Liberale Flüchtlingspolitik adé?

Die Flüchtlingskrise hat zu einem überraschenden Politikwechsel in Deutschland und Schweden geführt. Beide Länder, die bisher als Vorbilder für eine liberale Einwanderungspolitik galten, kündigten eine härtere Linie an. Die EU-Kommission in Brüssel wurde davon überrascht. Sie sei nicht vorab informiert worden, erklärte eine Sprecherin.

Die deutsche Bundesregierung kündigte an, die zeitweise außer Kraft gesetzte Dublin-Verordnung wieder anwenden zu wollen. Damit können syrische Asylbewerber wieder zurück in das Land geschickt werden, in dem sie in die EU eingereist sind.

Konkret bedeutet dass, dass Syrer nun wieder nach Bulgarien, Kroatien oder sogar Ungarn zurückgeschickt werden können.

Nur das Haupt-Einfallstor Griechenland bleibt von der deutschen Neuregelung ausgenommen, weil die humanitären Bedingungen dort zu schlecht sind.

Den Kurswechsel hatte zuerst Bundesinnenminister Thomas de Maizière angekündigt, dann wurde er vom Bundeskanzleramt bestätigt. Kanzlerin Angela Merkel will allerdings nicht an der Entscheidung beteiligt gewesen sein.

Auch die EU-Kommission wäscht ihre Hände in Unschuld. „Die Kommission nimmt die Ankündigung zur Kenntnis“, teilte eine Behördensprecherin mit.

Die so genannte Souveränitätsklausel in der Dublin-Verordnung erlaube es Mitgliedstaaten, einen Asylantrag zu bearbeiten, auch wenn eigentlich ein anderes Land zuständig sei.

Darauf hatte sich Berlin Ende August berufen, als die bisher übliche Prüfung des EU-Einreiselandes ausgesetzt wurde. Nun wird diese Prüfung wieder aufgenommen; einige Flüchtlinge wurden auch schon in ihr Aufnahmeland zurückgeschickt.

Auf die Nachfrage, ob es üblich sei, dass eine Regierung die EU-Verordnung quasi über Nacht neu auslegt, wollte die Kommission nicht antworten.

Vor vollendete Tatsachen wurde Brüssel offenbar auch von Schweden gestellt. Das Land, das pro Kopf bisher die meisten Flüchtlinge aufnahm, hat am Donnerstag überraschend wieder Grenzkontrollen eingeführt.

Betroffen sind der Auto- und Zugverkehr über die Øresundbrücke und die Fährverbindungen mit Dänemark und Deutschland.

Schwedens Regierungschef Stefan Lövfen sagte, sein Land halte sich an europäische Regeln. “Wir müssen wissen, wer nach Schweden kommt”, sagte Löfven. Allerdings wurde die EU-Kommission nicht vorab von dem Kurswechsel informiert.

Nach dem Schengen-Abkommen müssen Grenzkontrollen in Brüssel angemeldet werden. Stattdessen hat die Kommission wohl endgültig die Kontrolle verloren…