Euro für alle und Freiheit für Katalonien
WATCHLIST EUROPA 15.09.17. Die Innenminister haben Juncker Vorschlag zur Erweiterung der Schengen kühl aufgenommen. Nun sind die Finanzminister dran. Am Freitag beraten sie über den “Euro für alle”.
Dr. Schäuble hat schon Vorbehalte geäußert und die strikte Anwendung der von Deutschland erfundenen Konvergenzkriterien gefordert – dabei sind die in der Finanz- und Eurokrise krachend gescheitert.
Selbst Länder, die alle Kriterien einhielten und beim Defizit sogar besser dastanden als Deutschland – namentlich Spanien – sind unter Druck der Spekulanten geraten und mussten gestützt werden.
Doch darüber reden die Minister bestimmt nicht. Stattdessen dürften sie wieder Druck auf Griechenland ausüben, mehr als 100 “prior actions” umzusetzen. 100 Prioritäten, man fasst sich an den Kopf.
Außerdem dürfte ein deutsch-französischer Vorstoß zur Sprache kommen, Internetfirmen wie Google oder Apple künftig nicht nach Profit, sondern nach Umsatz zu besteuern. Beschlüsse sind nicht geplant.
Nicht geplant war auch die Debatte, die jetzt über Katalonien losbricht. Ausgelöst hat sie wiederum Juncker – ausgerechnet in einem Interview mit jungen Youtubern kündigte er an, einen Austritt zu respektieren.
Das ist Wasser auf die Mühlen der Separatisten – und ein rotes Tuch für die Zentralregierung in Madrid. Zwar fügte Juncker hinzu, dass ein unabhängiges Katalonien erneut den EU-Beitritt beantragen müsste.
Doch auf das Echo aus Madrid darf man gespannt sein. Ohne es zu wollen, könnte Juncker mit seinen jüngsten Aussagen Nationalisten, Separatisten und sogar die AfD beflügelt haben…
Claus
15. September 2017 @ 13:20
Was da in Brüssel und Berlin derzeit läuft, lässt mich mal wieder ratlos zurück. Es scheint, als beschäftigten sich die genannten Akteure einmal mehr mit Themen, die es ohne sie selbst, die EU und den Euro garnicht gäbe.
Ich lese im letzten Satz: „“sogar“ die AfD beflügelt haben“? Das mag sein, siehe AfD Wahlprogramm BTW2017 zur EU:
„(Länder) als souveräne Staaten erhalten: Nein zu den „Vereinigten Staaten von Europa“ Das bestehende „Lissabon-Europa“ ist zurückzuführen zu einer Organisation von Staaten, die auf der Basis völkerrechtlicher Verträge ihre Interessen und Aufgabenwahrnehmung definieren. Nicht rückholbare Souveränitätsverzichte zu Gunsten einer „immer enger“ werdenden Europäischen Union sind mit einer solchen Konstruktion nicht vereinbar“
Vermutlich gäbe es unter diesen Bedingungen weniger Ungemach im politischem Europa und Herr Juncker müsste sich nicht einen spanischen Kopf zerbrechen, wie es mit Katalonien weitergehen soll.
PS: Und eine Umsatzbesteuerung der üblichen Verdächtigen inklusiv IKEA, Amazon & Co. zur Vermeidung von Steuertricksereien könnte von jedem Land unverzüglich eingeführt werden, sobald der politische Wille dafür bestünde. Toll!
ebo
15. September 2017 @ 16:50
@Claus Tja, Juncker musste halt seine SOTEU-Speech halten, dummerweise kurz vor der Wahl in Berlin. Nun hat er Dinge gesagt, die nicht zum offiziellen Programm von Frau Merkel passen (“Weiter so”), aber auch nicht zu FDP und AfD. Da Merkel scheinbar nicht mehr wegzukriegen ist, könnte der Protest gegen Junckers Pläne der AfD neue Wähler zuspülen. Oder?
Oudejans
15. September 2017 @ 12:42
Der Kommentar zu Katalonien ist ähnlich brisant wie der seinerzeitige zu Schottland.
Ein solches “Europa der Regionen” paßt gut in Junckers Machtkonzept.
Nur wenn ihm ein Mitgliedsstaat die Brocken vor die Füße wirft, wird Jean-Claude ganz spitzlippig. Das geht so nicht.
Peter Nemschak
15. September 2017 @ 08:16
Länder kommen unter ruck, wenn die Märkte ihrer Wirtschaftspolitik nicht vertrauen, mit oder ohne Euro. Griechenland hat sichtlich eine Reihe von Bedingungen nicht erfüllt. Da braucht man sich nicht an den Kopf zu greifen. Überfällig und sehr sinnvoll ist der deutsch-französische Vorstoß zur Besteuerung der Internetfirmen. Bleibt zu hoffen, dass der Wettbewerb unter diesen so stark ist, dass am Ende nicht der Konsument die Steuern bezahlen muss.
ebo
15. September 2017 @ 14:31
Spanien kam unter Druck, weil die privaten Banken bis über beide Ohren verschuldet waren. Der Staat war sauber, alle Maastricht-Kriterien waren erfüllt. Schäuble war es, der die Spanier unter den Rettungsschirm zwang – an den Folgen leiden sie noch heute
Inspektor
6. Oktober 2017 @ 18:08
Die Hetze gegen die undisziplinierten EU-Südländer ist mir bis heute völlig unverständlich.
-Deutschland und Frankreich waren die ersten, die gegen die EU-Stabilitätskriterien verstoßen hatten, nach der Einführung der Währungsunion und nicht die Südländer!
-EZB verstößt wegen der Staatsanleihekäufen gegen EU-Verträge, für die die EU-Südländer nichts können
-2010 als die Eurokrise in Griechenland und Irland ausbrachen, wurde ein wichtiger Fakt verschwiegen. Irland hat 2010 pro Kopf mehr als doppelt so viel EU-Gelder vom Eurorettungsschirm bekommen als Griechenland 2010. Damals hetzten die Medien und Politiker selektiv nur gegen die Griechen. Bloss nicht Irland kritisieren.
-Wegen der Nicht-Erfüllung der Maastrichter EU-Konvergenzkriterien hätte Griechenland nie dem Euro beitreten dürfen. Fakt ist: Nicht nur Griechenland sondern mindestens 5 andere EU-Staaten hatten beim Eurobeitritt geschummelt. Darunter auch Frankreich und Belgien. Belgien hatte sogar genauso massiv geschummelt wie die Griechen, weil der Schuldenquote zum BIP viel zu hoch war!
Da die Belgier aber keine Südländer sind, wurde den Medien und fanatischen Eurofans aus der Politik untersagt gegen Belgien zu hetzen!
https://de.wikipedia.org/wiki/EU-Konvergenzkriterien
Eurokrise war außerdem eine direkte Folge von der weltweiten Finanzkrise 2008/2009…
Denn viele EU-Staaten mussten zur Rettung von Banken viele neue Schulden aufnehmen
-OECD Studie belegte schon 2013 dass Südländer nicht weniger arbeiten als Nordländer, eher im Gegenteil