Euro-Vision adé

Unter EU-Experten ist ein Streit über die Zukunft der Währungsunion entbrannt. Die bisherigen Reformen und Finanzhilfen reichen nicht aus, darüber sind sich die Fachleute einig. Doch wie geht es weiter – und was, wenn die Euroländer gar nicht mehr weiter gehen wollen?

Dieses Thema hatten wir schon einmal. Unter dem Titel „Kann der Nein-Euro überleben?“ habe ich schon im November die Frage aufgeworfen, was das deutsche Nein zu mehr Integration bedeutet.

Nun haben sich auch die Fachleute auf das Thema geworfen. Der Brüsseler Thinktank „Bruegel“ hat gleich zwei Papiere veröffentlicht. In der Diagnose sind sich beide weitgehend einig.

So heißt es im Papier der „Glienicker Gruppe“, das zuerst in der „Zeit“ veröffentlicht wurde (und mir in weiten Teilen aus der Seele spricht):

Keine der Krisen, aus denen sich die Euro-Krise zusammensetzt, ist auch nur annähernd gelöst – weder die Banken- noch die Staatsschulden-, noch die Wettbewerbsfähigkeitskrise. Das Staatsschuldenproblem eskaliert weiter. Die mit faulen Krediten vollgesogenen Banken lähmen die Privatwirtschaft. In den Krisenländern wird eine ganze Generation ihrer Lebenschancen beraubt. Die Ränder des politischen Spektrums dieser Staaten radikalisieren sich. Die Bereitschaft, in der Euro-Zone gemeinsame Lösungen zu finden, sinkt rapide.

Ähnlich argumentiert A. Mody, der Autor des „Schuman Compact“. Auch für ihn bleibt der Euro eine „unvollständige“, jederzeit rückfallgefährdete Währungsunion.

Doch bei der Therapie gehen beide weit auseinander. Die Glienicker (u.a. DIW-Chef Fratzscher) fordern einen eigenen Euro-Vertrag, eine Euro-Regierung mit eigenem Budget und separatem Euro-Parlament.

Unmöglich, erwidert Mody, das machen die Mitgliedsländer nicht mit. Sie wollen nämlich nicht noch mehr Souveränität abgeben. Deshalb müssten die Nationalstaaten wieder mehr Verantwortung übernehmen.

Als Modell dienen ihm ausgerechnet die USA VOR der Großen Depression – dabei stecken wir Europäer mitten drin. Zudem lobt er die intergouvernementalen Verträge à la Fiskalpakt, die Kanzlerin Merkel aus der Taufe gehoben hat.

Das ist derzeit realistischer als die Vorschläge der Glienicker, da Deutschland der EU und dem Euro seinen Stempel aufdrückt – und keine weiteren Reformen der Euro-Architektur plant.

Statt mehr Integration läuft es also auf mehr Nation hinaus. Allerdings zeigt schon die Bankenunion die Grenzen des Verfahrens auf: sie ist eine leere Hülle ohne unmittelbare Wirkung.

Letztlich haben unsere Experten keine tragfähige Euro-Vision mehr – genauso wenig wie die Politiker. Man wurschtelt sich so durch – in der Hoffnung, dass das Schlimmste vorbei sein möge.

Dabei spielen die Märkte gerade wieder verrückt. Noch trifft es „nur“ die Schwellenländer, diesmal scheint Euroland zu profitieren. Doch der Wind kann schnell wieder drehen…

Siehe zu diesem Thema auch „Ein Kommissar spricht Klartext“