Von Win-Win zu Lose-Lose
Die EU-Gründerstaaten haben sich in Rom getroffen, um über die Mega-Krise zu beraten. „Wir müssen wieder für Europa kämpfen, denn Europa ist nicht das Problem, sondern die Lösung“, sagte Außenminister Steinmeier. Wenn es so einfach wäre…
[dropcap]B[/dropcap]ei Gründung der EU war die Sache noch klar: „Gemeinsam sind wir stärker“ war das Motto. Die engere Zusammenarbeit noch weitgehend souveräner Nationalstaaten galt als klassische „Win-Win-Situation“.
Das meint Steinmeier wohl auch, wenn er von Europa als „Lösung“ spricht. Doch mittlerweile ist die EU selbst zum Problem geworden. Zwar bleibt richtig, das viele Probleme auf nationaler Ebene nicht mehr zu lösen sind.
Umweltschutz, Klimawandel, Flüchtlingskrise – all das lässt sich nur europäisch oder international in den Griff bekommen. Durch geteilte Souveränität zu mehr Souveränität, heißt die passende Formel aus Brüssel.
Das Problem ist aber, dass die EU ein doppeltes Spiel spielt: Zum einen raubt sie den Nationalstaaten ihre Souveränität, indem sie immer mehr Bereiche von Politik und Wirtschaft zentral in Brüssel regelt.
In der Regel läuft es dabei auf Deregulierung und Privatisierung hinaus, gemäß der herrschenden neoliberalen Doktrin. Nationale Regeln werden dabei ausgehebelt und abgeschafft, Schutzzonen werden zerstört.
Brüssel hebelt Souveränität aus, statt sie zu bündeln
Zum anderen versäumt es die EU aber, die Souveränität auf europäischer Ebene neu zu „poolen“, wie es im Polit-Jargon so schön heißt. Sie bündelt nicht etwa die Macht ihrer Mitglieder, sondern hebelt sie aus.
In der Flüchtlingskrise ist genau dies passiert. Erst wurden nationale Zölle und Grenzen abgeschafft, dann „vergaß“ man, die Außengrenzen zu sichern und neue europäische Schutzmechanismen zu schaffen.
Dieses doppelte Spiel führt nicht nur zu einem massiven Verlust von Souveränität, sondern auch von Solidarität und Legitimität (in den Nationalstaaten). Auch das zeigt die Flüchtlingsdebatte überdeutlich.
Die schlechte Nachricht: Es gibt kein Zurück mehr!
Die EU steckt nun zwischen Baum und Borke. Sie hat die Globalisierungs- und Steuerungs-Probleme zum Großteil selbst geschaffen, für die sie nun angeblich die Lösung sein soll.
Aber jetzt kommt der Clou: es gibt kein Zurück mehr! Denn eine schlichte Rückverlagerung auf die nationale Ebene, wie sie Populisten und Nationalisten fordern, würde das Chaos nur vergrößern.
Ein einfaches „Weiter so“ ist aber auch keine Option. Die EU steckt in einem Dilemma – weil sie „falsch programmiert“ war (nämlich neoliberal), hat sich die Win-Win- in eine Lose-Lose-Situation verkehrt…
vercingetorix
11. Februar 2016 @ 13:27
Bei der EU stimmt einfach seit langem die Richtung nicht mehr.Was man in Brüssel wollte und will das sind nach wie vor die „Vereinigten Staaten von Europa“. Jetzt aber stellen jene Parteien, die für diese Ausrichtung des „europäischen Projektes“ seit Jahrzehnten verantwortlich sind, fest, dass es für ein solches politisches Unterfangen keinerlei Mehrheiten geben wird in den verschiedenen europäischen Länder. Ein Deutscher wird immer deutsch bleiben wollen, ein Franzose französisch, ein Däne dänisch, und ein Luxemburger luxemburgisch usw.Es gibt für diese Ausrichtung der „Vereinigten Staaten von Europa“ keinerlei Mehrheiten und es wird sie nie geben!
Ein Indikator hierfür ist zum Beispiel der enorme Zulauf in Europa zu EU-kritischen und sogar zu EU-feindlichen Parteien.Würde Marine Le Pen in Frankreich zur Präsidentin gewählt, und völlig undenkbar ist das seit den verschiedenen islamischen Massaker in Frankreich nicht mehr, wäre das das defintive Aus für das „Europäische Projekt“.
Ich behaupte sogar, dass es für die Formel der „ever closer union“, keine Mehrheiten gibt in den Partnerstaaten! Die meisten Leute wollen das einfach nicht und wollen, dass die Dinge von ihnen bekannten und gewählten Politiker erledigt werden und nicht von undemokratischen, gesichtslosen Leuten, die von den nationalen und regionalen Befindlichkeiten keine Ahnung haben..
