Eine inszenierte Krise
Eskalation in der Schuldenkrise: Nach der EZB setzen Griechenland nun auch Ratingagenturen und die Eurogruppe zu. Offiziell ist die neue Regierung in Athen an allem Schuld – dabei ist die Krise perfekt inszeniert.
Die Uhr tickt: Schon am Mittwoch soll Finanzminister Varoufakis bei der Eurogruppe in Brüssel Farbe bekennen, einen Tag später wollen sich die EU-Chefs Premier Tsipras zur Brust nehmen.
Angeblich ist Eile geboten, weil am 28. Februar der aktuelle Hilfsplan ausläuft. Aber warum läuft er aus? Weil die Eurogruppe dies so wollte – der Zeitdruck ist politisch gewollt.
Auch Samaras wollte keine weitere EU-Hilfe
Um das zu verstehen, muss man bis zur letzten Eurogruppen-Sitzung im Dezember zurückgehen. Ex-Premier Samaras wollte damals ursprünglich KEINE Verlängerung des Hilfsprogramms.
Genau wie sein Nachfolger Tsipras wollte er raus aus der Eurogruppen-Zwangshilfe und der Troika-Bevormundung. Doch Schäuble & Co. sagten Nein, Samaras wurde unter Druck gesetzt.
Am Ende verfiel man auf eine Verlängerung um zwei Monate – und auf vorgezogene Neuwahlen. So war das Zeit-Korsett geschaffen, in dem nun Tsirpas hängt wie am Fliegenfänger.
Deutsche Griechen-Raus-Kampagne
Weil es scheinbar noch nicht eng genug war, startete Berlin Anfang Januar die Griechen-Raus-Kampagne. Folge: Die Zinsen stiegen rasant, Athen kann sich nicht mehr am Markt finanzieren. Die neue EU- und Eurokrise war perfekt.
Der dritte Akt folgte dann letzte Woche, als die EZB die Griechen-Banken vom Geldhahn abdrehte. Wirksam wird der EZB-Beschluss „zufällig“ am 11. Februar – dem Tag der Sonder-Eurogruppe.
Keine demokratische Wahl
Der Zeitdruck ist also bewusst inszeniert worden – von Leuten, die Athen keine Wahl lassen und Tsipras in eine Falle locken wollen. Namen muss ich wohl keine nennen, oder?
Dieselben Leute haben es übrigens auch vermieden, sich vor der Europawahl festzulegen. So wurde die EU-Abstimmung ihres wichtigsten Themas beraubt.
Siehe auch „Der Deckel über Athen“ und „Ist Griechenland noch frei?“. Alle Beiträge zur Eurokrise finden sich hier.
Stefan Wehmeier
13. Februar 2015 @ 23:03
Um etwas inszenieren zu können, muss man über das dazu nötige Bewusstsein verfügen. Politiker haben gar kein Bewusstsein:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2015/01/bewusstsein-intention-und-weltbild.html
Peter Nemschak
10. Februar 2015 @ 14:12
Sie können als Staat nicht verschwinden, aber insolvent werden (siehe die diversen Staatsinsolvenzen der letzten 35 Jahre, Beispiel: Argentinien)
Quotex
10. Februar 2015 @ 20:35
Ja genau,Argentinien ist ein hervorragendes Beispiel.Wenn es nach Argentinischem Muster geht ist 65% der Kohle sowieso weg,da kann der Schäuble strampeln wie er will.
popper
10. Februar 2015 @ 12:05
Dieses ganze Geschwafel von Staats-Insolvenz ist so grotesk, dass man sich fragt, warum intelligente Menschen sich überhaupt mit diesem Popanz befassen. Staaten können rechtsdogmatisch kein Insolvenzverfahren durchführen.Sie können ihre Bürger nicht entlassen und als Staat von der Bildfläche verschwinden. Die Herleitung eines Isolvenzverfahrens aus Capter 11 etc. ist insoweit abwegig und grob irreführend
Warum die europäische Währungsunion in einem Dilemma steckt ergibt sich nicht zuletzt aus ihrer geldtheoretischen Konstruktion. Da gibt es 18 Staaten mit gleicher Währung (EURO), die aber aufgrund ihrer Finanzierung allein über den Kapitalmarkt, verbunden mit dem Verbot der Intervention und direkten Kapitalisierung durch die EZB, faktisch eine Fremdwährung haben.
