürfte eher eine Drohkulisse sein. Mit Ausnahme von ein paar Scharfmachern ohne Regierungsverantwortung sehe ich, ceteris paribus, die Wahrscheinlichkeit von weiteren Sanktionen als eher unwahrscheinlich. Auch die Ukraine wird sich im Eigeninteresse letztlich hüten den Bogen zu überspannen. Wenn es um Einfluss und viel Geld geht, bleibt eben kein Auge trocken.
ebo
17. Juni 2014 @ 15:04
Hoffentlich behalten Sie recht. Heute hat AM Steinmeier gesagt, die Sanktionen würden zum Thema beim EU-Gipfel nächste Woche…
theresatheune@web.de
17. Juni 2014 @ 13:14
Kleine Ergänzung: Sollte es in der Ukraine selbst gar keine nennenswerten Gasvorkommen geben, ist es möglicherweise für Fracking interessant. Zivilgesellschaftliche Strukturen sind zur Zeit anderweitig gebunden, die Besiedlungsdichte ist gering und Arbeitsplätze sind sicher ein echtes Argument. Hm?
theresatheune@web.de
17. Juni 2014 @ 13:02
Mir ist die Rolle von US-Interessen in dieser ganzen Ukraine/ Gas-Geschichte völlig unklar. Was machen den Hunter Biden und Devon Archer, Freund von John Kerry und eigentlich im Vorstand ukrainischer Gasunternehmen, Vorstandvorsitzender ist der amerikanischen Investmentbankers Apter. Wiso holt der sich die Söhne des politischen Establishments der USA dazu?
Hier einige Zitate aus einem Artikel in der Jungen Welt (ja, ja, ich weiß, sonst findet man aber nix dazu): http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Ukraine1/oel.html
“Dem Direktorium von Burisma (ukrainische Gasfirma) gehört nicht ein einziger Ukrainer an”
“Dieses … könnte vorwegnehmen, was sämtlichen Filetstücken der ukrainischen Wirtschaft unter der falschen Flagge der »Souveränität« bevorsteht.”
“Apter (US-amerikanischer Investmentbanker) hat auch Aleksander Kwasniewski ins Burisma-Direktorium geholt, der von 1995 bis 2005 Präsident Polens war. Der 59jährige, der sein Land in die NATO und in die EU geführt hatte, war im vorigen Jahr Chefunterhändler der Union gegenüber Kiew. Er trug maßgeblich dazu bei, die Verhandlungen gegen die Wand zu fahren und damit die Maidan-Bewegung anzuheizen. ”
“Allerdings ist die – bisher zwar geringe, aber prinzipiell entwicklungsfähige – Gasförderung der Ukraine zu 90 Prozent in staatlicher Hand. Das soll sich künftig höchstwahrscheinlich entscheidend ändern.”
Und: “Das Asow-Kuban-Becken im Süden ist nach dem Anschluß der Krim an Rußland für Kiew weitgehend verloren, und was aus dem Dnipro-Donez-Becken im Nordosten wird, ist wegen der dortigen Unabhängigkeitsbewegung derzeit völlig ungewiß. ”
Und warum wird all das nur von der Jungen Welt rezipiert?
Weiß jemand mehr?
Habnix
17. Juni 2014 @ 10:14
Die Gasversorgung betrifft angeblich auch die Gaskraftwerke und die Strompreise wovon auch unsere Regierung Prozentual profitiert, sollen dewegen sich wieder erhöhen und ein Schlem der an die Entschuldung der Staatskasse denkt zu gunsten der Banken/Finanzkrise.
m.sastre
17. Juni 2014 @ 10:12
Herr Nemschak,
“Je länger dieser Zustand dauert, desto eher wird sich Westeuropa nach Alternativen zum russischen Gas umsehen”
Der Wille zur Abkehr vom russischen Gas mag unzweifelhaft vorhanden sein, nur fehlt die praktische Möglichkeit hierzu. Daran ändert auch der zeitliche Verlauf nichts! Woher sollte es auch kommen. Die Gas-Förderung in den USA mittels Fracking überschreitet gerade ihren Peak und es gibt nicht im Ansatz ausreichende LNG-Transportkapazitäten. Die Lieferung von eben diesem Flüssiggas aus dem nahen Osten mag zwar im Sinne Katars und des Iran sein, kostenmäßig wären wir dann aber deutlich schlechter gestellt als heute. Und auch hier gilt, daß die hierfür zwingend notwendigen Importterminals erst in vielen Jahren zur Verfügung stehen könnten.
Das russische Gas kann also (leider) auf absehbare Zeit nicht ersetzt werden und ich warne davor, in Anbetracht unserer Abhängigkeit, hier unabsehbare Abenteuer einzugehen.
Peter Nemschak
17. Juni 2014 @ 12:05
Genau deshalb wird sich der Gasstreit nicht ewig hinziehen. Keiner Seite ist damit gedient. Ich meinte andere Energieträger als Gas.
ebo
17. Juni 2014 @ 12:24
Der Clou ist ja, dass man EINERSEITS behauptet, der Gasstreit habe keine Konsequenzen für Europa ANDERERSEITS neue Sanktionen vorbereitet, von denen man fürchtet, Russland könne mit Restriktionen im Gassektor antworten. Und DESHALB sieht man sich nun nach Alternativen um. Man schafft sich das Problem also selbst … – und das zugunsten eines “failed state” namens Ukraine!
Peter Nemschak
17. Juni 2014 @ 07:59
An einem in die Länge gezogenen Gaskonflikt kann keine Seite Interesse haben. Je länger dieser Zustand dauert, desto eher wird sich Westeuropa nach Alternativen zum russischen Gas umsehen, was nicht im Interesse Russlands sein kann. Nur Illusionisten haben erwartet, dass sich der Gaskonflikt sofort in Wohlgefallen auflösen wird. Die Unruhen im Osten werden wohl noch länger die Politik beschäftigen.
Claus
17. Juni 2014 @ 07:20
Die Niebelungen treue mit den USA, wird nicht angetastet. Egal ob sich das negativ auf die Gasversorgung oder die Arbeitsplaetze auswirkt. Hier wird keine Politik im Sinne der Bürger gemacht.