Deshalb war diese politische Ausrichtung der EU von Anfang an falsch!
Dazu kommt dann noch das undemokratisch-bevormunderische Gebaren der EU-Bonzen, die von niemandem gewählt worden sind, gegenüber den einzelnen Staaten, besonders aber gegenüber den neuen ost-europäischen Partnern, denen man andauernd versucht Vorschriften zu machen.
Diese manchmal sogar absolut lächerlich anmutende Einmischung der EU in Kleinigkeiten der täglichen Lebens der Menschen in der EU wie zb das Bestimmen des Biegungsgrads von einzuführenden Bananen und Gurken, oder etwa die Verschlussvorschriften für öffentliche Ölkännchen in Restaurants und viele anderer solcher Dummheiten, waren der Akzeptanz und der Reputation der EU in Europa sicherlich nicht dienlich.
Man könnte hier noch viel schreiben, wie zum Beispiel über das oftmals völlig unseriöse Finanzgebaren der EU(Geldverschwendung in Milliardenhöhe), die unappetitlich hohen Bezüge der EU-Kommissare, der EU-Parlamentarier und der EU-Bediensteten und über andere Vorteile, die der europäische Normalverbraucher nicht hat,
Die EU muss sich in Richtung einer Allianz souveräner Nationen entwickeln, die auf Freundschaft, Zusammenarbeit, und Solidarität fusst. Nichts anderes ist heute noch möglich!
OXIgen
11. Februar 2016 @ 20:32
@vercingetorix
Das haben Sie treffend analysiert! Nur: für eine „Allianz souveräner Nationen“ braucht es keine EU. Im Gegenteil, eine solche Allianz unter dem Regime der EU – zumal mit Deutschland als primus inter pares – wäre ein Widerspruch in sich.
winston
11. Februar 2016 @ 12:12
Die Riksbank will bei Bedarf zudem in den Devisenmarkt einzugreifen. Sollte die heimische Krone so stark aufwerten, dass dadurch die Inflation gedrückt werde, sei man zum Handeln bereit. Je stärker die Währung, desto günstiger können Waren importiert werden.
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/02/11/schwedens-zentralbank-senkt-negativen-leit-zins-weiter-ab/
Genau das was die Schwedische Zentralbank evtl. vor hat, wäre in gewissen Euroländer seit Jahren bitter nötig aber nicht durchführbar. Schweden hat eine eigene Währung die Euro-Länder nicht. Und so greift man zu Steuererhöhungen und Lohnkürzungen (Austerität) was die Binnennachfrage abschwächt und eine Deflationsspirale auslöst.
Eine überbewertete Währung macht Importwaren billig und einheimische Produkte teurer. Für Deutschland perfekt, für Frankreich, Italien, Finnland, Spanien…. usw, selbst für Österreich ein Desaster.
Draghi will durch QE das Inflationsziel von 2% erreichen, betreibt aber knallharte Deflationspolitik.
Absolut unlogisch und ein Irrsinn sondergleichen.
Und obendrauf will man noch durch diesen bescheuerten Fiskal Pakt die Schulden reduzieren, mitten in einer Depression und Deflation, der helle Wahnsinn. In den USA, Japan, UK und selbst China schüttelt man nur noch den Kopf ab so viel Makroökonomische Inkompetenz.
GS
11. Februar 2016 @ 13:48
Für Deutschland ist die Währung aber nicht über-, sondern unterbewertet.
kaush
11. Februar 2016 @ 14:00
Die Handlungsunfähigkeit der EU kennt kaum Grenzen:
„…Tragisch an der ganzen Geschichte ist, dass nach gut 15 Jahren unterbewertetem Yuan gegenüber dem Euro, nach Jahren eklatanter Verletzung von WTO-Richtlinien durch China, immer noch niemand auf politischer Ebene den Ernst der Lage erkannt hat.
Die EU hat sich mit ihrer ‚Europe 2020’-Agenda im Jahr 2013 zum Ziel gesetzt, Europa zu reindustrialisieren und die Wertschöpfung des industriellen Sektors in Europa bis 2020 wieder von rund 15% auf 20% des BIP zu steigern.
So wie die Kommission operiert, könnte die Industrie in Europa bis zu diesem Zeitpunkt ganz ins Museum gehören.
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/02/11/eu-ignoriert-warnungen-europas-stahl-industrie-droht-das-ende/
Man schafft es Glühbirnen zu verbieten, oder die Leistung von Staubsaugern zu begrenzen… und das war’s. Mehr hat man als Bürger von dieser EU nicht mehr zu erwarten.
winston
10. Februar 2016 @ 23:41
Die heutigen Ökonomen, zumindest die seriösen, wissen mittlerweile das die Wirtschaft nicht so funktioniert wie sich das Milton Friedman in den 60ern dachte.