Hinzu kommt die Vorstellung, dass eine Zentralbank Preisstabiltät bzw. das Preisniveau herstellen/beeinflussen kann. Ohne hier im Einzelnen auf Fragen des Monetarismus, der Gleichgewichts- oder Quantitätstheorie einzugehen, ist zunächst von Belang, dass jede noch so abstrakte Finanzmarktoperation darauf zielt eine Lohnentwicklung einzudämmen, die im Grunde genommen ja die wesentlichste Ursache für eine Binneninflation ist. Eine Tatsache, die von neoliberalen Ökonomen nur mit spitzen Fingern angefasst wird.
Der Kardinalfehler bei der Zusammenstellung der „EURO-Belegschaft“ war der, dass sich die “Planer” davon leiten ließen, die bloße Einhaltung der Beitrittskriterien gäbe dazu Veranlassung, scheinbar gleiche Sachverhalte auch gleich zu behandeln. Auch am Beispiel des TARGET-Systems, kann man sehen, dass das Kontrahendenrisiko, welches zwischen Geschäftsbanken bei Zweifeln an der Bonität einer Geschäftsbank sofort die Anpassung der Kreditkonditionen hervorrufen würde, wegen der Abwicklung über die nationalen Zentralbanken sofort neutralisiert wird. Hier muss man H.W. Sinn Recht geben, aber nur darin.
Griechenland ist mit der Wahl und der Berufung von Yanis Varoufakis als Finanzminister in der Lage, auf diese Unsinnigkeiten im System hinzuweisen und kompetente Anregungen zu geben. Dass die Kommission und die deutsche Regierung darauf nicht eingehen wollen, ist der Tatsache geschuldet, den Status quo und den Ausverkauf der Südländer verteidigen zu wollen, weil man befürchtet, einen Offenbarungseid leisten zu müssen, der die Bürger Europas darüber aufklärt, dass der Weg der Austerität falsch und kontraproduktiv war. Und die ganze Währungsunion in eine Deflation und Rezession gerissen hat, die sich allmählich in die „Nordländer“ hineinfrisst. Insoweit muss die griechische Regierung dicke Bretter bohren, um andere Betroffene (Italien, Frankreich) von dem bisherigen ökonomischen Unsinn zu überzeugen.
LaLa
9. Februar 2015 @ 18:54
Die neue griechische Regierung hat entgegen des bisherigen Geschreis aus der EU und üblicher deutscher Medienschelte sogar sehr klare und vielversprechende Vorschläge, wie die Krise nicht nur in GR, sondern in ganz Europa gelöst werden kann. Und zwar auf allen Ebenen: Banken-, Schulden-, Investionskrise wie auch die soziale, humanitäre Katastrophe in den Südländern. Und ganz „nebenbei“ soll die Demokratie in Europa wieder gestärkt, die Souveränität der Einzelstaaten wieder hergestellt werden. Wer des Englischen mächtig ist und etwas Muße hat, tue sich das im Netz erhältliche Papier von Yanis Varoufakis, Stuart Holland, James Galbraith „A modest proposal for resolving the eurozone crisis“ an. Ein Interview dazu mit Varoufakis auf deutsch gibt’s ebenfalls dazu, einfach mal googeln. Griechenland will nicht raus aus dem Euro – entgegen offizieller Verlautbarungen wäre ein „Grexit“ auch jetzt nicht weniger gefährlich als vor ein paar Jahren. Außer für diejenigen, die dank der „Rettungspakete“ ihre Schäfchen ins Trockene gebracht haben, die GR teuer bezahlen muß.
