USA und UK schreiben TTIP ab
Nach dem Brexit-Votum war zu befürchten, dass Großbritannien sich als aggressiver Rivale vor den Toren der EU positionieren würde. Nun geht es los – jedenfalls beim Freihandel und speziell bei TTIP.
Darauf deuten zwei vielsagende Äußerungen aus Washington und London hin. TTIP ohne UK verliere für die USA an “Attraktivität”, sagte der US-Handelsbeauftragte Froman.
Mit Großbritannien seien die USA bereits im Kontakt, um die Ausgestaltung der künftigen Handelsbeziehungen abzuklären, betont Froman. Ganz ähnlich klingt es in London.
Erstes Ziel der Regierung der neuen Premierministerin May sei es, mit Ländern wie den USA und China Freihandelsverträge abzuschließen, so der neue Brexit-Minister Davis.
Dann hätten britische Unternehmer Zugang zu einer Freihandelszone “von beinahe doppelter Größe als die EU”. – Kein Wunder, dass sich die Briten Zeit mit ihrem Austrittsantrag lassen.
Sie wollen erstmal mit Amerikanern und Chinesen ins Geschäft kommen – und so die EU ausbooten, die mit TTIP auch in der letzten Verhandlungsrunde keinen Millimeter weiter gekommen ist…
hanne
1. August 2016 @ 09:52
Hat sich niemand von Ihnen die Mühe gemacht, im Internet zu suchen? Schade! Hier eine kleine Hilfe:
http://www.labournet.de/internationales/kanada/ceta
dort finden Sie 4 Broschüren zum runterladen:
1) Arbeitnehmerrechte und Arbeitsstandards, 2) Daseinsvorsorge, 3) Demokratie, 4) Sonderklagerechte für Konzerne.
Spätestens dann wissen Sie, wie die Bürger der EU hinters Licht geführt werden.
hanne
23. Juli 2016 @ 09:24
Ein Vorher gibt es nicht. Es finden sich genügend “aufbereitete” Texte über NAFTA, CETA, TTP, TTIP und TISA im Netz. Sucht nach Negativ- und Positivlisten, nach Stillstands- und Ratchet-Klauseln, Konzerne als Völkerrechtssubjekte usw. usw. Seit kreativ und gebt eigene Suchbegriffe ein. Niemand muss auf das hören, was nachgeplappert wird.
hanne
16. Juli 2016 @ 14:09
Leider reicht ein totes TTIP nicht. Ceta ist ebenso gestrickt und wird durch die Hintertür ebenso Klagen aus USA ermöglichen. Kaum bekannt ist, dass Kanada der EU ausdrücklich angeboten hat, bei Arbeitnehmerrechten EU-Gesetze einzuhalten, dies wurde von der EU abgewinkt-weil nicht gewünscht. Das gewünschte Tisa-Abkommen ist die “Krone”: Dort werden Konzerne über das Völkerrecht gestellt. Jeder sollte sich mal fragen, warum alle Verträge, nämlich TPP, TTIP, CETA und TISA so gestrickt sind, dass nur Unternehmen die Staaten verklagen dürfen, nicht aber die Staaten die Unternehmen, wenn diese z. B. in ein Land einfallen, Böden, Wasser und Luft verseuchen und der Gesetzgeber dies nur noch gegen Milliardenzahlungen verhindern kann.
Skyjumper
16. Juli 2016 @ 20:49
“…… dass nur Unternehmen die Staaten verklagen dürfen, nicht aber die Staaten die Unternehmen, wenn diese z. B. in ein Land einfallen, Böden, Wasser und Luft verseuchen und der Gesetzgeber dies nur noch gegen Milliardenzahlungen verhindern kann.”
Nun mal nicht das Kind mit dem Badewasser ausschütten. Ich bin zwar absolut gegen TTIP und Konsorten. Aber das in diesen Verträgen lediglich das Klagerecht der Konzerne geregelt ist hat einen einfachen Grund: Die Staaten dürfen das sowieso, das braucht also nicht in Verträgen geregelt zu werden.