Es ist nicht das gedruckte Geld das die Wirtschaft beeinflusst sondern das ausgegebene.
Das Eurosystem ist an absurden Regeln gebunden. Familien und Unternehmen haben Angst Geld auszugeben, und die Banken Kredite zu vergeben. Die EZB wird auch mit ihrem Big Bazooka nix machen können, ausser ihre Tore zu schliessen und dicht machen.
Peter Nemschak
11. Februar 2016 @ 11:43
…weil wir mitten im Epochenwandel zur vierten industriellen Revolution stehen und deren Auswirkungen nicht abschätzen können.
hlschmid
10. Februar 2016 @ 21:11
Wenn es weder ein „Zurück zu den Nationalstaaten“ noch „ein Weiter wie bisher“ gibt, müsste man einen Umbau wagen in ein Europa der variablen Geometrie, für alle Länder und von den Bürgern bestimmt (www.our-new-europe.eu).
Johannes
10. Februar 2016 @ 18:58
Wo ist EU liberal???
Die retten Banken ohne Ende, ist das ist Gegenteil von liberalen, freien Märkten.
Banken, NSA Skandal, Steuerparadieskönig Junker zum EU-Cheffe gewählt, Euro – Die EU in Brüssel hasst liberale Werte und Eigenverantwortung.
Also rettet ruhig schön weiter Eure Banker in Griechenland mit unseren Steuergeldern *hahahahaha
ebo
10. Februar 2016 @ 19:00
Das haben die USA, UK, und Irland auch gemacht – damit der globale Kapitalismus nicht zusammenbricht. Sie haben sogar Banken verstaatlicht – um sie hinterher mit Profit wieder loszuschlagen!
Peter Nemschak
10. Februar 2016 @ 19:54
…so wie die Schweden in den 90-iger Jahren; letzteres zum Vorteil des Steuerzahlers.
S.B.
10. Februar 2016 @ 20:10
Das funktioniert aber nur, so lange der Kreditzyklus eine weitere massive Verschuldung zulässt. Dies ist jetzt nicht mehr der Fall. Das Ende des aktuellen Kreditzyklus ist erreicht, also keine zusätzliche Verschuldung mehr möglich. Warum sonst wohl gibt es ernsthafte Bestrebungen, das Bargeld abzuschaffen und Negativzinsen einzuführen? Weil alle anderen (Verschuldungs-) Möglichkeiten ausgeschöpft sind, die Banken aber dringend Geld brauchen.
winston
10. Februar 2016 @ 17:16
Das Jahr 2016 wird IMHO hochexplosiv.
Was wird UK machen ? Ein Brexit wird ziemlich sicher die EU destabilisieren.
Das würde die Irreversibilität der EU in frage stellen. Andere Länder wie Schweden, Dänemark könnten folgen.
Was passiert im Frühling, geht der Massenexodus weiter ? Und wie will man diese Problematik lösen ? Was passiert an den Grenzen ?
Die Bail-In Regel, das heisst die Sparer haften direkt für die Banken, ohne das es irgendwelche Sicherungssysteme gibt und ohne das die jeweiligen national Staaten intervenieren können, eigentlich völlig verrückt. Das könnte das gesamte europäische und vermutlich auch das amerikanische Bankensystem unsicher machen und extreme Turbolenzen an den Märkten auslösen, hier kann dann wiederum der Staat nicht eingreifen und auch die EZB nicht, allerdings ist das nur in der Euro-Zone so. Eine zerstörerische Spirale nach unten würde sich auftun.
Aber das absolut heisseste Pflaster ist IMHO Griechenland, auch wenn die Medien nix darüber berichten.
Dort zieht man die ganze Neoliberale Agenda mit Brachialgewalt durch, eine Privatisierungswelle sondergleichen, brachiale Steuererhöhungen und Kürzungen bis weit über der Schmerzgrenze. Kann sein das ich jetzt übertreibe aber ich rechne in Griechenland mit Hungerepidemien und Lebensmittelläden Stürmungen. Das wird dann der Punkt sein wo der Faden definitiv reisst und Griechenland wird zwangläufig aus dem Euro austreten, vermutlich unangekündigt aus heiterem Himmel. Das wird einschlagen wie eine Bombe und gleichzeitig das ende des Euros bedeuten. Vielleicht wird’s auch 2017, egal Griechenland wird diese Austerität nicht mehr länger aushalten.
Carlo
10. Februar 2016 @ 14:25
In der EU gab es noch nie eine Win-Win-Situation. Warum? Weil die Kombination aus Wettbewerb, Schuldgeldsystem und doppelter Buchführung immer ein Null-Summen-Spiel ergeben muss. Mein Gewinn ist Dein Verlust. Der einzige Wert: The winner takes it all.
