Eliten-Dämmerung
Offiziell ist die Eurokrise vorbei, jedenfalls was die Finanzen betrifft. Doch in der Politik bricht sie jetzt erst richtig aus. Gleich vier ehemalige Krisen-Länder sind unregierbar geworden – den Euro”rettern” sei dank.
[dropcap]G[/dropcap]riechenland, Irland, Portugal, Spanien – das waren die wichtigsten “Programmländer” der Eurozone. Später kam noch Zypern hinzu, aber dort wurden neue Spielregeln eingeführt (Bail-ins).
Bei den ersten vier hingegen galt noch das Bail-out-Prinzip: Private Gläubiger – vor allem Banken und Versicherungen aus DE, FR und UK – werden schadlos gehalten, die Bürger dürfen die Zeche zahlen.
Genau das rächt sich nun. Schon vor einem Jahr war die konservative Regierung in Griechenland gestürzt; die neue linke Syriza-Regierung löste eine massive Systemkrise aus, die mit der eigenen Kapitulation endete.
Seither wissen wir, dass die Eurozone nicht reformierbar ist; das vor allem von Deutschland diktierte Regelwerk kann und darf nicht geändert werden. Umso heftiger fällt die politische Abrechnung aus.
Sowohl in Spanien als auch in Portugal entstanden neue linksliberale Parteien, die sich dem “deutschen Diktat” entgegenstellten und die von Berlin gehätschelten konservativen Regierungen gestürzt haben.
In Irland fiel nun auch eine eher sozialliberal ausgerichtete Regierung. Allzu lange hatte sie die “fat cats”, die irischen Unternehmer-Clans und die großen US-Konzerne, bedient – und das Volk vergessen.
Nun kommt die politische Krise
Gemeinsam ist allen vier Wahlen, dass sie einen Denkzettel für die politischen und wirtschaftlichen Eliten brachten, die mit der EU -und Euro-Elite in Brüssel, Luxemburg und Frankfurt kooperiert hatten.
Es ist also eine Abrechnung mit den Eliten und ihrer neoliberalen Politik. Sie führt direkt in die nächste Krise – denn die alten Regeln gelten weiter, doch die neuen Parteien wollen sie nicht mehr einhalten…
…und stabile Mehrheiten zeichnen sich auch keine mehr ab. Wir dürfen deshalb gespannt sein, wo es als nächstes kracht – vielleicht wieder in Griechenland, wo nun auch noch die Flüchtlinge leiden?
Peter Nemschak
2. März 2016 @ 09:27
@ebo die Staatsverschuldung steigt mit wenigen Ausnahmen nicht nur in Griechenland sondern überall relativ zum BIP.
ebo
2. März 2016 @ 09:39
Tja, das liegt wohl am schwachen Wachstum… Schauen Sie sich auch mal die Vergleichszahlen in UK und US an, und natürlich die private Verschuldung. Dann wissen Sie, warum eine neue Krise in der Luft liegt!
Peter Nemschak
3. März 2016 @ 06:18
Die steigende Staatsverschuldung wird durch die hohe und in manchen Ländern steigende Arbeitslosigkeit getrieben. Für die steigende private Verschuldung habe ich keine rationale Erklärung. In Zeiten stagnierender Einkommen und extrem niedriger Inflation lohnt sich für Private verschulden nicht. Unternehmen brauchen weniger Kredit, da sie auf Grund gedämpfter Zukunftserwartungen weniger investieren.
ebo
3. März 2016 @ 09:14
Wenn die Zinsen gegen Null tendieren, ist Verschulden überaus verlockend. Schon mal was vom Immobilienboom gehört?
smukster
1. März 2016 @ 22:27
Das erscheint mir eine etwas oberflächliche Sicht auf die aktuellen Entwicklungen. Es ändert sich derzeit mehr, als es zunächst scheinen mag, und die “Austerität” wird bereits klammheimlich zu Grabe getragen. Die EU-Eliten sind auch nicht blind und sehen, wie sie eine Wahl nach der anderen verlieren – Griechenland, Portugal, Polen, Spanien…das könnte sich zu einer existenziellen Gefahr für die Union auswachsen. Die ständigen Konflikten erhöhen nicht gerade die Chance, dass die Briten für den Verbleib stimmen, und nächstes Jahr ca. im Mai wird in Frankreich einE neueR PräsidentIn gewählt – Le Pen könnte das Ende der EU bedeuten.