Auch können die Staaten/der Gesetzgeber sehr wohl ohne drohende Milliardenzahlungen seine Grundwerte, wie z.B. auch Böden/Wasser/Luft schützen. Sie müssen es eben nur VORHER tun, bevor sie einen Konzern unter anderen Voraussetzungen investieren lassen. Eigentlich ist dies einer der relativ wenigen Aspekte die durchaus begrüssenswert wären an diesen Vereinbarungen. Noch besser wärs, wenn auch die Bürger endlich ein entsprechendes Klagerecht gegen ihren Staat hätten. Schlecht dagegen ist, dass der normale Rechtsweg durch Schiedsgerichte ausgeschaltet werden soll.
Michael
17. Juli 2016 @ 20:18
“Auch können die Staaten/der Gesetzgeber sehr wohl ohne drohende Milliardenzahlungen seine Grundwerte, wie z.B. auch Böden/Wasser/Luft schützen. Sie müssen es eben nur VORHER tun, ”
Und wenn sich erst nachträglich herausstellt wie schädlich ein bestimmtes Produkt (Pestizid z.B.) für die Allgemeinheit ist? Dann kann der Staat kein Gesetz machen ohne auf Fantastilliarden entgangener Gewinn verklagt zu werden.
Tolle Wurst! Mit TTIP und Co wird’s dann keine neuen Gesetze mehr geben können den irgendwem passt immer was nicht. Kannst du gleich die Regierung abschaffen und das Faustrecht wieder einführen.
Die denken sich eine Zahl aus welche Gewinne Sie gemacht hätten und nehmen sich Anwälte die im geheimen nach ungeschriebenen Gesetzen Staaten auf Milliardenzahlungen verurteilen können. Eventuell könnte ja man über Entschädigungen in Investitionshöhe reden. Doch nicht auf irgendwelche Fantasiezahlen die sie Sich als Gewinn ausdenken. Es gibt kein Recht auf Gewinn! Für niemanden!
Skyjumper
18. Juli 2016 @ 14:54
” Es gibt kein Recht auf Gewinn! Für niemanden!”
Stimmt! Aber es gibt ein Recht auf Vertrauens- und Rechtsschutz. Niemand, weder privat noch unternehmerisch, sollte entschädigungslos in die Röhre gucken wenn der Gesetzgeber NACH einer Investition die Spielregeln ändert.
Wir würden beide jetzt Fälle konstruieren können bei denen ein unbefangener Leser zustimmend nickt und sagt: “Ja, ist doch klar wie Kloßbrühe”. Denn natürlich gibt es den von Ihnen beschriebenen Fall, und natürlich muß der Staat/Gesetzgeber dann in der Lage sein gesetzgeberisch darauf zu reagieren. Und genauso natürlich müssen Betroffene/Geschädigte dann in der Lage sein sich dagegen juristisch zu verteidigen und/oder Ausgleich zu erhalten. Aber eben mit rechtsstaatlichen Mitteln. Und nicht mit undurchsichtigen Schiedsgerichten.
Skyjumper
15. Juli 2016 @ 16:47
“TTIP ohne UK verliere für die USA an „Attraktivität“, sagte der US-Handelsbeauftragte Froman.”
Man sollte nicht alle Begründungen gleich glauben, auch wenn sie so schön logisch klingen. Natürlich ist TTIP ohne GB weniger interessant, schließlich hat die EU zukünftig keine “Marktmacht” von 500 Mio. Konsumenten mehr, sondern nur noch 440 Mio.
Deutlich entscheidender dürften bei diesem Wandel jedoch innenpolitische Gründe in den USA sein. Spätestens seit Dienstag durfte man diesen Wandel daher auch erwarten. Trump hat TTIP von vornherein abgelehnt, genauso Sanders. Clinton war immer zögerlich in der Frage, in ihrer Zeit als Aussenministerin jedoch loyal. Die am Dienstag von Sanders erklärte Unterstützung für Clinton dürfte als eine Preiskomponente die Ablehnung von TTIP beinhaltet haben. Schwer wird Clinton dieses Zugeständnis nicht gefallen sein.