Mehr muss man zu dem ganzen Problem nicht schreiben.
Claus
10. Februar 2016 @ 11:26
Lose-Lose? Das passiert, wenn Politiker ein protziges Hochhaus in den Sand bauen und übersehen, dass man mit einem tragfähigen Fundament beginnen sollte. Schon ein Bauhandwerker im 1. Ausbildungsjahr weiß, dass es so nicht funktioniert, aber im Unterschied zu den Männern und Frauen vom Bau müssen Politiker keine Ausbildung in praxisrelevanten Berufen nachweisen. Da sind Parteibuch und ein strammer ideologisch gestählter Auftritt wichtiger.
Politiker im Schulterschluss mit Großindustrie und Kapital haben sich den ehemals ehrbaren EU-Gründungsgedanken eines Europas souveräner in Freundschaft verbundener Vaterländer zur Beute genommen und pervertiert. Wirtschaftlich und kulturell unüberbrückbar ungleiche Mitgliedsländer? Kein Problem, da stülpen wir den Euro drüber, dann erledigt sich der Rest von allein! Unterschiedliche Lebensbedingungen an der Hamburger Elbchaussee und auf der hinterletzten Insel der Ägäis? Wie ungerecht, es muss schnellstens egalisiert werden!
„Weiter so“ als Lösung? Meiner Ansicht nach bleibt nur, die Taste zu drücken, wie sie jedes nicht „falsch programmierte“ elektronische Helferlein hat, wenn es stecken bleibt, namens „RESET“! Dieses Brüsseler Konstrukt ist weder heilbar noch weiterzuentwickeln, für letzteres dürfte es im Hinblick auf die Entwicklungen in Osteuropa, England und Frankreich ohnehin keine Mehrheiten mehr geben.
ebo
10. Februar 2016 @ 11:37
@Claus So einfach geht es eben nicht zurück. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur noch London zu schauen – und die Argumente pro und Contra Brexit zu lesen. Ein Austritt aus der EU wäre mit erheblichen Nebenfolgen verbunden, für UK wären sie ziemlich negativ (für die EU weniger)!
Claus
10. Februar 2016 @ 13:27
@ebo: Stimme zu – für England wäre ein Austritt aus der EU in der Tat nachteilig, aber der typische Brite gehört nun mal zu den Europäern, die sich am wenigsten gern Vorschriften aus Brüssel erteilen lassen und in Zeiten von Krisen zusammensteht. Zum anderen könnte ein „Brexit“ der englischen Wirtschaft einen gesunden Stimulus erteilen, sich wieder vermehrt einer wertschöpfenden, spezialisierten und Know-How-getriebenen Industrie zuzuwenden. Denn was machen die Londoner „City Boys“ den ganzen Tag? Nicht viel, worauf eine gesunde Volkswirtschaft wirklich angewiesen wäre – siehe Engagement der Deutschen Bank dort.
Die Zeiten, in denen England noch Maßstäbe im Bereich der Technik und Ingenieurwissenschaften setzte, sind vorbei. Übermächtige Gewerkschaften und Selbstgefälligkeiten haben das Land größtenteils deindustrialisiert, sieht man von wenigen „High-Tech-Perlen“ wie z.B. dem Rolls-Royce-Triebwerksbau oder dem überschaubar noch verbliebenen Fahrzeugbau wie Land Rover ab. Oft setzen Arbeiter in den walisischen Tälern nur noch Komponenten für Fernseher oder Kfz-Teile zusammen, damit sie formal „Made in EU“ sind. Alles Entwicklungen, deren Ursprünge schon 50 Jahre zurückliegen. Diese Defizite mit einer überbordenden Londoner Finanzindustrie zu kompensieren war immer schon ein riskantes Spiel.
kaush
10. Februar 2016 @ 11:21
„Aber jetzt kommt der Clou: es gibt kein Zurück mehr! Denn eine schlichte Rückverlagerung auf die nationale Ebene, wie sie Populisten und Nationalisten fordern, würde das Chaos nur vergrößern.“
Das ist ein ganz schlimme Aussage. Diese Denke führt am Ende zu Krieg und verbrannter Erde.
Die Totschlagsargumente „Populisten“ und „Nationalisten“ zu benutzen, ist auch nicht gerade konstruktiv.
Sie sollen doch nur eine ergebnisoffene Diskussion verhindern und Diskreditieren.
Selbstverständlich gibt es Alternativen. Eine davon ist, einen Schritt zurück zu gehen.