Peter Nemschak
2. März 2016 @ 07:47
Austerität ist ein irreführender begriff für einen Zustand, bei dem die Staatsverschuldung in den meisten Ländern ständig steigt. Um Le Pen zu verhindern, werden sich die anderen gesellschaftlichen Kräfte an den Gedanken einer Koalition gewöhnen müssen.
ebo
2. März 2016 @ 08:21
Warum steigt denn die Verschuldung? Weil überschuldeten Staaten neue Schulden aufgezwungen werden, um die Gläubiger zu bedienen, wie zuletzt in Griechenland. Um dieses neue Problem zulegen, setzt es noch mehr Austerität, wie derzeit in Athen.
Johannes
1. März 2016 @ 19:23
Ernsthaft???
Es werden ohne Ende Eurogesetze gebrochen, was schreibt der Autor? Deutschland würde sich keinen Millemeter bei den Gesetzen bewegen *hahahahaha
Peter Nemschak
1. März 2016 @ 18:16
Vor kurzem hat es noch geheißen, dass in den ehemaligen Krisenländern andere Politiker ans Ruder gekommen wären, die es besser machen würden. Die Bürger haben die alten Regierenden abgewählt, aber keine Partei mit einer überzeugenden Mehrheit ausgestattet. Was hat das mit den sogenannten “Eurorettern” zu tun? In Zukunft müssen entgegen alten Gewohnheiten kompromissfähige Koalitionen gebildet werden. Die Zeiten ändern sich, der soziale und politische Wandel macht auch im Süden nicht halt.
kaush
1. März 2016 @ 17:50
Den Bürgern, der Zivilgesellschaft soll klar gemacht werden: Egal wen ihr wählt, egal was ihr macht – am neoliberal Modell wird nicht gerüttelt!
Ich kann diese hervorragende Dokumentation u. Analyse sehr empfehlen.
Nach der Lektüre , oder dem Anhören wird einem klar, das diese Krisen genau so gewollt sind:
“Der ökonomische Putsch”
oder Was hinter den Finanzkrisen steckt
Von Roman Herzog
(Koproduktion: SWR/SR/DLF)
Gezielte Spekulationsattacken auf ganze Volkswirtschaften, unantastbare Finanzagenturen, die Regierungen in die Knie zwingen, und ohnmächtige Politiker, die gebetsmühlenartig wiederholen, es gäbe keine Alternative: Europa befindet sich im Wirtschaftskrieg.
Seit Jahrzehnten stehen Politiker im Bann neoliberaler Heilsverkünder. Wie entstand dieses heute unumstößlich scheinende System?
Das Experimentierfeld Lateinamerika und die Analysen des Philosophen Michel Foucault aus den 70er- und 80er-Jahren machen Dynamik und Reichweite der neoliberalen Umstrukturierungen unserer Gesellschaften deutlich und erhellen die heutigen Finanzkrisen.
Zum Vorschein kommt dabei ein Machtergreifungsmodell, das Politik, Gesellschaft und Individuen seit Jahrzehnten formt und konditioniert, ein ökonomischer Putsch, der heute den militärischen coup d’état abgelöst und eine globale Disziplinierung geschaffen hat.
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/feature/swr2-feature-der-oekonomische-putsch/-/id=659934/did=16421578/nid=659934/1ypdacm/index.html
smukster
1. März 2016 @ 22:22
Gerade bei der sog. “Eurokrise” – ein irreführender Name, denn mit der Währung hat sie nur sehr indirekt zu tun – ist es offensichtlich, dass die Krisenschübe künstlich verlängert werden, um die entsprechenden “Reformen” politisch durchsetzen zu können.