Egal wer jetzt also neuer Präsident in den USA wird, TTIP ist nach Obama nun definitiv kein strategisches Ziel mehr in der Administration. Die Befürchtung einer solchen Situation war auch, ganz unabhängig vom Brexit-Ergebnis, der Grund dafür warum man in den letzten Monaten soviel Druck von oben gemacht hat um noch unter Obama zum Abschluß zu kommen.
Peter Nemschak
15. Juli 2016 @ 13:23
Freihandel könnte die EU auch haben, wehrt sich aber dagegen. Die europäische Agrarwirtschaft lebt in den derzeit stark subventionierten Märkten zu gut um für Freihandel zu sein. Die Bürger sind zu einfältig, um das zu erkennen.Neuseeland hat gezeigt, dass es auch anders funktioniert. Europa ist wettbewerbsfaul und saturiert. Das gilt für geschützte und hochsubventionierte Branchen gleichermaßen wie für die Gewerkschaften. Mit dieser Einstellung wird die EU in Zukunft nicht zur Weltspitze gehören. Daher ist es auch verständlich, dass Merkel das UK gerne innerhalb der EU gehabt hätte, als liberales Gegengewicht zu den durch die Geschichte unbelehrbaren Dirigisten und Etatisten, welche Europa wirtschaftlich nach außen dicht und nach innen nivellieren wollen. Talentierte, tüchtige und leistungswille Menschen werden abwandern, Sozialhilfebedürftige zurückbleiben. Warum ist die soft-power der USA, die Anziehungskraft auf Talente und Tüchtige trotz vieler Probleme nach wie vor so stark? Das sollte die EU bedenken, wenn sie sich an Reformen machen sollte.
alex
15. Juli 2016 @ 13:08
Also ich finde dies alles andere als eine Katastrophe. Bei TTIP ging es ja weniger um Freihandel (den gibt es ja bereits – bei im Schnitt 2,5% bis 3,5% Zollabgaben in die eine oder andere Richtung) sonder um Sonderinteressen von Megakonzernen. Mit China handeln die EU-Länder bereits stark, funktioniert super auch ohne Abkommen. Und jetzt hat die EU ja auch die Möglichkeit, ohne die Interessen von UK und USA im Rücken, ein eigenes Freihandelsabkommen mit China zu machen. Ja, man könnte sogar ein Freihandelsabkommen mit Russland anpacken, wenn man die nötigen “Eier” hätte. 🙂
S.B.
15. Juli 2016 @ 13:15
@Alex: So ist es. Wobei ich mich frage, wozu D die EU für ein Freihandelsabkommen mit China (und ggf. Russland) braucht, wenn die Briten das nun auch ohne die EU schaffen. Die EU ist schlicht entbehrlich, wie sich nun zeigen wird.
ebo
15. Juli 2016 @ 13:25
Das ist ein Trugschluss. Mit 500 Mio. Verbrauchern hat die EU wesentlich mehr Verhandlungsmacht als UK mit 60 Mio. Sie kann also bessere Standards durchsetzen, bei UK läuft es auf Dumping hinaus. Allerdings dürfen die Briten im Prinzip gar keine Handelsverträge schließen, da sie noch in der EU sind. Der Trick dürfte sein, die Verhandlungen mit USA und China parallel zu den Austrittsverhandlungen zu starten…
S.B.
15. Juli 2016 @ 14:12
@ebo: 500 Mio Verbraucher sind ja eine schöne Zahl. Davon haben allerdings immer weniger genug Kohle in der Tasche, um Waren aus dem Ausland zu kaufen. D allein steht insoweit im Schnitt viel besser da, als mit dem Rest der EU-Länder zusammen. Insbesondere aber ist D der europäische Exporteur. Was soll die (diese!) EU insoweit für D bei einem Handelsabkommen herausholen, was D nicht selbst herausholen kann?
Zu den Briten: Das die nun versuchen, die Situation für sich zu nutzen, ist verständlich. Mit welchen wirtschaftlichen Schmerzen die Trennung von der EU vonstatten geht, kann ja niemand genau sagen. Dementsprechend werden die sich alle Türen offen halten, solange es geht. Was unverständlich ist, ist das Zuwarten der EU, welches den Briten dieses Manövrieren erst ermöglicht.
ebo
15. Juli 2016 @ 14:23
S.B. Völlig richtig, die EU bringt sich durch das Warten in eine unmögliche Lage. Aber das wollte vor allem Mutti so. Juncker, Tusk und Schulz haben am Tag nach dem Brexit gefordert, sofort mit Verhandlungen zu beginnen!
