Europas Poly-Krise

Erst Griechenland, dann die Flüchtlinge, nun auch noch Großbritannien: Pünktlich zum EU-Gipfel in dieser Woche überschlagen sich die Krisen. Doch in Brüssel gibt man sich noch nicht geschlagen.

Alles ist bis ins kleinste Detail geplant. Der EU-Gipfel am kommenden Donnerstag in Brüssel, so sieht es die Regie von Ratspräsident Donald Tusk vor, soll keinen neuen Ärger bringen, sondern ein Signal des Aufbruchs.

Statt sich wieder über Hotspots, Quoten und Kontingente für die Flüchtlingspolitik zu streiten, sollen die 28 Staats- und Regierungschefs bei dem Treffen einen „fairen Deal“ für Großbritannien beschließen.

Der Plan, den Tusk mit dem britischen Premier David Cameron ausgehandelt hat, sieht unter anderem eine „Notbremse“ vor, die die Wirtschaftsmigration nach Großbritannien stoppen und Sozialleistungen beschränken soll.

Eine Einigung würde, so Tusks Kalkül, nicht nur den „Brexit“, also den drohenden EU-Austritt Britanniens, abwenden. Der mühsam erarbeitete Kompromiss soll auch ein Signal der Geschlossenheit und der Zuversicht geben.

Schaut her, wir halten zusammen, so die frohe Botschaft.

Es wäre höchste Zeit. Schließlich steckt die EU in der schlimmsten Krise ihrer Geschichte. Am Samstag warnte sogar US-Außenminister John Kerry vor einer Spaltung. Die EU stehe vor einer „fast existentiellen Bedrohung“, Brüssel und London müssten zusammenstehen.

Doch daraus wird wohl nichts. Denn kurz vor dem Gipfel hängt der Briten-Deal wieder in der Luft. Polen und Frankreich haben „rote Linien“ gezogen und drohen mit Widerstand gegen das Kompromiss-Papier. Die Lage ist so ernst, dass Tusk alle Termine absagen musste.

In Last-Minute-Gesprächen mit Frankreichs Staatschef Francois Hollande und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel will der Ratspräsident aus Polen nun versuchen, die britische Bombe noch rechtzeitig zu entschärfen.

Osteuropäer wollen neue Grenze ziehen

Ob das gelingt, ist fraglich. „Wahrscheinlich müssen am Ende doch wieder die Chefs ran, es könnte eine lange Nacht werden“, fürchtet ein EU-Diplomat mit Blick auf den Gipfel. Und das ist nicht die einzige Sorge in Brüssel.

Auch in der Flüchtlingskrise droht wieder Ärger. Die Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und die Slowakei wollen sich am Montag treffen, um die Balkan-Route abzuriegeln.

Ausgerechnet im Nicht-EU-Land Mazedonien wollen sie eine neue Grenze ziehen.

Griechenland wäre dann mit einem Schlag isoliert, Zehntausende Flüchtlinge säßen in dem seit Monaten überforderten Land fest. Es wäre ein schwerer Schlag für Athen, aber auch für Berlin und Brüssel.

(Fortsetzung folgt)