Freihandel über alles?

Still und heimlich haben die EU-Chefs den Weg für ein Freihandelsbakommen mit den USA frei gemacht. Damit rücken die Europäer nicht nur von der Doha-Runde und den Milleniumszielen gegen die Armut ab. Sie setzen auch die heimische Landwirtschaft und Industrie aufs Spiel.

Es ist ein altes Steckenpferd der Liberalen: ein Freihandelsabkommen mit den USA soll einen riesigen Wirtschaftsraum des Westens schaffen – und die verhassten Subventionen diesseits und jenseits des Atlantiks abschaffen.

Bisher waren die USA und die EU als Handelsblöcke formiert – mit Hilfen für Landwirte, Rüstung, Luftfahrt und viele andere Sektoren. Mit dem Euro wollte die EU sogar dem Dollar die Stirn bieten und sich von den USA emanzipieren.

Schnee von gestern. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, hat der EU-Gipfel sich für eine Freihandelszone mit den Amis ausgesprochen. Langfristig könnte damit das Wachstumspotential um zwei Prozent gehoben werden, heißt es in der Gipfelerklärung.

Es wird geschätzt, dass eine ehrgeizige Handelsagenda mittelfristig zu einer Gesamtsteigerung des Wachstums um 2 % und zur Schaffung von zwei Millionen Arbeitsplätzen führen kann. Um größtmöglichen Nutzen aus dem Handel zu ziehen, muss die EU den richtigen internen Politikrahmen schaffen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu fördern, den Dienstleistungshandel zu öffnen, die industrielle Basis in Europa zu stärken und die Stellung Europas in den globalen Wertschöpfungsketten zu verbessern.

Die EU will also „den richtigen Politikrahmen schaffen“. Dies lässt nichts Gutes ahnen. Denn es geht nicht etwa um die Ankurbelung des Wachstums zu Hause, sondern um die „globalen Wertschöpfungsketten“, also um Liberalisierung und Globalisierung.

Noch suspekter diese Passage:

Es ist äußerst wichtig, den Protektionismus in all seinen Formen, auch was nichttarifäre Handelshemmnisse betrifft, zu bekämpfen, für einen besseren Marktzugang zu sorgen, angemessene Investitionsbedingungen einschließlich Investitionsschutz zu fördern, die Rechte des geistigen Eigentums durchzusetzen und zu fördern und den Zugang zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten zu ermöglichen. Die Arbeiten an dem Vorschlag über den Zugang zu den öffentlichen Beschaffungsmärkten schreiten voran.

Das sind sie wieder, „die Rechte des geistigen Eigentums“ und der „Investitionsschutz“. Das gescheiterte ACTA-Abkommen lässt ebenso grüßen wie die TRIPS-Verträge. Und diesmal ziehen die Europäer mit den Amerikanern an einem Strang…

Immerhin haben selbst konservative Experten und Medien Bedenken, wie ein Artikel in der „Welt“ zeigt. Die EU würde sich selbst schwächen und der Doha-Entwicklungsrunde den Todesstoß versetzen, fürchten sie.

Doch unsere Bundesregierung lässt sich davon natürlich nicht schrecken. Kanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle zählen sich stolz zu den „Architekten“ dieser unausgegorenen und gefährlichen Pläne…