Ich möchte mal das Bild gebrauchen, dass Dir Müller bei einer Talkshow im öffentlich-rechtlichen entworfen hat:
Wenn man nachts vor einem Sumpf steht, kann man darüber diskutieren, ob man links- oder rechtsherum vorbeigeht, aber man kann nicht sagen, wir gehen mitten durch. Alternativlos.
Das führt unausweichlich ins Desaster.
Mittlerweile stehen wir nicht mehr vor dem Sumpf – wir sind einen Schritt weiter.
Wir sollten zumindest einen Schritt zurückgehen, dass gebietet die Vernunft.
DerDicke
10. Februar 2016 @ 10:57
Nun ja, wir sind wohl im Neoliberalsozialismus. Eigentlich ein Widerspruch, aber auch Nationalsozialismus ist ein Widerspruch in sich, besteht er doch aus den Worten National und Sozialismus.
Sozial für die Konzerne, die mit Steuererleichterungen und der Möglichkeit der Steueroptimierung durch diverse Subunternehmen entlastet werden, die Subventionen kassieren damit sie Langzeitarbeitslose einstellen, die mit Abwrackprämien und laschen Vorgaben gepampert werden, die die Politik mit Arbeitsplatzverlagerung erpressen.
Neoliberal für die abhängig Beschäftigten und Arbeitslosen, sie sich im ständigen Konkurrenzkampf mit anderen Menschen bewähren müssen, deren Arbeit immer mehr verdichtet und auf weniger Schultern verteilt wird, die immer mehr Zeitarbeitsverträge bekommen, immer weniger Planungssicherheit haben und deren Einkommen schon seit Jahren nicht mehr nach der goldenen Lohnregel (Inflation + Produktivitätszuwachs) erfolgt.
Neoliberal für die Länder, die sich als Wettbewerber sehen und sich gegenseitig die (Arbeits)märkte zerstören. Zumindest würde ich das was in Griechenland passiert nicht als Hilfe bezeichnen.
Peter Nemschak
10. Februar 2016 @ 11:27
Die Hilfe für Griechenland wurde nicht dafür konzipiert, alte gesellschaftliche Gewohnheiten und Rückständigkeiten zu reproduzieren. Insgesamt geht es darum, in Europa die Voraussetzungen für eine wirtschaftliche Dynamik zu schaffen. Diesbezüglich sind uns die USA voraus. Dass Sanders vor Clinton liegt, zeigt, dass sich die Wähler ein neues „Establishment“ wünschen. Bisher war der amerikanische Wahlkampf eine Schmierenkomödie sondergleichen, vor allem bei den Republikanern. Vielleicht wird Bloomberg, wenn er antritt, eine glaubwürdige Alternative zu den Demokraten darstellen. Skurril welche Figuren glauben, die Weltmacht USA führen zu können. Nicht weniger skurril die Menschen, welche diese Typen anhimmeln. Wer immer diese Wahl gewinnt, muss mit dem Material zurecht kommen, das er vorfindet.
S.B.
10. Februar 2016 @ 12:00
@Peter Nemschak: „Skurril welche Figuren glauben, die Weltmacht USA führen zu können. Nicht weniger skurril die Menschen, welche diese Typen anhimmeln.“
Sehen Sie irgendeinen Unterschied zu D und EU? Ich nicht.
S.B.
10. Februar 2016 @ 15:02
Hier ein aktuelles Beispiel aus dem realexistierenden Sozialismus: http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/allround-handwerker-muessen-kleinbetriebe-aufgeben-a-1076659.html
Die Sozialisten, in diesem Fall der Zentralverband Deutsches Baugewerbe in Verbindung mit dem Gesetzgeber, kommen mit dem sozialistischen überdehnten Wert „Solidarität“ daher und belasten nun auch die Kleinunternehmer, die zuvor eine Marktlücke ausgemacht haben, mit einer Ausbildungsabgabe. Niemand darf dem sozialistischen System entkommen. Auch, wenn er nichts davon hat, weil er Solo-Unternehmer ist.
Gleichzeitig „schützen“ die Sozialisten wie üblich völlig ungefragt wieder einmal eine Gruppe: die von Scheinselbständigkeit „Bedrohten“. Ob diese überhaupt geschützt werden wollen, interessiert nicht.
In Wirklichkeit machen diese Leute nichts anderes, als über ihre Sozialisten-Organisation per Zwang den Markt zu beherrschen und zu zerstören, denn der freie Markt ist ihnen zuwider.
ebo
10. Februar 2016 @ 16:04
Das nennt man nicht Sozialismus, sondern Korporatismus. Ist vor allem in Deutschland weit verbreitet. 1. Semester Politikwissenschaft,
S.B.
10. Februar 2016 @ 16:52
Man nennt das jedenfalls auch nicht Neoliberalismus. Siehe ebenfalls 1. Semester Politikwissenschaften. 😉 Korporatismus gibt’s sicher auch in Verbindung mit Sozialismus.
