“Eliteclub mit müder Merkel”
Wie geht es nach dem missglückten EU-Gipfel weiter? Den deutschen Medien ist das kaum ein Wort wert. Sie halten sich an Kanzlerin Merkels Darstellung, dass alles in bester Ordnung sei. Anders die europäische Presse.
So spießt der belgische “Soir” den Streit über das Europa der “verschiedenen Geschwindigkeiten” auf, das neben Merkel auch Frankreichs Hollande führt (siehe “Von Ventotene nach Versailles”).
Sie lasse sich von einem Präsidenten, des Popularität bei 4 Prozent liegt und der bald abgewählt wird, gar nichts sagen, zitiert das Blatt die polnische Regierungschefin Szydlo.
Auch Merkel kriegt ihr Fett weg – in der regierungsnahen Budapester Tageszeitung “Magyar Idök”. Zitat:
“Europa durchlebt derzeit nicht gerade eine Ära des Ruhmes. In kaum zwei Jahren sind Millionen Fremde auf den alten Kontinent geströmt, wir erlitten blutige Terroranschläge und wir wurden zu Zeugen, wie sich zum ersten Mal ein Mitgliedsstaat für die Aufgabe der EU-Mitgliedschaft entschied. Unter diesen Umständen sollen wir uns nun entscheiden, ob wir uns dem eigensinnigen deutsch-französischen Tandem anschließen oder ob wir die Notbremse betätigen und Kern-Europa an uns vorbeizieht. Freilich, wir können uns nicht einmal sicher sein, dass das unsere Entscheidung sein wird. Man werde sich die Klubmitgliedschaft erst verdienen müssen, tönt es aus der europäischen Presse. (…) Das Problem ist nur, dass heutzutage nicht Konrad Adenauer oder François Mitterrand im Namen des Eliteklubs sprechen, sondern eine müde gewordene (deutsche Bundeskanzlerin) Angela Merkel und ein unglaublich unbeliebter (französischer Präsident) François Hollande.”
Ob die “müde Merkel” sich noch einmal einen Ruck gibt – und die EU aus der Krise führt? Selbst in Deutschland wachsen die Zweifel – selbst wenn sich das nicht den Medien widerspiegelt…
Werner G
13. März 2017 @ 08:39
nemschak:
Rechtsbrüche wie beispielsweise Gewaltausbrüche sind hingegen hart zu ahnden und nach den geltenden Gesetzen zu bestrafen.
Von was träumen Sie Nachts?
Holland hat die türkische Ministerin offiziell als unerwünschte Person deklariert, somit ist die Einreise illegal und zu bestrafen!
Glauben Sie im Ernst, daß auch nur einer bestraft wird, der an den Straßenblockaden und der ungenehmigten Demonstration in Holland teilgenommen hat? Hätten Sie den Mut hier zu einer Gegendemo zu gehen? ich nicht
Glauben Sie, daß es eine Strafe für den illegal in die Botschaft der Niederlande eingedrungene Flaggenhisser gibt?
Glauben Sie daß die Türkei die Kosten für den Polizeieinsatz in Holland trägt?
Mittlerweile glaube ich, daß die Politik nicht unser einziges Problem ist…
Claus
12. März 2017 @ 14:07
@Peter Memschak: Das Thema ist durch Artikel 8 GG klar geregelt: “Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.”
Da steht nichts von “Alle sich in Deutschland aufhaltenden” oder “alle ausländischen Amtsträger auf Wahlkampftour” oder Ähnliches. Ich habe überhaupt nichts dagegen, wenn Herr Erdogan seine Landleute zur Entgegennahme seiner politischen Offenbarungen in die Türkei einlädt.
Und das sehen die tapferen Holländer wohl auch so.
Peter Nemschak
11. März 2017 @ 21:18
Ein Staat mit einer langen rechtsstaatlichen Tradition wie Deutschland, die jedenfalls bis zur Bismarkschen Reichsgründung zurückreicht, sollte diese Tradition hochhalten. Der Rechtsstaat muss unterschiedslos gelten, ohne Ansehung der Person, ihrer Herkunft und Überzeugungen. Man kann von einem Insekt gestochen, aber nie beleidigt werden.
ebo
11. März 2017 @ 23:38
Sie vergessen das 3. Reich. Es ist die Türkei die provoziert. Wohin das führt, sehen wir in den Niederlanden.
Peter Nemschak
12. März 2017 @ 11:15
Nochmals, alle diese Vorgänge (Wahlkampfauftritte, Gegendemonstrationen) sind routinemäßig nach den Gesetzen des Rechtsstaates abzuwickeln. Sonst bekommen wir die Pöbelherrschaft, die einheimische und die zugewanderte. Meinungsfreiheit besteht darin, auch widerliche Meinungen gelassen auszuhalten, so ferne sie im Rahmen der geltenden Gesetze, welche unsere Normen festschreiben, zum Ausdruck gebracht werden. Rechtsbrüche wie beispielsweise Gewaltausbrüche sind hingegen hart zu ahnden und nach den geltenden Gesetzen zu bestrafen.
DerDicke
12. März 2017 @ 11:15
Ein “nein du trittst hier nicht auf” genügt laut BVerfG zu 100% den Rechtsstaatlichen Ansprüchen. Und es ist dann auch so durchzusetzen.
Fehlt nur der Minister der genug Mumm hat das auch so zu sagen.
