“Ein giftiger Cocktail”
Nach dem Machtwechsel in den USA gerät auch die Europäische Zentralbank in Zugzwang. US-Präsident Trump attackiert den “weichen deutschen Euro”, Deutschland drangsaliert EZB-Chef Draghi. Kann das gut gehen? – Ein Interview mit F. De Masi.*
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Aus Deutschland hört man immer mehr Kritik am Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi. Was ist da los, was hat Draghi falsch gemacht?
Ja, sein Anleihenkaufprogramm und die niedrigen Zinsen werden in Deutschland kritisiert. Draghi hatte natürlich wegen der Politik der Bundesregierung kaum eine andere Wahl. Er wollte die Finanzmärkte beruhigen und verhindern, dass der Euro zerbricht. Allerdings haben wir nun einen giftigen Cocktail aus billigem Geld und Kürzungen – und das ist die schlimmste aller Kombinationen. Denn das billige Geld kommt nicht in der realen Wirtschaft an sondern landet auf den Finanzmärkten . Wer sich über Draghi beschwert, muss also investieren. Dann wären auch wieder etwas normalere Zinsen möglich.Bei Null-Zinsen nicht mehr zu investieren wie Schäuble ist absurd.
Allerdings wird gegen Draghi nun ermittelt, weil er in der Bankenlobby-Gruppe namens G-30 mitmischt. Sogar die Ombudsfrau der EU hat sich eingeschaltet…
Ja, zu Recht. Ich hatte mich wie auch die lobbykritische Organisation CEO bei der Ombudsfrau beschwert. Denn die EZB ist seit der Finanzkrise mit der Aufsicht über die größten Banken befasst. Es ist deshalb höchst problematisch, wenn Draghi Mitglied in der Group of 30 ist, also einem Club mit den Vorsitzenden der Banken, die er eigentlich beaufsichtigen soll. Dort diskutiert er womöglich die Geldpolitik mit privaten Finanziers – das ist ein Interessenkonflikt, denn die Investoren könnten so einen Informationsvorsprung gewinnen. In den USA gibt es viel striktere Regeln.
Wie sehen Sie die Zukunft des Euro? US-Nobelpreisträger Stiglitz prophezeit den Zusammenbruch der Einheitswährung…
Ich bin überzeugt, dass der Euro nicht überleben kann. Denn Deutschland zwingt mit chronischen Exportüberschüssen die Euro Partner in die Verschuldung und Arbeitslosigkeit. Dafür genügt ein Blick nach Italien: Das Land hat seit Einführung des Euro rund 25 Prozent seiner Wirtschaftsleistung verloren, es steckt in einer permanenten Depression. Nun droht Draghi , dass Italien seine Kredite aus dem so genannten Target-2-System (also dem internen Verrechnungssystem der EZB, die Red.) in Euro zurückzahlen muss, wenn es den Euro verlässt. Dabei nehmen bereits Nicht-Euro-Länder an Target teil.
Also kann Italien ungestraft aus dem Euro austreten?
Ja, natürlich. Ich nehme Draghis Drohung nicht besonders ernst. Je mehr Anleihen Draghi kauft, desto einfacher wird ein Schuldenschnitt. Denn für die EZB ist das nur eine Luftbuchung.
Aber Deutschland wird das nicht zulassen, dass Italien geht und der Euro zusammenbricht…
Deutschland tut aber alles dafür dass der Euro zerbricht. Berlin hat derzeit die Hosen an in der EU, das stimmt. Deshalb ist die Bundestagswahl auch wichtig für die Europa. Leider bieten SPD und Grüne in der Europapolitik jedoch keine echten Alternativen. Dabei ist doch offensichtlich, dass die EU nicht weitermachen kann wie bisher! Wer etwa als Reaktion auf den Brexit und die Wahl Donald Trumps in den USA aufrüstet und damit noch mehr Krieg, Terror und Flucht vor Europas Haustür schafft, hat nichts verstanden.
Fabio de Masi ist Ökonom und Europaabgeordneter der Linken. Das vollständige Interview steht hier.
hintermbusch
8. Februar 2017 @ 22:27
Die Exportüberschüsse Deutschlands sind durch den Euro natürlich massiv gefördert worden. Das kann niemand bezweifeln. Eine relativ unterbewertete Währung bewirkt das unweigerlich. Ebenso wahr ist, dass Deutschland schon immer zu Überschüssen geneigt hat. Darin ist es ähnlich wie Japan und Korea, die aber durch eigene Währungen im Export gebremst werden. Auf der anderen Seite neigen die angelsächsischen und südeuropäischen Volkswirtschaften zu zu viel Konsum (auf Pump). Beide Seiten sind eine fatale Symbiose eingegangen, die sie nun dem jeweils anderen vorwerfen: Effizienzspinner gegen Schuldenmacher.
Die Asiaten und Angelsachsen zeigen aber, dass der Euro das Problem nur verschärft, nicht verursacht hat. Das Ur-Problem ist der hemmungslose Freihandel, der die globale Nachfrage gegenüber dem globalen Angebot zurückfallen lässt:
https://hintermbusch.wordpress.com/2017/02/07/wie-freihandel-versagt/