Ich persönlich finde es mutig von Tsipras und seiner Regierung, der EU klare Kante und dieser so erfolgreich-erfolglosen Politik des Kaputt-Sparens die rote Karte zu zeigen. Es ist doch logisch, daß der Primärüberschuß nicht schon wieder sofort in die Schuldentilgung – also die Zinszahlungen – fließen kann wie von EU und Troika verlangt. Darunter kommt die Wirtschaft nie wieder in die Gänge. Und huch! Da schickt sich doch tatsächlich eine gewählte Regierung an, ihre Wahlversprechen auch umzusetzen – inklusive harter Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung. Ich kann nur hoffen, im Sinne der Demokratie und ganz Europas, daß Tsipras standhaft bleibt. Wenn die Eurozone kracht, dann mitnichten wegen GR, sondern weil ökonomisch unbedarfte Nullen und politische Geisterfahrer aus dem Norden nach ihrer allein seligmachenden Façon in ganz Europa „durchregieren“ wollten und es dabei an die Wand gesetzt haben. Konnte man ja vorher alles nicht wissen….
winston
9. Februar 2015 @ 12:08
Bin vom Duo Tsipras/Varoufakis absolut positiv überrascht.
Hoffe die ziehen das Ding durch, das hiesse im Endeffekt Grexit, Für Griechenland die beste Lösung, kurzfristig nicht aber mittel bis Langfristig. Kann mir kaum vorstellen das ein Mann wie Varoufakis das nicht weiss.
Das wäre gleichzeitig der Anfang vom Ende des Euros.
Köstlich war der Trojka rauswurf in Athen, die Trojkaratte schluckte erstmal leer. :-)))
Weiter so Tsipras/Varoufakis.
Zu verhandeln gibt’s eigentlich nicht viel, der Euro ist schlicht und einfach nicht durchführbar.
Natürlich wäre eine Auflösung des Euros für den ganzen Affenstall in Brüssel ein schwerer Schlag.
ebo
9. Februar 2015 @ 12:30
@winston
Nun ja, eins muss man ihnen lassen: Sie sind mutig und – bisher – konsequent. Als nächstes sollten sie die Zinsen zurückfordern, die die EZB für ihre Finanzhilfe kassiert hat. Wenn das nicht klappt, bleibt noch die Einführung einer Parallelwährung. Das hätte den Vorteil, dass Griechenland selbst im Falle eines Grexits seine eigenen Geschäfte weiterlaufen lassen könnte. Danach muss nur noch irgend jemand den Rausschmiss besorgen – Freiwillige vor 🙂
Peter Nemschak
9. Februar 2015 @ 16:35
Wenn die griechische Regierung so weitermacht, schmeißt sie sich selber hinaus. Nochmals: Reformbudget so rasch wie möglich. Ich nehme an, das haben sie sich bereits vor der Wahl überlegt, Fristerstreckung erlangen, was auch möglich ist, wenn der ernsthafte Wille zu Reformen besteht, und Budget zur Genehmigung den Gläubigern vorlegen. Was ist daran so schwer? Jedes Unternehmen im Chapter 11 schafft das innerhalb von 3 Monaten. Externe Berater helfen den Prozess zu beschleunigen. Ohne laufende Kontrolle, die Athen ablehnt, wird nichts gehen. Wenn die Griechen nicht wollen, dann besser ein rasches Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
ebo
9. Februar 2015 @ 18:04
Genau, 3 Monate! In der Politik spricht man von 100 Tagen. Wie viel Zeit lässt man Athen? Nicht einmal 10 Tage…
ich nurich
9. Februar 2015 @ 11:24
wie wäre es mit zwei währungen???
eine lokale währung – sagen wir den drachme (der nostalgie wegen) – mit dem alles was sich in GR befindet bezahlt werden kann (mieten, strom, wasser usw.) – und mit dem ausschließlich griechische produkte und dienstleistungen (nahrung, kleidung, holz(pellets)/heizung usw.) bezahlt werden können – eine währung die nie an börsenähnlichen gebilden missbraucht wird – sondern wirklich nur als lokales tauschmittel verwendet werden kann… ein echtes “volksgeld”…
…und von seiner grundstruktur dem “wörgl” ähnelt. (google nach “wunder von wörgl”)
der euro – oder von mir aus ein “globo” – wird ausschließlich für den überregionalen handel verwendet – und zum zocken für die geldgeilen…
wenn dann die weltwirtschaft kollabiert – und das wird sie – dann kann das den menschen im großen und ganzen egal sein – weil die lokale wirtschaft nicht davon abhängt – und somit auch nicht das überleben der menschen vor ort…
diese doppelwährung kann jedes land einführen!
