Europa verschwindet (II)

Die EU-Außenminister finden keine gemeinsame Linie zu Syrien – nun läuft das Waffenembargo aus. Ähnlich dürfte es nächste Woche im Streit um Strafzölle für China gehen. Auch da ist die EU tief gespalten – so tief, dass Brüssel irrelevant wird.

“Europa verschwindet” habe ich einen Blogpost zur US-Präsidentenwahl im letzten Jahr überschrieben. Schon damals spielte die EU keine Rolle mehr – jedenfalls nicht im Wahlkampf in den USA.

Nun droht auch der Bedeutungsverlust im Nahen Osten und in China. Klar, beides sind völlig verschiedene Regionen, außenpolitisch haben sie wenig miteinander zu tun, auch für die EU geht es um ganz unterschiedliche Interessen.

Doch wie es der Zufall so will, fielen am Montag zwei wichtige Entscheidungen zu beiden Regionen. Einmal in Berlin – bei einem Besuch des neuen chinesischen Premiers Li schlug sich Kanzlerin Merkel auf dessen Seite.

Damit brüskierte sie die EU-Kommission, die nächste Woche Strafzölle wegen der Dumpingpreise für chinesische Solarmobile verhängen will. Ein “gefährlicher Alleingang” sei das, warnte die “Zeit“, dieses Beispiel könnte Schule machen.

Künftig könne China die 27 EU-Länder nach Belieben gegeneinander ausspielen. Wie zur Bestätigung pries Li das neue “Traumpaar” Deutschland-China, das sich einfach über Europa hinwegsetzt.

Zur gleichen Zeit fanden die EU-Außenminister in Brüssel keine gemeinsame Linie zum Waffenembargo gegen Syrien. Großbritannien und Frankreich wollen es aufheben, Österreich und Schweden wollen es behalten.

Deutschland klammerte sich an einen Kompromiss, der nicht zustande kam. Ergebnis: das Embargo läuft am Freitag aus, danach kann jedes EU-Land in Syrien tun und lassen, was es will. Brüssel wird irrelevant, Europa verschwindet.

Und wieder trägt Berlin eine Mitschuld. Denn die deutsche Haltung zu Syrien war ambivalent, die Kompromisssuche halbherzig. Außenminister Westerwelle stand diesmal zwar nicht – wie in Libyen – auf der falschen Seite.

Er stand auf gar keiner Seite, wollte “Brücken bauen”. Doch er hat es nicht einmal geschafft, seinen österreichischen Kollegen Spindelegger zur Räson zu bringen.

Der erklärte die Verhandlungen im Alleingang für gescheitert und ließ die Außenminister im Regen stehen. An diesen Montag werden sich die EU-Diplomaten noch lange erinnern…

 

P.S. Zwei Nachträge. Zu Syrien: Wie die Tagesschau meldet, unterhält der BND weiter gute Beziehungen zum Assad-Regime, BND-Chef Schindler soll kürzlich sogar nach Damaskus gereist sein. Zu China: EU-Handelskommissar De Gucht wirft China vor, Druck auf mehrere EU-Länder ausgeübt zu haben. Deutschland kann er wohl nicht meinen, das ordnet sich ganz freiwillig unter. Während Merkel mit Li milliardenschwere Aufträge für die deutsche Industrie unterzeichnete, durfte De Gucht in Brüssel mit Vize-Handelsminister Zhong Shan sprechen – das sagt wohl alles…

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