S.B.
15. Juli 2016 @ 15:27
@ebo: Das haben die hohen Herren zwar gefordert. Leider hatten sie keinen Plan B für den aus ihrer Sicht ja völlig unwahrscheinlichen Fall des Brexit in der Tasche. Die Forderung war also genauso hohl, wie die Taschen von Junker & Co. leer.
Schönes Wochenende! 😉
Skyjumper
15. Juli 2016 @ 16:56
“Was unverständlich ist, ist das Zuwarten der EU, welches den Briten dieses Manövrieren erst ermöglicht.”
Ich verstehe nicht warum hier immer wieder so getan wird als hätte die EU eine andere Wahl? Das Referendum als Startschuss gem. § 50 zu nehmen (wie vom EU-Parlament gefordert) ist schlicht nicht nachhaltig. Ohne einen Beschluß des britischen Parlaments ist das rechtlich gar nicht möglich. D.h., es wäre zwar möglich, würde aber vom EuGH sofort wieder einkassiert werden.
On man’s will oder nicht. Den Zeitplan bestimmt im Rahmen der Verträge einzig GB.
ebo
15. Juli 2016 @ 18:18
@skyjumper Das ist die offizielle Auslegung. Es gibt aber auch andere Rechtsauffassungen. So hat das Europaparlament die Position, Camerons mündliche Erklärung Ende Juni beim EU-Gipfel sei schon der Startschuss nach Art. 50. Seine Nachfolgerin May macht keinen Hehl daraus, dass sie UK aus der EU führen will. Wenn man wollte, könnte man sie nun unter Druck setzen, das auch zu formalisieren. Man bzw. Frau M. will offenbar nicht
alex
15. Juli 2016 @ 19:18
@ebo: Warum haben sie es denn so eilig? Das EU-Regelwerk rückwärts abzuwickeln (Zehntausende von Seiten Gesetzestexten) wird auch in 2 Jahren praktisch kaum zu bewältigen sein, was auch der EU + UK wohl mittlerweile dämmert. Wir sollten die UK nicht aus Rachsucht direkt in die Hände der USA treiben, denn dann wird der Keil gegen Kontinentaleuropa nur noch wachsen (Willi Wimmers). Man sollte sich eher grosszügig zeigen, dann den wachsenden pro EU-Druck aus Schottland/Irland nutzen. Und ja, man muss in Brüssel die Regierungserklärung vom Theresa May auch ernst nehmen, d.h. sich eingestehen, wir in Brüssel haben da wohl auch was mächtig falsch gemacht und dann die wichtigsten Punkte aus dem May Programm einfach selber übernehmen und auch implementieren. Sollte dies so passieren (ich glaube es eher nicht), werden die Briten, sollten die englische Regierung nicht liefern (wie sie in einem anderen Post andeuten), gegen eine Austritt Sturm laufen. Und auch der Süden würde wieder Hoffnung schöpfen und sich wirtschaftlich erholen dürfen. Der Brexit könnte auch eine (letzte?) Chanche für die EU sein, wenn man die Zeichen der Zeit erkennen würde.
Skyjumper
15. Juli 2016 @ 19:49
@ ebo
Mir ist schon klar, dass es zu jeglicher juristischen Frage immer auch unterschiedliche Auslegungen gibt, sonst bräuchte es ja keine Gerichte. Das ist hier natürlich nicht anders.
Aber wollen Sie, sollte Brüssel, wirklich riskieren den Briten mit einem (mutmaßlich am Ende verlorenen) Prozess noch ein paar Trümpfe mehr in die Hände zu spielen?
Und wozu sollte es eigentlich gut sein? Bei einer solch umstrittenen Auslegung könnte im Ergebnis von der vielbeschworenen schnellen Beseitigung der Unsicherheit sicherlich nicht die Rede sein. Und darum geht es doch angeblich.