„Europa am Abgrund“ – really?
Während die britische Regierung offen über den Brexit streitet, diskutieren britische Intellektuelle über die Frage, ob und wann die EU auseinander brechen könnte. Und das sogar auf hohem Niveau!
So denkt Wirtschaftsprofessor L. Zingales darüber nach, ob der Euro in Italien scheitern könnte. Der Publizist D. Marrow berichtet von seinem neuen Buch The Strange Death of Europe, bei dem es u.a. um die Flüchtlingspolitik geht.
Natürlich wird auch über den Brexit gestritten. Deutschland wolle den EU-Austritt so schmerzhaft wie möglich machen, sagt ein Experte. Deshalb werde der Preis in die Höhe getrieben.
Die hochkarätige Debatte hat nur einen Haken: Sie fand vor den Wahlen in Großbritannien und Frankreich statt, seitdem hat sich die Lage zumindest oberflächlich wieder beruhigt.
Der Vormarsch der Nationalisten und EU-Gegner ist vorerst gestoppt, Deutschland gibt nicht mehr allein den Kurs vor, und sogar der Eurozone geht es wieder besser.
Sehenswert ist die Debatte trotzdem, denn die Krise ist noch längst nicht vorbei. Die neue Flüchtlingswelle, der Euro-Frust in Italien und der Brexit haben durchaus das Potential, EUropa zu erschüttern.
Die Sendung „Europe on the Edge“ kann man sich hier anschauen. Siehe zu diesem Thema auch „Die EUphorie war trügerisch“ sowie mein aktualisiertes E-Book „Das Ende der EU…wie wir sie kennen“
GS
1. August 2017 @ 02:46
Hat sich wirklich etwas beruhigt? Alle genannten Punkte sind so relevant wie vor einem Jahr, es wird nur weniger geschrieben, weil gerade in keinem Krisenland Wahl ist. Das Argument speist sich doch nur daraus, dass Le Pen nicht die Präsidenschaftswahl gewonnen hat. Das war aber zu keinem Zeitpunkt realistisch, sondern reine Angstmacherei. Die Niederlande schlittern Richtung Unregierbarkeit, in Schweden sind die Schwedendemokraten zur zweitstärksten Partei aufgestiegen (Wahl 2018). In Deutschland stehen die Chancen 50/50 für Schwarz-Gelb, in Österreich wird es auf Schwarz-Blau hinauslaufen und in Italien liefern sich PD und 5 Sterne weiter ein Kopf-an-Kopf rennen. Letztere liegen zusammen mit Berlusconi + Lega Nord bei über 50 % der Stimmen in den Umfragen (=EU-skeptische Wählerstimmenmehrheit). Die Euro-Misere dort ist weiter dramatisch und m.E. nicht zu lösen. Es bahnt sich eine massive Zuspitzung in den Konfliktfeldern Euro und Flüchtlinge/offene (Binnen-)Grenzen an.
Peter Nemschak
1. August 2017 @ 08:40
Die Gesellschaft ist gespalten, in jene, welche mit dem raschen sozialen Wandel zurecht kommen und jene, die ihn fürchten und ablehnen. Die Mainstreamparteien sind von den Populisten nach rechts gezogen worden, ein Phänomen, das EU-weit zu beobachten ist. EU-Skepsis ist seit längerem bei den Bürgern endemisch, was aber nicht bedeutet, dass die Austrittswilligkeit gestiegen ist. Die hohe Latte, welche die EU Großbritannien setzt, wird auf andere potentiell Austrittswillige abschreckend wirken. Ein Ausscheiden aus dem EURO wäre für das ausscheidende Land schmerzhafter als ein Verbleib zu den heutigen Bedingungen. Auch der Migrationsdruck aus dem Süden muss noch stärker werden, bevor effektive Abhilfe geschaffen wird.
Peter Nemschak
31. Juli 2017 @ 19:19
Zum Thema passend: https://soundcloud.com/nachfrage/die-gefahrliche-kluft-hinter-trump-hofer-und-dem-brexit-matthew-goodwin, ein Interview mit dem britischen Politikwissenschaftler und Extremismusforscher Matthew Goodwin