Endspiel ohne Ende (II)
(Fortsetzung von Seite 1)
Dass es eng werden könnte, räumt man mittlerweile auch in Brüssel ein. Bundesfinanzminister Schäuble schließt sogar eine Staatspleite nicht mehr aus.
Einerseits braucht Athen dringend neue Hilfskredite, um seine alten Schulden zu bedienen – andererseits wollen die Gläubiger, die seit August 2014 keine Finanzhilfe mehr geleistet haben, an ihren Reformplänen festhalten.
Der Streit um Renten und Arbeitsmarkt könnte deshalb vertagt werden. Gleichzeitig könnte Griechenland einen Vorschuss erhalten, um den IWF auszuzahlen.
Merkel trifft Tsipras
Allerdings ist unklar, ob sich Premier Tsipras auf diesen Deal einlassen würde. Die umstrittenen Reformen wären damit ja nicht vom Tisch, sein Land nicht dauerhaft gerettet.
Gestern Abend traf er am Rande des EU-Gipfels in Riga Kanzlerin Merkel, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Merkel hat sich – im Gegensatz zu Schäuble – dagegen ausgesprochen, Griechenland fallen zu lassen.
Überschattet wurden die Gespräche von Berichten, dass die Regierung in Athen kaum Fortschritte im Kampf gegen die Steuerhinterziehung macht.
“Dokument des Scheiterns”
Aus einer Liste von 2062 mutmaßlichen Steuerflüchtlingen wurden erst 49 geprüft und 31 Millionen Euro an Steuern eingetrieben, heißt es in einem Brief von Finanzminister Varoufakis an den SPD-Bundestagsabgeordneten Poß.
Experten gehen davon aus, dass reiche Griechen Schwarzgeld von bis zu 40 Milliarden Euro im Ausland gebunkert haben. Poß nannte die Liste „ein Dokument des Scheiterns der griechischen Politik“.
Sie liegt den griechischen Behörden allerdings schon seit fünf Jahren vor – auch die konservativen Vorgänger-Regierungen haben sie links liegen lassen.
Nemschak
22. Mai 2015 @ 16:28
Ein Land, das so schlecht verwaltet wird wie Griechenland, kann sich keine großen sozialpolitischen Sprünge leisten. Je stärker der sozialpolitische Schuh drückt, desto eher wird es zu Veränderungen kommen. Es ist sinnlos, eine inkompetente und personell überbesetzte Verwaltung zu belassen, statt mit zahlenmäßig weniger aber besser qualifizierten und motivierten Beamten das Land zu verwalten. Tsipras und Genossen wollen Bequemlichkeitsdemokratie betreiben. Damit wird sich mittelfristig nichts zum Besseren wenden. Kein Wunder, wenn die Gläubiger da nicht mitspielen wollen.
ebo
22. Mai 2015 @ 16:43
Dann sollen die Gläubiger Griechenland eben fallen lassen. Aber das trauen sie sich nicht, denn sie hätten den größten Schaden. Griechenland ist eine hoffnungslose Schuldenkolonie, nur durch Schuldenerlass kann sich die Lage zum Besseren wenden. Das sagt ja auch der IWF, aber in Berlin und Brüssel möchte man es nicht hören…
Nemschak
22. Mai 2015 @ 21:42
Warum sollten die Gläubiger den größten Schaden durch ein Grexit haben? Der wirtschaftliche Schaden ist längst eingetreten, nur in den Bilanzen der Gläubiger noch nicht realisiert worden. Eine Insolvenz Griechenlands würde de facto zu einer Schuldenreduktion führen. In Wahrheit möchte Griechenland eine Insolvenz vermeiden. Sie würde das Ende der linken Regierung bedeuten. Griechenland ist nicht der Nabel von Europa, an dem sich das europäische Schicksal entscheidet. Die wirtschaftliche Ansteckungsgefahr ist vernachlässigbar, die politische wird weit überschätzt. Rückschläge bei der europäischen Integration wird es immer wieder geben. Der jetzt drohende wäre nicht der Letzte.