S.B.
10. Februar 2016 @ 11:28
@DerDicke: Von mir aus kann man den (Real)sozialismus auch Neoliberalsozialismus nennen. Deutlich wird auf jeden Fall, dass auch dieses System nur dazu dient, bestimmte, gut organisierte Gruppen auf Kosten der schwächer oder gar nicht organisierten Gruppen zu bevorzugen.
Zur Frage, ob wir im Sozialismus leben, habe ich vor Kurzem folgende, punktgenau zutreffende Systemanalyse gelesen (Auszug):
„…Haben tatsächlich diejenigen recht, die meinen, beim Sozialismus handle es sich
um eine (infektiöse) Geisteskrankheit, die alle von ihr Befallenen dazu zwingt, nicht nur
verteilungs- sondern auch ordnungs- und gesellschaftspolitisch autodestruktive Strategien zu entwickeln und umzusetzen? Schließlich sitzen, das darf nicht übersehen werden, in Deutschland wie in Österreich, ausschließlich Sozialisten in den Parlamenten und Regierungen. Und deren Selbsteinschätzung kommt in keinem Statement besser zum Ausdruck, als in jenem des einstigen österreichischen Kanzlers Sinowatz: „Ohne Partei sind wir nichts“.
Wahr gesprochen. Sie sind nichts. Gar nichts. Wer indes von sich selbst (im Falle der Sozialisten natürlich durchaus zurecht) nichts hält, kann auch keine Wertschätzung für andere aufbringen (schlag nach bei Ayn Rand und Nathaniel Branden). Besonders nicht für diejenigen, die auch ohne Partei „etwas“ sind. Die gesamte Gesellschaft auf dem materiell denkbar niedrigsten Niveau zu versammeln, war und ist die unausweichliche Konsequenz der Umtriebe eines regierenden, linken Pöbels. Die geistige und charakterliche Degeneration der Massen, folgt der von den verkommenen Obertanen verordneten Nivellierung auf dem Fuße. Der massenhafte Import mittelloser Analphabeten, ist für die antibürgerlichen Klassenkämpfer ein willkommenes Mittel, um auf ihrem Weg zum Ziel beschleunigt voranzuschreiten…“
Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Der Autor dieser Zeilen bezeichnet das System übrigens als „Sozialdemokratismus“. Ist auch akzeptabel.
S.B.
10. Februar 2016 @ 09:41
Hier noch einmal der Link zum Weick-Interview: http://www.deraktionaer.tv/video/bestseller-autor-weik-wir-haben-alle-zutaten-fuer-einen-crash-50184312.html
S.B.
10. Februar 2016 @ 09:40
@ebo: Das mit den „Populisten“ im letzten Absatz hätten Sie sich sparen können. Dies würde nämlich meinen, dass die Leute, die ein „Zurück“ wollen, dies gar nicht ernst meinen. Das glaube ich nicht. Deshalb ist nur der Begriff „Nationalisten“ gerechtfertigt. Wer ist denn ein solcher Populist in Ihren Augen.
Sie verwenden in Sachen EU den Begriff „neoliberal“. Dazu müssten Sie zumindest erklären, wie Sie den Begriff verstehen, denn er ist in seiner Bedeutung bei Weitem nicht eindeutig.
In Wikipedia steht zur gegenwärtigen Verwendung des Begriffs Neoliberalismus: „Heute wird der Begriff vorwiegend als pejorative Fremdbezeichnung von „Marktfundamentalismus“ verwendet, nicht selten im Zusammenhang mit der New Right und der damit verbundenen Wirtschaftspolitik Ronald Reagans und Margaret Thatchers.“
Wenn Sie den Begriff mit dieser Bedeutung verwenden, also mit der Intention „Marktradikalismus“, dann frage ich Sie, ob es ein Zeichen von Marktradikalismus ist, ein System (EU), eine Währung (Euro) und Großunternehmen aus Industrie (per Abwrackprämie) und Finanzwirtschaft (per Bankenrettung) permanent durch staatliche (nationale Ebene) und quasistaatliche (EU-Ebene) Manipulationen, also Eingriffe in den Markt, zu „retten“. Ist ein solches Vorgehen marktradikal?
Die EU ist meiner Ansicht nach nicht neoliberal, sondern quasi-sozialistisch „programmiert“ und zwar real-sozialistisch. Nicht umsonst kam der Begriff Bankensozialismus auf, der nach wie vor Geltung hat, denn es werden nach wie vor Banken gerettet, siehe zuletzt Italien. Wäre die EU neoliberal programmiert, hätte es im Jahr 2008 einen großen Knall gegeben und anschließend ein paar harte Jahre für alle (siehe Island). Dann hätte der Markt sein Werk vollbracht und wir müssten uns nicht mehr mit Unternehmen herumschlagen, die auf Pump zu viel exportieren und mit Banken, die kein tragfähiges Geschäftsmodell mehr haben. Als schöner Nebeneffekt wären die Verantwortlichen zur Verantwortung gezogen worden.
