Finanzminister Oettinger, Kontrollfreak Juncker 

WATCHLIST EUROPA 07.12.2017 – Das „Nikolauspaket“ der EU-Kommission war keine schöne Bescherung, meint die deutsche Presse. „Wir brauchen keinen EU-Finanzminister“, kritisiert SPON.

Das stimmt – wenn dieser „Minister“ weder Steuern erheben darf noch ein eigenes Budget verwaltet. Der Entwurf der EU-Kommisison fällt meilenweit hinter die Vision von Frankreichs Macron zurück.

Was die deutschen Kritiker jedoch übersehen, ist der Schatten-Finanzminister Oettinger. Der deutsche EU-Budgetkommissar soll gleich drei neue Budgetlinien erhalten, mit denen er die Euroländer steuern kann.

Für „Schuldensünder“ und Reformverweigerer soll es weniger EU-Hilfen geben, für Rentenkürzer und Arbeitsmarkt-Liberalisierer umso mehr. Das Geld soll aus dem EU-Budget kommen – also von Oettinger.

Der Dampfplauderer aus der CDU, der sich schon fast um Kopf und Kragen geredet hätte, beherrschte denn auch die Präsentation in Brüssel. Demgegenüber ließ sich Kommissionschef Juncker nicht blicken.

Dies sorgte für Unmut – nicht nur bei J. Quatremer von „Libération“, der den Luxemburger gerne in die Mangel genommen hätte. Auch andere Journalisten fragen sich, warum Juncker sich drückt.

Liegt es etwa daran, dass die eigentliche Arbeit sein Kabinettschef Selmayr gemacht hat – noch ein Deutscher, noch ein CDU-Mitglied? Oder hat Juncker Angst, den Machtkampf um den Euro zu verlieren?

Fest steht, dass der Reformplan beinahe von Berlin gekippt worden wäre. Fest steht auch, dass Hobby-Finanzminister Altmaier einige Lieblingsthemen wie Fiskalpakt und Reformverträge hineinredigiert hat.

Neben der deutschen Handschrift erkennt man aber auch den Kontrollfreak Juncker. Er will Zugriff auf den Eurorettungsfonds ESM und auf die Eurogruppe. Doch das wird ihm Berlin nicht geben!

Im Endeffekt könnte diese „Roadmap“ in mehr Austerität, mehr Bürokratie und mehr deutscher Macht münden. Und wenn es doch einen EU-Finanzminister geben sollte, könnte er sogar Oettinger heißen…

Siehe auch „Die Reformverträge sind zurück (der Fiskalpakt auch)“

WAS FEHLT? Die europäische Nahostpolitik. Jahrelang hat sich die EU für einen Friedensprozess engagiert, den es schon lange nicht mehr gab. Nun hat US-Präsident auch dem Rest den Garaus gemacht – mit seiner Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt. Und wie reagiert die EU? Haben Sie schon was gehört?

Siehe auch „Why the EU lacks a position in the Middle East“ (english)