Ein Exempel statuieren (II)

In der Zypern-Krise bereiten sich alle Seiten auf alle Optionen vor. Plan A, Plan B, Austritt oder Rausschmiss – alles ist möglich. Dabei haben Beobachter in Brüssel ein unangenehmes Déjà-vu-Erlebnis: Wie schon vor einem Jahr an Griechenland will Berlin nun offenbar an Zypern ein Exempel statuieren.

Wir erinnern uns: Schäuble, Söder, Rösler – im Sommer 2012 haben sie Griechenland systematisch zum “Grexit” gedrängt. Erst ein überfallartiger Besuch von US-Finanzminister Geithner bei Schäuble in Sylt brachte die Wende (siehe: “Wie Geithner den Grexit stoppte”).

Muss auch diesmal wieder ein Amerikaner einfliegen, um Deutschland und Europa vor einem wirtschafts- und außenpolitischen GAU zu retten? Wenn wir Zypern ziehen lassen, wird dies schweren Schaden anrichten (siehe: “Was gegen eine Pleite spricht”).

Fest steht, dass Merkel, Schäuble & Co. auch diese Krise nutzen, ein Exempel zu statuieren. Besonders eindringlich hat dies der maltesische Finanzminister in einer Schilderung der Eurogruppensitzung vom letzten Freitag dargelegt. Zitat aus der “Times of Malta”:

So the package had to create the precedent of penalising the depositor rather than the taxpayer. Of course, like all attacks, the collateral damage to be suffered by the Cypriot people could not be avoided. The €18 billion financial gap had to be filled in partly by a €10 billion EU bail- out and a matching €8.5 billion bail- in. This includes gold sales, privatisation, a stiff levy on interest from bank deposits covering both guaranteed and non guaranteed ones, and an ambitious 4.5 per cent of GDP consolidation which will cut Cyprus’s enormous debt back to 100 per cent by 2020. More questionable for a micro state is a proposed downsizing of their domestic banking sector to European average proportions.

All this was “agreed” to by the Cypriot government representative who, with a pistol to the head, was naturally unusually co- operative. But it took nearly 10 long hours before the Cypriot minister’s body and soul became exhausted enough for him to assent to this accord. As soon as that happened Schauble demanded that all wire transfers to and from the Cypriot banks would cease forthwith.

The feeling one got on exiting the meeting in the early hours of the day was that never in one’s life would one like to dream the experience let alone live it. That is indeed salutary to any finance minister who needs to be reminded that any fiscal slippage in the country’s public finances is done at a great risk to the country’s economic welfare.

Sciclona spricht von “Angriff”, einer “Pistole am Kopf” und einer “Lektion fürs Leben”, die Schäuble seinen zyprischen “Freunden” und allen anderen Finauzministern erteilt habe: jede finanzielle Schieflage ist lebensgefährlich!

Einige Leser dieses Blogs und viele Deutsche freuen sich über diese Lektion. Endlich bleibt Deutschland hart, endlich wird ein Steuerparadies abgewickelt! Selbst SPD und Grüne klatschen Beifall.

Doch die Freude greift, so verständlich sie ist, zu kurz. Zum einen hat Schäuble die Krise wesentlich mitverschuldet, wie ich bereits dargelegt habe (“Schäubles Schuld”). Man hätte sie schon im Herbst beilegen können.

Zum anderen legt er Zypern unmöglich zu erfüllende Bedingungen auf. Er fordert ein “Bail-in”, also eine Eigenbeteiligung bei der “Rettung”. Doch die Kassen sind leer. Es ist, als wenn man einem nackten Mann in die Taschen fasst – und sich wundert, nur Sch… zu finden.

Vor allem aber handelt Schäuble willkürlich. Warum soll Zypern sein Geschäftsmodell ändern, wenn die Steuer- und Finanzparadiese Luxemburg, Irland und Niederlande weitermachen dürfen?

Wieso sind russische Anleger schlecht, britische, amerikanische oder deutsche (die massiv in Irland exponiert sind) aber gut? Wieso dürfen Briten und Deutsche ihre Investitionen auf Zypern sichern, Russen hingegen nicht?

Offenbar geht es – wieder einmal – darum, ein Exempel an den Südeuropäern zu statuieren. Vielleicht will man so auch Spanien oder Italien den Hammer zeigen. Der Norden hingegen wird ausgenommen – das kann nicht gut gehen.

Siehe auch “Ein Exempel statuieren”, Teil 1: Griechenland. Zum plötzlich umstrittenen zyprischen “Geschäftsmodell” findet sich ein interessanter Beitrag im EuObserver – es war Brüssel und Berlin seit dem Euro-Beitritt vor fünf Jahren bestens bekannt und wurde stillschweigend akzeptiert.