Sehen Sie sich zur Frage, in welchem System wir auf jeden Fall nicht leben, gerne auch die Aussage von „Der Crash ist die Lösung“-Autor Matthias Weick an (insbesondere ab Minute 8:30 Uhr): http://www2.anleger-fernsehen.de/daf_vod_aktie.html?id=50184312&
ebo
10. Februar 2016 @ 10:07
Lesen Sie Crouch, Streeck, Beck, Habermas, Zizek… Oder kommen Sie mal nach Brüssel und fragen eine x-beliebigen Politiker oder Bürger, ob hier der Sozialismus ausgebrochen ist 🙂
S.B.
10. Februar 2016 @ 10:22
Ich glaube kaum, dass mir ein Politiker, der real-sozialistisch wie die Made im Speck lebt (also parasitär), erzählt, dass dies der Sozialismus ist. Der sägt sich doch den Ast nicht ab, auf dem er sitzt. 😉
Es ist übrigens im Grunde ganz egal, welche ideologisch verbrämte Bezeichnung man diesem System gibt. Jedenfalls ist festzustellen, dass das System komplett dysfunktional ist und zwar aufgrund seiner „Programmierung“. Wenn dem so ist, muss man schauen, was falsch programmiert ist. Unstreitig wird durch Subventionen und sonstige Umverteilung permanent brutal in den Markt eingegriffen, um zu „retten“, was nicht zu retten ist. Dann muss dieser falsche Mechanismus, mag man ihn nun nennen, wie man will, eben beseitigt werden.
Peter Nemschak
10. Februar 2016 @ 11:12
Beck und Habermas sind intellektuell Schwergewichte, ihre Vorstellungen, wenn auch nicht so gemeint, elitär oder utopisch. Der real existierende Politiker muss mit dem Material arbeiten, das ihm zur Verfügung steht.
Baer
10. Februar 2016 @ 07:35
Man kann nur hoffen ,dass endlich diejenigen bezahlen ,die uns den ganzen Schlamassel eingebrockt haben.Diese Raubritter Elite muss weg ,denn sie sind nicht die Lösung ,sondern das Problem.Nicht gewählt , nicht legitimiert und alles zerstörend ,nur um sic selbst zu bereichern,auf unser aller Kosten. Schluss damit.Alle Macht geht vom Volke aus, oder besser , wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.
ebo
10. Februar 2016 @ 09:32
Stimmt, die EU war ein Eliten-Projekt, und nun sind die Eliten zum Problem geworden…
Peter Nemschak
10. Februar 2016 @ 10:40
Alle großen politischen Projekte der Geschichte waren Elitenprojekte, ob nun die seinerzeitige Loslösung der englischen Kolonien in Amerika von England, die Französische und Russische Revolution oder in jüngerer Zeit die EU. Was ist daran so ungewöhnlich oder verwerflich? Mir sind keine basisdemokratisch zustande gekommenen Projekte bekannt, die lange überlebt haben. Entscheidend ist, dass sich das Projekt EU an die geänderten Umweltbedingungen der Informationsgesellschaft in einer immer vernetzteren globalen Welt anpasst. Die Kritik von Varoufakis, dass die derzeitige EU undemokratisch sei, stimmt nicht. Die diversen Sanierungspakete für Griechenland wurden letztlich von den nationalen Regierungen genehmigt, die alle demokratisch gewählt sind. Wenn ein Land Teil der Währungsunion ist, muss es sich an die Spielregeln halten, auch wenn das bedeutet, dass damit ein Teil der finanzpolitischen Autonomie wegfällt. Das gilt auch für Portugal und Spanien nach ihrem politischen Linksruck.