wenn ein land an sich schon so groß ist das es kollabieren kann – dann wird eben in weitere kleine einheiten unterteilt – in den usa könnte z.b. jeder bundesstaat seine eigene währung haben – überregional verwendens dann halt den dollar – oder auch einen “globo”…
…nur so zum nachdenken!!!
auch pensionen können z.b. in drachme ausbezahlt werden usw…
griechenland ist klein genug dieses experiment sofort zu starten!!!
natürlich wird dadurch das „euro-problem“ nicht gelöst – das ist in wirklichkeit auch unlösbar gemacht worden (gewollte abhängigkeit) – aber die menschen vor ort könnten mit einer echten eigenen – nicht an der börse gehandelten – währung ihren lebensunterhalt bestreiten und die lokale wirtschaft gewaltig ankurbeln!!!
Holly01
9. Februar 2015 @ 09:36
Hallo,
auf querschuesse.de gibt es diesen threat :
http://www.querschuesse.de/buba-target2-saldo-bei-515266-mrd-euro/
und da kann man bei den target2 salden, die als Graphik aufbereitet sind sehr schön sehen, wie das taget2 Volumenbereits — vor — der Griechenlandwahl anfing zu steigen.
target2 drückt nichts anderes aus als die Kreditvergabe über ELA. Diese Kreditvergabe steigt bereits seit mitte 2014 wieder.
Insziniert? Ja das ist die show auf jeden Fall.
Die Frage lautet doch, wer führt die Regie und für welches Publikum wird die show gemacht?
Der fracking boom wurde abgesagt. Die Amis sollen dort mit 500 Mrd. drin stecken. Ein nicht unerheblicher Teil soll auch aus Europa gekommen sein.
Übrigens auch eine eher inszinierte show. Man eskaliert die Ukraine, gibt vor den Russen ruinieren zu wollen und kappt den sowieso ausgebrannten fracking hype.
Und zeitgleich lebt die Eurokrise wieder auf und der Währungskrieg geht weiter.
Bei nur 5-50 Banken die die ganze Welt regieren … wer führt denn da Krieg und mit wem?
Das hat nicht damit zu tun, das die BRICS eine Alternative zu BIZ,IWF und Weltbank aufbauen?
Es läuft wohl gerade eher nicht so gut für die Wertegemeinschaft und ihren Hegemon.
Die „show“ war aber schon besser, die Qualität der Darsteller ist mithin etwas mau.
Johannes
9. Februar 2015 @ 06:44
„Der dritte Akt folgte dann letzte Woche, als die EZB die Griechen-Banken vom Geldhahn abdrehte.“
Das stimmt nicht, denn über das ELA System der EZB bekommt Griechenland noch immer Geld. Auf einen Seite Geldhahn zudrehen und auf den anderen Seite weiter aufdrehen.
Ebo und seine Freunde in Brüssel können dann wieder mit dem Finger auf Deutschland zeigen, Merkel kann die eiserne Kanzlerin spielen und am Ende stelle ich als Bürger fest, Ebo, Merkel, die EU, die EZB haben uns wieder veräppelt und nur einen Teil der Wahrheit gesagt und nicht die ganze Wahrheit.
Peter Nemschak
9. Februar 2015 @ 09:15
Die EZB handelt derzeit im Rahmen ihres Mandats und ihrer Möglichkeiten. Diese sind allerdings bald erschöpft, außer unsere Politiker lassen sich durch Griechenland erpressen. Griechenland ist den Gläubigern nach wie vor ein glaubwürdiges Reformprogramm samt Budgetvorschlag schuldig.
ebo
9. Februar 2015 @ 09:23
Ich glaube kaum, dass der 11. Februar im EZB-Mandat festgeschrieben war. Genauso gut hätte es der 28.2. oder der 30.6. sein können. Die EZB macht Politik und überschreitet damit ihr Mandat.
Peter Nemschak
8. Februar 2015 @ 17:26
Ich kann mir vorstellen, dass die EU den Griechen ausreichend Zeit geben wird, ein erfolgversprechendes Reformpaket den Gläubigern zu unterbreiten, so ferne die griechische Regierung daran interessiert ist. Bisher gab es von Seiten der Griechen nur heiße Luft und viel Theater, was die Gläubiger wohl kaum beeindrucken dürfte.