“Fundamentals first”
Die Bundestagswahl ist vorbei, nun darf auch die EU-Erweiterung weiter gehen. Gestern waren gleich zwei Regierungschefs von Beitrittsländern zu Besuch in Brüssel – Erdogan aus der Türkei und Dacic aus Serbien. Es war sehr lehrreich – vor allem, was die europäischen Grundwerte betrifft.
Die EU-Erweiterung ist alles andere als populär. Der “Big Bang” 2004 hat die EU geschwächt, der Beitritt Bulgariens und Rumäniens 2007 war verfrüht, die Aufnahme Kroatiens im letzten Jahr ein Flop.
Daraus haben die EU-Chefs zwei Konsequenzen gezogen. Zum einen versuchen sie, zu verschleiern. So durfte der Start der Verhandlungen mit Serbien nicht vor der Bundestagswahl beschlossen werden.
Berlin war dagegen – es hätte Merkel ja ein paar Stimmen kosten können. Die Serben mussten warten, bis die Deutschen gewählt hatten. Eine gelebte Demokratie wie sie im Buche steht.
Zum anderen übt sich die EU in neuer, wohlklingender Rhetorik. Die Kandidaten würden auf Herz und Nieren geprüft, die Kriterien seien strenger als früher.
“Fundamentals first” heißt das Motto von Erweiterungkommissar Fühle.
Das soll heißen, dass die europäischen Grundwerte – Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit – obenan stehen. Ohne sie geht gar nichts, versprechen die Eurokraten in Brüssel.
Doch das sind leere Worte, wie der Besuch des türkischen Premiers Erdogan zeigte. Er hat erst die Bürgerrechtsbewegung und die Medien, dann Justiz und Polizei an die Leine gelegt.
Zwei massive Wellen der Repression sind durch das Land gerollt, im Sommer 2013 und gerade erst im Dezember. Und was macht EU-Kommisssionschef Barroso? Er lobt die “Annäherung” an Europa.
Zwar habe er eine “andere Analyse” der Ereignisse in der Türkei, so Barroso. Er mahnte Erdogan auch, die Grundrechte einzuhalten. Doch von einer Unterbrechung der Beitrittsgespräche war keine Rede.
Auch die Öffnung der Artikel 23 und 24, die sich um Justiz, Rechtsstaat und Gewaltenteilung drehen, war kein Thema. Dabei ginge es da ans Eingemachte – neun Jahre nach dem Start der Verhandlungen.
Fundamentals first? Im Falle Türkei heißt es wohl eher: Grundwerte zuletzt. Wenn es dann mal nicht zu spät ist…
Siehe zu diesem Thema auch: “Das Imperium muss wachsen”
fufu
23. Januar 2014 @ 21:35
sollte natuerlich Sibel Edmonds heissen, hier der link
http://www.boilingfrogspost.com/2014/01/18/turkish-pm-erdogan-the-speedy-transformation-of-an-imperial-puppet/
fufu
22. Januar 2014 @ 18:55
Ich kann mich immer wieder wundern wie uninformiert oder oberflaechlich oder einseitig auf dieser Seite argumentiert wird. Sibel Edwards, die bekannte amerikanische whistleblowerin, hat gerade auf ihrer Seite die Hintergruende zu der Kampagne gegen Erdokan beschrieben. Bei Berlusconi war die Situation aehnlich. Beide will ich nicht verteidigen, aber die wahren Zusammenhaenge werden hier nie diskutiert.
Wem auch immer ein Demokratiedefizit vorzuwerfen ist von Bruessel schon dreist.
Tim
22. Januar 2014 @ 13:30
Die EU sagt heute dies und morgen das. Kein Mensch nimmt das mehr ernst.
Peter Nemschak
22. Januar 2014 @ 09:44
Vor nicht allzu langer Zeit wollte die EU von einem Beitritt der Türkei nichts wissen, und der politisch damals aufstrebende Erdogan hat nach anderen Optionen gesucht. Heute stellt sich das Bild wieder anders dar. Ein berühmter deutscher Nachkriegskanzler soll – wenn es wahr ist – gesagt haben: “was schert mich mein Geschwätz von gestern”. Übrigens: die bestehenden EU-Mitglieder nehmen es mit den Grundwerten auch nicht immer so genau wie es wünschenswert wäre.
Baer
22. Januar 2014 @ 08:58
Ich denke wir sollten uns alle von der Vorstellung verabschieden, dass irgend ein Politkdarsteller etwas mit Grundwerten oder sonstigen demokratischen Vorstellungen am Hut hat. Es geht in erster Linie darum ,das System möglichst auf dem Rücken der Bevölkerung zum eigenen Vorteil zu nutzen , um nichts anderes geht es.
Wann werden die Menschen das endlich begreifen?!
Aber solange Fußball oder Olympiade ( Sotschi) wichtiger ist als Freiheit…