Drei Bittsteller

So einen großen Bahnhof hat es in Brüssel schon lange nicht mehr gegeben. Die Präsidenten aller drei großen EU-Institutionen hießen den türkischen Staatschef Erdogan willkommen. Er ist der Gewinner der Flüchtlingskrise – sie sind Bittsteller.

Gleich dreimal durfte sich der selbstbewusste Sultan mit vorgefertigten Statements der Presse präsentieren (Fragen waren nicht zugelassen).

Nach Einzelgesprächen mit Juncker (EU-Kommission), Tusk (Rat) und Schulz (Europaparlament) war Erdogan dann auch noch zu einem exklusiven (und natürlich vertraulichen) Arbeitsessen mit den drei EU-Chefs geladen.

Zumindest unter der Juncker-Kommission hat es derlei Ehren für einen einzelnen Staatsmann noch nie gegeben. Erdogan wurde wie ein Herrscher empfangen, das EU-Trio benahm sich wie Bittsteller.

Das muss wohl an der Flüchtlingskrise liegen.

Seit Hunderttausende Syrer, Iraker und andere Migranten von der Türkei über die Ägäis nach Griechenland und dann über die Balkanroute nach Deutschland gelangt sind, nimmt Erdogans Reich plötzlich eine strategische Schlüsselrolle ein.

Nichts geht mehr ohne Erdogan?

Denn ohne oder gar gegen die Türkei, so der neue Brüsseler Konsens, lässt sich die humanitäre und politische Krise in Europa nicht mehr lösen.

Wie Erdogan der EU helfen soll, hatte die „FAZ“ bereits am Vortag des Besuchs in Brüssel durchgestochen. Demnach wünschen sich Juncker und seine Kommission einen „Aktionsplan“, mit dem die Seegrenze zu Griechenland abgeriegelt und Flüchtlinge in der Türkei zurückgehalten werden sollen.

Erdogan soll dieser Plan mit Milliardenhilfen, einer Wiederaufnahme der EU-Beitrittsgespräche sowie Erleichterungen bei der Visavergabe schmackhaft gemacht werden.

Nur Zuckerbrot, keine Peitsche

Auf die Idee, den Plan nicht nur mit Zuckerbrot, sondern auch mit einer Peitsche zu versehen, waren die EU-Politiker offenbar nicht erst gekommen.

Statt mit Druck, der den Nato-Partner Türkei und damit auch die USA verärgern könnte, versuchten sie es mit einer massiven, fast schon unterwürfigen Umarmungstaktik.

Angeblich ist das Realpolitik. Man kann es aber auch eine außenpolitische Bankrotterklärung nennen…

Dies ist die Kurzfassung eines Berichts, den ich auf „telepolis“ veröffentlicht habe, das Original steht hier. Zur EU-Außenpolitik siehe auch „Drei unglaubliche Patzer“