Peter Nemschak
10. Februar 2016 @ 07:29
Immer wieder wird die neoliberale Leier von den Sozialisten als Versatzstück hervorgeholt. Von Neoliberalismus sind wir weit entfernt. Die europäische Landwirtschaft ist extrem protektionistisch. Deutschlands Wirtschaftsmodell ist alles andere als neoliberal, Frankreichs Etatismus (egal ob von rechts oder links) das Gegenteil von liberal. Frankreichs Ingenieure gehören zu den besten der Welt. Eigentlich, so würde man vermuten, müssten Google, Microsoft, Facebook, Silicon Valley etc. eher in Europa als in den USA entstanden sein. Sie sind es aber nicht. Warum wohl? Wenn man von neoliberal spricht, dann würde diese Bezeichnung mit unterschiedlich starker Ausprägung eher auf die anglosächsischen Wirtschaftsmodelle zutreffen. Auch diese werden von der Mehrheit der dort lebenden Bevölkerungen akzeptiert, selbst wenn einige Ausprägungen korrekturbedürftig sind. Die Debatte über unterschiedliche Wirtschafts- und Sozialmodelle in der EU gab es schon vor 20 Jahren, und sie wird in Zukunft weitergehen. Die Hoffnung, dass sich weniger erfolgreiche Wirtschafts- und Gesellschaftsmodelle an die erfolgreicheren anpassen würden, ist bis jetzt nicht in Erfüllung gegangen. Warum soll ein sozialistisches Umverteilungsparadigma für die Mehrheit der Europäer vorteilhafter sein als ein gemäßigt liberales, das die Tüchtigkeit von Individuen anerkennt, belohnt und dafür Sorge trägt, dass initiative und leistungswillige Menschen, egal welcher Hautfarbe und Herkunft, realistische soziale Aufstiegs- und Verwirklichungschancen erhalten. Irgendjemand muss die Führung in Europa übernehmen und Ziele vorgeben, vorzugsweise der relativ Stärkste. Die anderen müssen die Wahl haben mitzumachen oder ihre eigenen Wege zu gehen.
S.B.
10. Februar 2016 @ 09:46
@Peter Nemschak: Heute muss ich ein rotes Kreuz in den Kalender machen, da ich mit Ihrem Kommentar voll d’accord bin. 😉 Siehe auch mein Kommentar weiter unten.
ebo
10. Februar 2016 @ 09:49
Sie sprechen von Staaten, ich analysiere Politiken. Dass diese neoliberal inspiriert sind, ist common sense in der Politikwissenschaft.
S.B.
10. Februar 2016 @ 10:31
Schauen Sie einmal, welche Leute in der ganz überwiegenden Zahl an den Unis Politikwissenschaften betreiben: ultralinke. Was erwarten Sie da für einen anderen common sense mit Blick auf das System als „neoliberal“?
ebo
10. Februar 2016 @ 10:36
Haha, und jetzt liegt auch noch Sanders vor Clinton – good news aus der Heimat des Turbo-Kapitalismus 🙂
S.B.
10. Februar 2016 @ 10:52
Mr. Sanders war wohl so schlau und hat mal einen Blick über den Teich nach Europa geworfen. Und was hat er da gesehen: den Sozialismus. Und damit punktet er jetzt bei den Amis. Das ist wirklich witzig. Politik ist eben auch nur ein Geschäftsmodell. Mr. Sanders hat da im Amiland noch eine echte Marktlücke erkannt und bedient diese jetzt. Das könnte hierzulande genau umgekehrt laufen. 😉
Peter Nemschak
10. Februar 2016 @ 10:53
Neoliberal ist ein Verhältnisbegriff und bedeutet ökonomisch einne Paradigmenwechsel von keynesianischer Nachfragesteuerung hin zu einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik im historischen Kontext zweier Ölkrisen und Stagflation in den großen Industrieländern in den 1970-iger Jahren. Darüber hinaus wird neoliberal als Kampfbegriff der Linken für alles verwendet, was der Linken nicht gefällt, egal ob es passt oder nicht. Das den Linken verhasste Prinzip Wettbewerb gilt damit auch für den Ideenwettbewerb, welche die Stärke einer Demokratie begründet.
ebo
10. Februar 2016 @ 16:07
Welche Linke meinen Sie? Vielleicht die von Hayek oder Friedman? In seiner heutigen Ausprägung wurde Neoliberalismus von Giddens geprägt, bestimmt kein radikaler Linker. – Was den Ideenwettbewerb betrifft, Varoufakis ist gerade eingestiegen. Nur von den EU-Eliten höre ich nichts dazu. Die meint nämlich, ihre Politik sei alternativlos…
Peter Nemschak
10. Februar 2016 @ 11:29
Nach wie vor werden Politiken von den Staaten umgesetzt. Ideen sind noch keine Politiken. Das wollen die Intellektuellen nicht gerne hören.
ebo
10. Februar 2016 @ 11:40
Die EU-Politiken werden heutzutage meist in Berlin formuliert (das begann schon mit der „Berliner Erklärung“ für den Lissabon-Vertrag) und in Brüssel in EU-Recht gegossen. Die anderen dürfen es dann umsetzen. Dabei kommt der deutsche Ordoliberalismus mit dem Liberalisieurngs-Wahn der EU zusammen – wenn man dann noch (wie in er Euro-„Rettung“) den IWF hinzunimmt, kommt ein weltfemder Neoliberalismus heraus. Schauen Sie mal nach Athen, was da los ist!