Mein tiefster Dank an Herrn Wilders da er wohl alleine durch Anwesenheit für die klare Kante gesorgt hat. Hat er nicht auch im Interview gemeint, wenn das System Erdogan manchen türkischen Zuwanderern so gut gefällt sollen sie doch bitte dahin gehen wo es dieses System Erdogan schon gibt und nicht versuchen, unser System zu ändern?
Peter Nemschak
11. März 2017 @ 13:22
Man muss Merkel zugute halten, dass sie sich nicht von den autoritären Reflexen mancher EU-Staaten gegenüber der Türkei (Österreich und zuletzt die Niederlande) und dem Autoritarismus Ungarns und Polens anstecken lässt. Der Rechtspopulismus in der EU lässt sich vom seelenverwandten autoritären Verhalten Erdogans verführen und zeigt damit sein wahres Gesicht statt die Angelegenheit in rechtsstaatlicher Manier kühl abzuwickeln. Das gelassene Verhalten Merkels wird ihr als Schwäche ausgelegt und schadet ihr politisch. Aber es ist nicht jedermanns Sache, sich mit einem dahergelaufenen orientalischen Despoten im Dreck der internationalen Gosse zu wälzen.
ebo
11. März 2017 @ 15:09
Welche autoritären Reflexe meinen Sie? Ausländische Minister haben selbst in Deutschland keinen Anspruch, Wahlkampfkundgebungen abzuhalten. Das hat das Bundesverfassungsgericht gerade klargestellt. Wenn diese Minister dann auch noch Propaganda für eine Ein-Mann-Herrschaft machen möchten, sollte es sich von selbst verbieten, ihnen den roten Teppich auszurollen. Wir sind doch eine “Wertegemeinschaft”, oder? Der eigentliche Skandal ist, dass das Thema beim EU-Gipfel keine Rolle spielte….
Peter Nemschak
11. März 2017 @ 18:58
Sie mögen keinen Anspruch haben. Dennoch, so ferne ihr Auftritt den für Wahlveranstaltungen vorgesehenen gesetzlichen Vorschriften entspricht sollte er ebenso wie friedliche Gegendemonstrationen nicht verboten werden, insbesondere im Hinblick darauf, dass viele Einwohner Deutschlands zwei Identitäten besitzen und in ihrem Herkunftsland wahlberechtigt sind. Das muss eine selbstbewusste liberale Demokratie aushalten können. Es unterscheidet sie von einem autoritären Staat. Ich finde, Rechtsstaatlichkeit soll Vorrang vor politischer Meinungsäußerung haben.
DerDicke
12. März 2017 @ 11:08
Ach Peter.
Laut BVerfG reicht es, wenn der zuständige Minister “nein” sagt.
Dann entspricht der Auftritt nicht den gesetzlichen Vorschriften – so einfach kann “Rechtsstaat” sein.
Lustig ist außerdem, dass laut türkischem Gesetz Politiker keinen Wahlkampf im Ausland machen dürfen. So sieht dann ein ehemaliger Rechtsstaat aus.
Hat Adolf in den 30ern eigentlich auch seine Minister quer durch den Nahen Osten auf Werbetour für Diktaturen geschickt?
Ich finde es interessant wie Sie gegenüber dem Sultan ein “ach lasst den nur machen, alles nicht so schlimm, das muss unser Rechtsstaat aushalten” bringen während bei anderen Gelegenheiten ein “Wehret den Anfängen” gar nicht früh genug kommen kann.
Im Falle der Türkei bin ich sehr für das “wehret den Anfängen”.
S.B.
11. März 2017 @ 17:35
@Peter Nemschak: Ihr Rechtstaatsverständnis lässt sehr zu wünschen übrig! Genau wie das von Frau Merkel, die Sie so bewundern. Ich meine, Sie haben insoweit gewaltig die Orientierung verloren.
hintermbusch
11. März 2017 @ 19:30
Man sollte in diesem Zusammenhang an das erinnern, was die Französische Revolution der Minderheit der Juden zugesagt hat: nichts als Gemeinschaft, aber alles als Individuen und Bürger.
Die deutsche Politik tut das exakte Gegenteil davon: sie gewährt den türkischen und islamischen Verbänden und ihren führenden Köpfen Foren und Mitsprache und bildet sich ein, dass diese für ihre Mitglieder Vereinbarungen treffen können, obwohl ihre Legitimation absolut fragwürdig ist. Dieses verfehlte, antiliberale und antiindividualistische Konzept dehnt die deutsche Politik jetzt auch noch auf die türkische Staatsführung aus. Ich habe Verständnis dafür, dass ausgerechnet liberale Politiker wie Lindner und Rutte hier andere Pflöcke einschlagen.
Merkel darf das gerne anders sehen, und die unselige Praxis mit vom türkischen Staat geschickten Lehrern in deutschen Schulen ist ja tatsächlich immer ein CDU-Konzept gewesen. Es würde mich aber enorm freuen, wenn sie damit jetzt auch noch von einer dritten Seite unter Druck gerät: nach der AfD und Schulz jetzt durch die FDP. Die FDP sollte diese Karte eiskalt in den kommenden Wahlkämpfen ausspielen. Kubicki im Norden und Lindner in NRW könnten damit Merkel noch vor der BT-Wahl aus dem Amt katapultieren.