Europas heißer Herbst
25 Jahre nach dem Mauerfall ist Europa wieder in Bewegung. In vielen großen EU-Ländern gehen die Menschen auf die Straße – aus Protest gegen Sozialabbau und Massenarbeitslosigkeit. Der heiße Herbst ist auch eine Warnung an die neue EU-Kommission.
Hier ein kleiner Überblick über die neue Protestbewegung:
- Mehr als 100.000 Menschen waren am Donnerstag in Belgien unterwegs – das hat es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Am 15. Dezember ist sogar ein Generalstreik geplant – gegen Rente mit 67 und Sozialabbau.
- Mehrere Zehntausend Beamte gingen am Wochenende in Italien auf die Straße. Sie fordern höhere Gehälter und neue Arbeitsplätze. Gegen die Arbeitsmarktreform gab es weitere Proteste.
- In Toulouse kam es zu Straßenschlachten, nachdem ein Umweltschützer Ende Oktober bei einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen war. Neben der Ökologie- macht in Frankreich auch die Gewerkschaftsbewegung mobil.
- In Irland haben Zehntausende gegen geplante neue Wassergebühren protestiert. In dem Protest entlädt sich auch die Wut über die von der EU während der Bankenkrise verordneten Sparmaßnahmen.
- In Deutschland streiken Fluglotsen und Lokführer. Der längste Bahnstreik ist wohl noch nicht zu Ende; er wurde nur mit Rücksicht auf die Feiern zum Mauerfall vorzeitig abgebrochen.
Auch wenn diese Protest kein gemeinsames Thema haben, ein Leitmotiv ist doch zu erkennen: es ist der Protest gegen Sozialabbau, der seit der Finanz- und Eurokrise immer breitere Kreise erfasst.
Dieser Protest trägt vielfach korporatistische Züge. Das ist aber kein Grund, ihn weniger ernst zu nehmen. Denn in Ländern wie Deutschland oder Italien waren Korporationen bisher Garanten des sozialen Friedens.
Nun ist er brüchig geworden – wohl nicht zufällig in einer Zeit, in dem sich die EU vom versprochene “Aufschwung” verabschiedet und sogar Deutschland seine Konjunkturprognosen herunterschraubt.
Kein gutes Omen für die neue EU-Führung. Die Kommission hat sich zwar mehr Soziales auf ihre Fahnen geschrieben. Doch ihr neuer Chef Juncker wirkt selbst wie ein Getriebener…
Tim
10. November 2014 @ 17:52
Übrigens: Wer hat eigentlich in den Jahren des einfachen Geldes gegen die Kreditschwemme protestiert?
Peter Nemschak
11. November 2014 @ 07:33
Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.
Uwe
10. November 2014 @ 15:00
Generell ist doch ein Hauptproblem, die nicht stattfindende Ursachenanalyse um dann auch wenn es kurzzeitig schmerzhafter sein könnte, die Fehlentwicklungen ein für alle mal anzuhalten und neu auszurichten. Stattdessen wird hier und da mal eine mal mehr mal weniger sinnvolle Korrektur vorgenommen die jedoch nicht die Kernursache berücksichtigt und somit läuft es weiter wie bisher.
Tim
10. November 2014 @ 10:33
Schade, daß die Protestierer natürlich wie immer nur gegen Symptome protestieren.
Der alte Titanic-Kommentar stimmt – leider – weiterhin:
http://blog.emeidi.com/img/flickr/77549456_d87fb0850e_o.jpg
Peter Nemschak
10. November 2014 @ 09:17
Bisher konzentriert sich der Protest auf 5 Länder in Westeuropa. Wie ist die Lage in den übrigen 23 Mitgliedsländern?
ebo
10. November 2014 @ 10:09
Ähnlich. In GR und PT gibt es auch wieder Proteste. In HU wird es langsam ungemütlich: http://www.sueddeutsche.de/politik/proteste-in-budapest-tausende-ungarn-demonstrieren-gegen-regierung-1.2213122
Peter Nemschak
11. November 2014 @ 07:31
Nicht wegen Sozialabbau, eher wegen Orbans autokratischem Gehabe. In Zentral- und Osteuropa ist Sozialabbau kein Thema, weil es den Sozialstaat westlichen Stils nie gegeben hat.